Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Sättel, Zaumzeug, Reiterbogen, Kompositbogenbau, usw.
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Penumbra
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Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Penumbra » 01.06.2011, 13:30

Hallo, da ich mich schon seit geraumer Zeit dem Kompositbogenbau widme, möchte ich mich einigen neuen Projekten zu wenden. Leider sind die Quellen bei einigen Bögen recht dürftig und ich würde gerne beim hunnischen Kompositbogen ansetzen. Ich bin nicht auf einem Nachbau eines bestimmten Fundes fixiert, sondern im allgemeinem auf den Bogentyp. Besonders der komplexe Aufbau der Siyhas ist recht breit gefächert. Hier mal ein interessanter Link dazu: http://www.atarn.org/chinese/miran/Bows ... Miran.html

Im Gegenzug für eure Hilfe zur Interpretation und Recherche würde ich mich eventuell mit einem "built a long" mit Bildern revanchieren. Vielleicht hat ja auch einer Lust parallel mitzubauen und die Werte zu vergleichen.

Als erstes wäre der Rahmenaufbau interresant mit Vorschlägen der Maße, Material (Holz) und welchen Siyah-Typ. Ich hoffe auf einige Mitarbeit: André

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kra
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von kra » 01.06.2011, 15:40

Hallo Andrè, willkommen hier.

Kompositbogenbau stößt hier immer auf Interesse und wenn jemand mit professioneller Erfahrung hier sich einbringt - um so besser.

Ob es einen "paralell-Bau" gibt kann ich nicht sagen, das hängt von den einzelnen und ihrer Zeit ab.

Wissen zu teilen ist erklärtes Ziel des Forums, von daher werden Fragen hier nicht auf taube Ohren stoßen.

Zum Link - ja, die Informationslage auf Atarn ist einzigartig. Wobei der von die gezeigte Bogen/Bögen wohl eher dem Mongolischen Typ (von Geographie und Bauform her) zuzuordnen sind. Die sehr breiten Biegzonne der WA deiten auf Verwandschaft zum Kotan? (Name aus der Erinnerung) Bogen hin.
“Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.”
– George Bernard Shaw

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Penumbra
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Penumbra » 01.06.2011, 16:20

Danke Kra, leider finde ich kein Aufbauchema des Holzrahmens. Ausgehend vom kompletten Bogenfund von Hedins sino-hunnischer Fund, welcher leider verloren ging, und das Bild von 1934 und den Siyahs. Könnte ich mir vorstellen das die Wurfarme und die Hebel aus einem Stück Holz bestanden, welche auf dem Rücken zur Versteifung zusätzliches Holz aufgeleimt wurde und mehr in Richtung langezogener Recurve geht. Vom Gefühl her kann man beim hunnischen Bogen schön die Entwicklung vom reinem Holzbogen zum Kompositbogen sehen (auch das paddelförmige Design der Wurfarme) und der Rahmen könnte auch aus einem Stück Holz bestehen plus die Versteifung der Siyahs. Auf den zeitgenössigen Bildern erkennt man auch 2 unterschiedliche Siyahs-Formen, der wie oben beschrieben und vielleicht der aufgesetzte/verspleisste.
http://books.google.de/books?id=h3H9pji ... &q&f=false
Die Verbindung im Griff ergibt sich meiner Meinung nach von selbst, durch den starken Set-back im Griff, das die Wurfarme schräg an den Griff geklebt wurden (überlappend ohne Spleiss), oder wenn aus einem Stück vorgedämpft. Allerdings stellt sich hierbei die Frage, ob die Hornplatten beim Fadeout im Griffbereich aufhörten und deshalb auch die Griffpartie in der Bauchseite mit Knochen verstärkt wurde.

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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Feanor1307 » 01.06.2011, 17:11

Moin Moin,

wenn ich mich recht entsinne entspricht der Moshcheveya Balka Bogen so ziemlich dem hunnischen Design, wenn man von einem solchen sprechen kann. Einige Informationen dazu findest du auf Atarn. Pläne für einen Nachbau hier: http://www.freebirdarchery.com/images/M ... s%20v2.pdf . Andrew Jall hat die Asymmetrie des Originals aus Gründen der Einfachheit rausgerechnet. Seiner Beschreibung nach bestand der Rahmen vermutlich aus einem Stück Holz welches entsprechend gebogen wurde (Bestätigung deiner Aussage). Er hat gespleist. Weiterhin waren die Originale reichlich mit Sehnen umwickelt um Delaminierungen des Horns zu verhindern und mit Knochenplatten verstärkt. Doll schnell waren sie sicher nicht, daher hat er beim Nachbau optimiert :).

