Anforderungen ELB oder wann ist es einer

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Radon
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Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Radon » 13.05.2014, 11:24

Hallo zusammen,

ich stelle mir schon seit eniger Zeit die Frage was genau einen Engl. Langbogen ausmacht.
Bisher habe ich ungefähr folgende Definition:
Länge - min. 72"
Verhältnis WA Dicke/Breite min. 5/8
Gerundeter Bauch
"D" Tiller (full circle)
Soweit richtig?
Gibt es weitere Anforderungen?
Zuggewicht egal solange es kein Warbow sein soll?
Hornnocken?
Und die für mich vielleicht wichtigste Frage:
Welche Holzarten sind erlaubt?
Ich erinnere mich an ein Zitat aus einem historischen Text in dem neben Eibe und Ulme noch einige andere Holzarten wie Hasel und Goldregen genannt werden.
Anders gesagt, darf ein Bambus-Massa Bogen ein ELB sein?
Bitte nicht falsch verstehen. Mir ist durchaus bewußt, dasses hier einige sehr fähige Bogenbauer gibt die sehr schöne und gute ELB aus laminierten Rohlingen gebaut haben.
Freue mich schon auf Antworten.
Gruß radon

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Squid (✝)
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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Squid (✝) » 13.05.2014, 11:43

Ganz streng genommen ist nur der Eibenbogen mit den o. g. Daten ein echter ELB. Und auch das Zuggewicht sollte bei 80+ lbs liegen.
Laminierte Bögen können nur "Im ELB-Stil" gebaut sein.
Bei anderen Hölzern wirds problematisch. Die ganz überwiegende Zahl der historischen ELBen waren nun mal aus Eibe, ob auch ein vereinzelter Ulmenbogen ein ELB ist oder auch "nur" im ELB-Stil gebaut ist, hängt davon ab, wie streng man die Sache sieht.
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Wilfrid (✝) » 13.05.2014, 12:51

andere Frage: Was macht einen Bogen zum indianischen Flachbogen??? Richtig, kurz breit und knackig..

Englische Langbögen gibts viele, vom alten Nydambogen ohne lange Enden und Wickel oder Sidenocks aus was damals so rumstand bis hin zum viktorianischen Scheibenbogen für den Wettkampf mit Griffleder und vergoldeten , ausgeschnitzten Hornnocken aus feinster schweizer Bergeibe oder eben wegen des Zuggewichts aus Ulme, von 30-130#@28-33" je nach Länge des Schützen.

Von vollem Kreis bis D Tiller, allerdings immer mit mehr oder minder biegendem Griff und gerundetem Bauch. Breite/Höhe ~5/8-7/8

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Squid (✝) » 13.05.2014, 13:27

Ein Wikingerbogen bzw. der Nydambogen kann schon deswegen kein ENGLISCHER LB sein, weil er aus Skandinavien stammt...
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Wilfrid (✝) » 13.05.2014, 14:57

naja, Squid, wo die alle waren...
aber ganz genau genommen haben die Waliser genau aus diesen Bögen den englischen Langbogen entwickelt. Die Enden abgesäbelt und schlanker gemacht und weil das jetzt auf Eibe nicht so dolle hält, Nocks dran, aus Horn oder Geweih.

So nen Ast/Stammviertel von der Mitte her nach beiden Seiten geschickt anspitzen, damit das spätere Stöckchen auch bequem wirft, naja, der Trick ist schon etwas sehr viel älter.

Das man die Fertigung auch manufakturmäßig machen kann, das zeichnet jetzt die englischen Langbögen aus...
Sprich : Nimm astreine Eibe/Ulme /Esche und dann Blackys Beschreibung, finish und fertig. Wobei bei Esche eben noch zu treppen wäre...
OT
Dänen in England:
http://de.wikipedia.org/wiki/Harald_II._%28England%29
OT off

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Squid (✝) » 13.05.2014, 15:28

Jo, das ist schon klar.
Aber dieser Thread erfordert eben Haarspalterei, weil es um einen festen Begriff geht. ;)
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Wilfrid (✝) » 13.05.2014, 16:09

So isses, ein scheinbar feststehender Begriff...
Leider ist dem nicht so, gibt es doch Bögen, die nach der english Warbow Society als Warbows definiert sind und es gibt auch noch andere Formen
http://books.google.de/books?id=uI_f5SfA0ecC&pg=PA329&lpg=PA329&dq=viktorianischer+Scheibenbogen&source=bl&ots=gD8rWMK9vS&sig=IZBw_3TbFe0f1XOxJN0rRa35WDk&hl=de&sa=X&ei=GiRyU8jbGsmayQPW2YCgBQ&ved=0CDoQ6AEwAQ#v=onepage&q=viktorianischer%20Scheibenbogen&f=false
was ja nun auch ein englischer Langbogen ist...

Natürlich könnte an jetzt hergehen und die frühneuzeitlichen Bögen des Mary-Rosefundes typisieren und das als ELB zu definieren.

Aber was wird dann eben aus den anderen englischen Langbögen???

Allen gemein ist eben der Kreistiller mit mitbiegendem Griff, eventuell leicht peitschig, der Griff nicht abgesetzt, Druckpunkt Mitte Bogen, relativ hoher runder Bauch, allerdings nicht sehr viel höher als 3/4 der Breite...

