Brennnessel Sehne, experimentell

Themen zum Bogenbau
Merha
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Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von Merha » 31.10.2013, 22:10

Nachdem ihr hier einen Thread zu Brennnesselsehnen habt, möchte ich euch mal meine bescheidene Erfahrung mitteilen.

Im Web, vor allem dem amerikanischen, wird immer wieder mal von der Brennnessel als Bogensehne in Notfallsituationen geschrieben. Was die Leute unter Notfallsituation verstehen weiß ich nicht genau. Vermutlich irgendwo in der Wildnis ausgesetzt, Weltuntergang usw.

Seit Jahren arbeite ich immer mal wieder an diesem Thema der Brennnessel als Sehne weil ich es spannend finde. Bisher war ich von deren Qualität nicht sehr überzeugt, da sie in meinen Zugtests immer wesentlich schlechter abschnitt als andere tierische Fasern wie Sehne, Darm oder Rohhaut.

Aber dennoch: erste Zielsetzung sollte sein, eine Bogensehne zu zwirnen ohne große Maßnahmen des Rettens oder eines chemischen Aufschlusses. D.h. verzwirnen des Rindengewebes, indem sich die Fasern befinden. Geht das in einer Art Notfallsituation, wo ich mir auf die Schnelle einen Bogen und Pfeile bastele und dazu die nötige Sehnen aus dem Rindengewebe der Brennnessel?

Zweite Zielsetzung war nicht nur eine Sehnen für 40# Bögen zu bauen (nichts gegen 40#-Bögen) sondern für kräftigere, z.b einen Ulmenholmegaard („Replik“, mit gleicher Wurfarmbreite und –dicke wie das Original), hier 67#.

Hier der erste bessere Versuch:
Der Versuch ist angelehnt an einen sibirischen Bogen, dessen Sehne aus Brennnesselfasern sein soll. Als Öhrchen hatte ich mich für einen flämischen Spleiß an einem und einen Bogenknoten am anderen Ende entschieden.
Nachfolgend der 67# Holmegaard mit seiner Brennnesselsehne. Flämischer Spleiß mit Serving aus Brennnesselfaser, gewachst. Endverbindung zwischen Birkenrindenwicklung und Sehne mit dünner, gezwirnter Brennnesselkordel umwickelt und mit Birkenrindenpech geklebt.

Bild

Merha
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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von Merha » 31.10.2013, 22:12

Brennnesselsehne, gezwirnt, mit Öhrchen und einem Teil des Servings

Bild

Merha
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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von Merha » 31.10.2013, 22:15

Brennnesselsehne mit fertiggewachsten flämischen Spleiß und der Brennnesselkordel, noch ohne Birkenrindenpech, zur Fixierung des einen Endes der Birkenrindenwicklung.

Bild

…and that’s all for today …

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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von eddytwobows » 31.10.2013, 23:19

Topp...!

Vor allem die durchgängige Schutzwicklung mit der Birkenrinde ist Klasse...!

Wenn Du jetzt noch ein Bild und / oder Video im Vollauszug / Schießbetrieb präsentierst,
bin ich von der Möglichkeit / Alternative Brennesselsehne endgültig überzeugt... :) :)

LG
etb
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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von Gornarak » 01.11.2013, 07:24

Mir ist noch nicht ganz klar, welche Fasern der Brennessel du verwendet hast und wie die vorbereitet wurden.

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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von Haitha » 01.11.2013, 08:18

Hi, hab vielen Dank fürs Teilen!
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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von Merha » 01.11.2013, 09:56

Eddytwobows, danke. Vollauszug gibt’s nur vom Bogen am Tillerbaum. Im Vollauszug wurdest du die Sehne ohnehin nur schlecht erkennen. Aber wie gesagt, es war nur experimentell. Ein gutes, dauerhaftes Ergebnis ist mit dieser Art der Verarbeitung aus verschiedenen Gründen kaum zu erzielen. Dazu müsste man die reinen Fasern aus der Nessel hohlen, ohne die ganzen nichtfaserigen Bestandteile, und das ist eine ganze Menge.

Diese Fasern sehen so aus (chemisch aufgeschlossen), müssen aber noch kardiert werden:

Bild

Aber wie schon weiter oben gesagt, eigentliches Ziel ist es, die Fasern ohne Chemie zu extrahieren, auf steinzeitliche Art sozusagen.

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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von Merha » 01.11.2013, 09:58

Gornarak, es ist die äußere Schicht (Rinde) der Großen Brennnessel, wie sie von Gervase hier viewtopic.php?f=15&t=20570 beschrieben wurde. Du findest dazu eine Menge Fotos und Infos im Netz.