Viel Spass beim Nachbau

Grüße, Feanor
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Penumbra » 01.06.2011, 17:42

Danke Feanor, der Moshcheveya ist recht interessant und geht auch in die Richtung. Für mich stellt sich die Frage ob es nun überhaupt Anhaltspunkte für den Aufbau im Griff und die Siyahs gibt oder doch alles recht spekulativ bleibt. Zur Verdeutlichung ne kleine Zeichnung im Anhang zum Griffaufbau.
Dateianhänge
grif hunne.jpg

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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Penumbra » 01.06.2011, 18:03

Die Gesamtlänge von 60“ /152cm) , von Funden ausgehend, werde ich auf 150cm festlegen über alles. Das Verhältnis der Asymmetrie würde ich auf 2/3 zu 3/3 der Wurfarme und Siyahs setzen. Das Verhältnis der Siyahs (inklusiv Übergang) und Wurfarme (ohne Griffübergang) bei 1:1 in der Länge, dies scheint optisch bei fast allen Funden ungefähr gleich zu sein. Anregungen und Einsprüche werden gerne entgegen genommen.

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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Feanor1307 » 01.06.2011, 21:42

Moin Moin,

hier noch ein paar Hinweise zum Griff Speiss http://atarn.net/phpBB2/viewtopic.php?t ... e&start=15.
Es ist der Beitrag von Andrew Hall.

Grüße,
Feanor
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Snake-Jo » 02.06.2011, 11:41

Es wird einen Artikel zur Rekonstruktion eines hunnischen Bogens Anfang nächsten Jahres geben, der alle auf Atarn gegebenen Informationen zusammenfaßt und auch noch einiges darüber hinaus. ;)
Das Thema ist zum einen sehr komplex, zum anderen habe ich mittlerweile eine ganze Sammlung an Original-Literatur darüber, die ich hier aber nicht vor der Publikation zum besten geben darf.
Also könnte man jetzt weiter spekulieren oder sich die Sachen stückweise aus ATARN besorgen oder aber abwarten.

Eine gute Möglichkeit ist der Nachbau des Khotan, der in allen Einzelheiten auf Atarn beschrieben wurde und auch die Rekonstruktion von Grocer. Damit würd ich anfangen. Es gibt hier auf FC auch einen Thread zum Khotan-Bogen. Ich kann aber dazu nur warnen: Der Khotan-Bogen verschlingt unglaubliche Mengen an Material und muss zwingend über 50 lb haben, damit er überhaupt ein wenig Effiziens hat, d.h. der Rohling würde beim ersten Aufspannen rund 70 lb haben, besser 80. Falls sowas einem um die Ohren fliegt, dann wird es dunkel. 8)

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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Penumbra » 02.06.2011, 13:50

Mit dem Khotan habe ich kein gutes Gefühl in Punkto Leistung und er ist auch recht extrem einzigartig im Design, auch verjüngen sich die Wurfarme nicht. Wie gesagt wollte ich keinen genauen Nachbau anstreben sondern mehr den Mittelweg wählen, bzw. das beste von allem Wissen der hunnischen Bögen vereinen. Die Bögen wurden zu der Zeit ja auch recht individuell gebaut und nicht sehr einheitlich, wie z.b. die osmanischen Bögen. Was mich momentan beschäftig ist die Verbindung im Griff um ein so hohes set back zu erhalten wie der Fund von Miran oder einige zeitgenössische Abbildungen. Nach Gefühl und optischer Auslese würde ich mich für die erste Verbindung entscheiden (siehe Skizze von mir oben), fraglich ist ob diese auch früher verwendet wurden. Ich könnte auch 2 Bögen parallel bauen um Vergleiche anstellen zu können. Ist denn überhaupt an einem hunnischen Bogenfund die Existenz von Sehnenbrücken bestätigt wurden? Bei der Länge der Siyahs und dem Winkel der gefundenen Bögen könnte man es ausschliessen.

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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Feanor1307 » 02.06.2011, 20:24

Moin Moin,

ein Vorschlag zu deiner ersten Variante: Spleiße doch die Wurfarme ähnlich an den Griff wie beim Osmanen, nur in der Weise das du sie schräg ansetzt. Damit erhälst du recht viel Setback (upps jetzt habe ich gerade gesehen das du das als Variante 3 bezeichnet hast. :)) Ok, einen habe ich noch: Wie bei einigen Tataren oder bei den Koreanern, den Griff aufgesetzt. Die Wurfarme werden dann darum gebogen.

Grüße Feanor
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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Penumbra » 03.06.2011, 09:20

Die 3. fällt leider weg, wenn ich den recht typischen rechteckigen langgezogenen Griff haben möchte und dieser Spleiss entgegen wirkt und auch zuviel Faserunterbrechung bedeutet. Die Form vom Griff ergibt sich durch die gefundenen Griffschalen von circa 25cm Länge bis zum fadeout und circa 11-12cm im unteren Bereich. Nach Messung an den Bildern von den Funden komme ich auf circa 20-25 Grad für das set-back je Wurfarm. Bei den Koreaner besteht der WA ja nur aus einen Stück Bambus mit aufgesetztem Griffstück bei geringer Breite, hier muß ich von 2cm breite im Griff auf 5 oder 6cm breite im WA übergehen.