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Eddie the Archer » 13.05.2014, 16:29

Also..
Zuletzt geändert von Eddie the Archer am 13.05.2014, 16:35, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Eddie the Archer » 13.05.2014, 16:32

Also die Infos die Du hast stimmen schon mal alle. "ELB" oder "Warbow", da gibts dann schon noch Unterschiede. Google mal "English War Bow Society", EWBS, da gibts Regeln für Bögen, Holzarten außer Yew (sog. "Meane Woods", also Esche, Ulme, Goldregen...).

Die War Bows fangen bei 80 lb @ 32 in an, theoretisch nach oben offen, der Zuggewichtsrekord liegt glaube ich bei 220 lb, geschossen von Mark Stretton. Die "Welsh Class" (oder so) geht von 90-120 lb, damit die Ergebnisse vergleichbarer bleiben und man auch mit "Vorsprung durch Technik" was reißen kann, statt nur mit schierer Kraft...

Im Gegensatz zum Viktorianischen ELB biegen sich die War Bows komplett auf ganzer Länge, also auch im Griffbereich, idealerweise in einem Halbkreissegment, "Full Compass" nennt man dat. Die Mary-Rose-Bögen aus der Tudorzeit, also Mitte des 16ten Jhds., wurden ja schon angesprochen. Letztere habe alle möglichen Querschnitte, oval, fast rechteckig, also nicht nur die "D"-Form. Es gibt wohl DNA-Untersuchungen zur Herkunft des Eibenholzes, mit dem Ergebnis "Norditalien, Alpenvorland".

Wenn Dich das Thema interessiert: "The Secrets of the English War Bow" ist ein gutes Buch dazu, allerdings gibts keine deutsche Übersetzung soweit ich weiß.

Ansonsten gibts noch www-Seiten von der Welsh War Bow Society und von der Dutch War Bow Society.

Exotenhölzer, also alles was nicht in Europa gedeiht, sind no-no. Laminate sind in manchen Wettbewerben erlaubt.

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Wilfrid (✝) » 13.05.2014, 16:41

Wobei , wenn Goldregen, dann auch alles andere, da Goldregen nun mal nicht von sich aus in England wächst, genau wie Hickory o.ä.
Wenn man denn einen mittelalterlichen ELB wünscht. Der hat dann aber eigentlich keine Hornnocken, die hat man wegen der Haltbarkeit erst später draufgemacht. Der walisische Bogen ist eigentlich grob vom Nydamtyp mit 2 kurzen Geweihnocken.
Naja, der Kinderbogen aus dem Burggraben der Burg Elmendorf gehört auch so in die Klasse. Es gibt ja nun nicht sooo viele Möglichkeiten,sinnvoll Eibe zum Stöckchenwerfen zu überreden. Und was will man mit dem Holz sonst machen ...

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Eddie the Archer » 13.05.2014, 16:59

Ich glaube "europäisch" reicht der EWBS beim Holz, d.h. Hickory, Bambus und Konsorten fallen aus, Laburnum/ Goldregen wäre demnach OK... Joe Gibbs verwendet das Holz gelegentlich wohl. Die Mary-Rose-Eiben sind wohl auch nicht alle "true Brits"..

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von locksley » 13.05.2014, 17:18

Die Engländer ließen Eiben aus ganz Europa importieren, bzw. erhoben Zoll in Form von Eibenstaves, es dürften also die wenigsten englischen Bögen aus heimischem Anbau gewesen sein.
Ein grosser Mann wird weder vor dem Kaiser kriechen, noch einen Wurm zertreten (Benjamin Franklin)

Wenn das Atmen schwieriger waere, haetten wir weniger Zeit um Unsinn zu reden.

Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd (Sprichwort)

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Heidjer » 13.05.2014, 17:53

Die Engländer haben die Eibe im Heimatland fast ausgerottet, darum waren sie auf Eibenimporte angewiesen. ;)

Wo kam denn der Begriff Lang- Bogen auf, doch erst im hundertjährigen Krieg, als die Engländer mit Bogen schossen die Aufgespannt noch über Mannsgroß waren. Erst diese unheimliche Größe (Länge) der Bögen hat doch zu diesen Begriff geführt, vorher waren es alles einfach nur Bögen. Ob man diese vorher nach Nationen oder Bauformen unterschieden hat ist wohl fraglich.

Und warum immer auf die English Warbow Society verweisen, es gibt auch die German Warbow Society, die übrigens am Wochenende in Barsinghausen bei Hannover ein Seminar mit Mark Stretton abhält. Ich werde dort wohl am Samstag Nachmittag auch vorbei schauen. ;D


Gruß Dirk
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Wilfrid (✝) » 13.05.2014, 18:09

naja, sooo überlang sind die Dinger nu nich...
jedenfalls verglichen mit Flitzebogen oder Alamannenbogen..
Gut, verglichen mit den Flitschen der Franken o.ä allerdings schon ;-)...

Genaugenommen ist ein ELB ein stabförmiger Bogen aus England, alles andere sind eben Bögen nach Mary Rose Fund, im Tudor stil, im viktorianischen Stil oder eben nach den Vorgaben der Societies...

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Re: Anforderungen ELB oder wann ist es einer

Beitrag von Squid (✝) » 13.05.2014, 18:25

Naja, da hat der Heidjer ziemlich wahr: Der Begriff stammt aus besagter Zeit und bezeichnet die Dinger, die da eingesetzt wurden. Und das WAREN recht lange, starke Eibenbögen mit Hornnocken und 5/8 Dickenverhältnis.
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
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