Bild

Haithabu, gerne.

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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von Merha » 01.11.2013, 10:02

Weiter mit der Sehne …
Beim ersten Schuß mit dieser Sehne hatte ich ein „ungewöhnliches“ Geräusch gehört und mir war unangenehm aufgefallen, dass die Birkenrindenwicklung einen entscheidenden Nachteil hat: man kann die Sehnen nicht auf Schäden inspizieren ….
Ich habe daraufhin die Wicklung komplett entfernt. Einen Schaden konnte ich zwar nicht finden habe mich aber dazu entschlossen, eine ganz neue, stärkere Sehne, zu bauen. Die vorliegende habe ich aufgelöst da ich nicht mehr ausreichend Material für zwei Sehnen hatte. Aus dem alten und neuen, übriggebliebenen Material, habe ich dann eine zweite Sehne gebaut.

Neue Sehne und neuer Versuch
Diese neue Sehne bestand aus drei verdrehten Kardeelen wobei sich jedes Kardeel wiederum aus zwei gezwirnten Strängen zusammensetzte.

Bild

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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von acker » 01.11.2013, 10:05

Schön ! Immer viele Bilder machen UND !!! fasse es daheim bitte zusammen und wandle es in eine Pdf um .
Wenn Du fertig bist Klone ich den Faden fürs How To board .
:)
Der junge Mensch lernt, was die Erwachsenen wissen und verlernt was er als Kind gewusst hat.

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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von nicoladavinci » 01.11.2013, 14:21

Klasse Arbeit, da ziehe ich meinen Hut :) !

Und reihe mich ein in die Reihe der Experimentierenden (auch wenn es wohl eher eine Schleuder wird, als eine Bogensehne) :
DSCF5084.JPG
Brennneselfasern

die Ernte von letzter Woche; das Beste aus 30 Pflanzen à 1m bis 1,20m Wuchshöhe, grüner Stiel, relativ dunkler Standort.


Mich würde an deiner Sehne vor allem folgendes interessieren:

Hast du im Ausnahmefall hölzerne Bestandteile mit verarbeitet ?
Wie war die Beschaffenheit der Pflanzen ?
Welche Faser/Faserbündellänge hast du verarbeitet ?

mfG,

Nico :)

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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von Neugier » 01.11.2013, 17:56

Hallo Leute das ist alles sehr interessant zu lesen.
Weiter so :)
Danke
Matthias

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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von Frankster » 01.11.2013, 18:31

Merha,
die gezeigte Sehne schaut unglaublich dick aus, wie macht man es mit dem einnocken?
Nimm nicht den ganzen Baum wenn Dir ein Ast genügt

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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von Merha » 01.11.2013, 18:44

Acker, danke. Das ist eher kein How to, dafür ist es nicht ausführlich genug. Den thread sehe ich eher als Erfahrungsbericht über ein Experiment mit Brennnesseln … dessen Ende ja noch offen steht. Gut, ich kenne das Ende schon und ihr auch bald ;-).

Nicoladavinci, danke, halb so wild. Zu deinen Fragen:

Entferne alle holzigen Bestandteile.

Wie die Beschaffenheit der Pflanzen war weiß ich nicht mehr. Ist schon drei Jahre her. Aber du darfst ruhig die langen Brennnesseln nehmen. Im Allgemeinen würde ich sagen, je länger desto besser.

Faser/Faserbündellänge: Ich würde es Rindenbündel oder Rindenbahn nennen. Die Länge so einer Bahn ist eigentlich unerheblich, da man ohnehin spleißen muss und ich spleißen von meinen Arbeiten mit Sehnen gewohnt bin. Aber es macht natürlich Freude ein dicke, breite Bahn abzuziehen. Von daher schaue ich schon auch sie möglichst lang, ohne Abriss zu bekommen.

Die Bahnen auf deinem Bild sehen gut aus.

Mathias danke.

Frankster, es kommt gleich noch dicker . Ja, mit Naturmaterialien hergestellte Sehnen sind meist dicker als die bekannten Dacron, FF etc. Sehnen. Aber man darf beide nicht miteinander vergleichen. Später mehr dazu, wenn gewünscht.

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Re: Brennnessel Sehne, experimentell

Beitrag von Merha » 01.11.2013, 18:50

Und weiter mit der neuen Sehne

Drei Kardeele miteinander verdreht. Ich gebe zu, dass ist jetzt schon weniger „notfallgerecht“ aber so lange dauert die Fertigung gar nicht.

Bild

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