André

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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Snake-Jo » 03.06.2011, 11:39

@Penumbra:
Deine Planung ist aus meiner Sicht völlig i.O.
Nachdem ich ja schon einiges gebaut habe, mein Kommentar zuerst zu den Griffausführungen:
1. geht garnicht, da hier die Spannung auf den äußeren Klebespalt zum Bruch führt
2. Dämpfung in der Stärke und dem Winkel habe ich noch nicht gesehen, wäre auch nicht authentisch: schwierig!
3. Schwalbenschwanzspleiß ist machbar, muss aber aus den von dir genannten Gründen sorgfältig geplant werden
4. den ca. 5 mm tiefen Rahmen biegen und dann den Griff bauchseitig aufbauen ist eine sehr haltbare und klassische Methode, sowohl bei Hunnen- als auch Mongolenbogen. Würde ich bevorzugen.

Noch ein Hinweis zu dem Reflex: Mess ihn in Abweichung von der geraden Bogenlinie als Winkel am Griff und Winkel am Siyah, das ist dann eindeutig. Der zusätzliche Reflex über die Rückspannung bei Trocknung der Sehne erfolgt automatisch und muss im Vorfeld nicht berechnet werden.

Winkel am Bogen.jpg


Sehnenbänkchen: Sind mir gerade von Hunnenbogen nicht bekannt. Wie du richtig schreibst, ergibt sich aus dem Siyahwinkel, der Siyahlänge und dem Griffwinkel automatisch, dass Sehnenbänkchen nicht zum Einsaz kommen können.

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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Penumbra » 03.06.2011, 21:40

Danke Jo, wie kommst du auf die Grifflänge? gehst du von bestimmten gefundenen Griffschalen aus? Mein Ansatz ist 11 cm Griff plus je WA 8-10 cm Übergang zur breitesten Stelle.

Die Griffverbindung macht mich etwas zu schaffen, eine andere Möglichkeit hab ich unten aufgeführt die mir eher entgegen kommen würde. Vielleicht haben die Jungs früher die Wurfarme mit natürlich gewachsenem set-back verspleisst oder doch vorgedämpft.
Dateianhänge
hh.jpg

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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Snake-Jo » 04.06.2011, 09:03

@Penumbra: Ich hatte ja schon geschrieben, dass die Schwalbenschwanzverbindung machbar ist. Der Spleiß muss natürlich länger, so um die 110 mm. Das man unten und meist auch am Rücken noch eine Leiste dranklebt, ist eigentlich selbstverständlich.

Griffstücke. Ja, es gibt zumindest unendlich viele Funde von Griffschalen, die exakte Maße hergeben. Die Skizze ist nur ein Beispiel, aber real. Hunnenbogen gibt es in XXL
Natürlich gewachsener Setback am Griff: Nö, die hatten schon ziemliche Probleme, überhaupt gutes Holz zu bekommen, während Horn, Sehne und Knochen kein Problem waren. Gewachsene Kurven wurden bei den Siyahs verwendet.
Nochmals: Der eigentliche Rahmen ist 5 mm stark und darauf kann man den Griff aufbauen (bauchseitig). Zieh dir bitte nochmals den Khotan rein mit allen Röntgen-Abbildungen: da sieht man deutlich, was die Jungs früher so alles verspleißt und verklebt haben. So ein Bogen besteht aus 20-30 Einzelteilen.

Khotan-Xray.jpg

Quele: ATARN

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Re: Rekonstruktion/Interpretation hunnischer Kompositbogen

Beitrag von Penumbra » 04.06.2011, 10:14

Danke, hab das Bild falsch gewertet, den Griff habe ich aus einem Stück gehalten also 6 Jahresringe und nicht aus 5-6 Streifen separat aufgebaut ::) ...Asche auf mein Haupt. Zu den Siyahs: die wollte ich aus einem Stück herstellen und aufsetzen mit 10-11cm Übergang und den Sehnenbelag bis zur Überlappung der Knochenplatten oder gibt es hier ein veto wegen A? Beim 2.Bogen werde ich den komplexeren Aufbau anwenden. Den Hornbelag baue ich aus 2 oder 3 Streifen pro WA auf, gibt es hier eine Verbindungs-art der Platten nebeneinaner oder liegen sie stumpf an? Sehe hier eventuell das Problem durch seitliche Spannungen bei der Breite, auch durch den Sehnenbelag, des auseinander ziehens. Oder ist der Bau nur durch eine komplette Umwicklung machbar?

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