Unterschiede Werkzeugstahl/Schmiedestahl

Hier kommt alles rein, was in irgendeiner Form mit der Herstellung von Messern zu tun hat.
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Friese
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Unterschiede Werkzeugstahl/Schmiedestahl

Beitrag von Friese » 11.08.2017, 09:10

Moin,

evtl. eine blöde Frage bzw. Grundlagenwissen das man eigentlich haben sollte, aber ich nutze Euer Wissen mal schamlos aus da G&%gle nix hergibt. ::)

Wo liegen die Unterschiede (Vorteile/Nachteile, Qualität) zwischen geschmiedeten Messerklingen und Klingen, die aus Stahl geschnitten werden (stock removal)?

Info oder Verweis auf entsprechende Fundstellen wäre nett.

Danke,
MIchael
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curebo
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Re: Unterschiede Werkzeugstahl/Schmiedestahl

Beitrag von curebo » 11.08.2017, 09:37

Wenn Du Grundlagenforschung betreiben willst: https://de.wikibooks.org/wiki/Werkstoffkunde_Metall/_Eisen_und_Stahl/_Normen_und_Legierungen
Oder suche mal nach Stahlgüte/-n
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Friese
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Re: Unterschiede Werkzeugstahl/Schmiedestahl

Beitrag von Friese » 11.08.2017, 09:59

Netzfundstücke:

"Der wichtigste Unterschied zwischen warmgewalzten und geschmiedeten Werkstücken ist die sogenannte Textur der Kristallstruktur. Beim Warmwalzen ( z.B. Bleche) wird das Gußgefüge der Bramme in einer Richtung gestreckt und umgeformt.
Beim Schmieden im Gesenk oder Freiform wird das Gefüge " fließgepresst", das heißt es wird in mehrere Richtungen umgeformt und verdichtet.
Ein wichtiger Hinweis sind auch die möglichen Fertigungsfehler.
Beim Walzen wird man immer langgestreckten Auswalzungen von Lunkern, Schmutz oder Fehlstellen finden, beim Schmieden ist dies in den Außenbereichen in dieser Form nicht möglich, hier gibt es eher Schäden im Kern. (Kernzerschmiedung)."

"durch Schmieden werden die Gefügezeilen (Schmiedefasern) des Stahles der Form (Gestalt) angeglichen. Ergibt bessere Dauerfestigkeit.
Die Gefügefasern ähneln den Fasern von Holzstämmen, daher starke Anisotropie der Längs- zu den Querkennwerten (Längs, Quer zur Walz-/Schmiederichtung).
Bitte dabei ans Holzspalten denken (parallel und quer zur Faserrichtung), was geht leichter?.
Die Fasern werden beim Walzen/ Schmieden erzeugt, indem die gußbedingten relativ runden primären Körner mit den geseigerten Restfeldbereichen und den Einschlüssen (Oxide, Silikate, Sulfide usw.) - so wie Mutter den Teig auswalzt - in die Walzrichtung ausgewalzt werden. Beim Schmieden sind diese Zeilen der Werkstückform angepaßt.
Ansonsten sind Schmieden und Warmwalzen einander ziemlich ähnlich."
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shokunin
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Re: Unterschiede Werkzeugstahl/Schmiedestahl

Beitrag von shokunin » 11.08.2017, 11:29

Hi!

Ich denke, wenn man mechanisch hochbelastete Teile bauen will, dann kann es von Vorteil sein sie zu schmieden weil dann quasi die Metallstruktur der Form folgt. Im Hobby-Bereich ist es aber eher kein Vorteil das zu versuchen.

Wenn wir Stahl vom Werk kaufen, dann hat der eigentlich eine sehr gute feine Struktur. Sobald wir ihn dann mit unseren, eher simplen, Mitteln und in kleinen Abmessungen verformen, verschlechtert sich eigentlich die Struktur nur. Die Temperatur ist selten optimal und auch nicht im ganzen Teil gleich. Die Gefahr, dass etwas zu heiss wird, oder zu kalt ist und überstrapaziert wird ist viel grösser, als die Chance, dass wir wirklich etwas verbessern.
In der Regel patschen wir ja auch nur einen dicken Querschnitt dünner. Schmieden, als Strukturoptimierung, ist eigentlich nur sinnvoll wenn man Teile mit starken Biegungen herstellen will ...und auch da ist es in der Hobbywerkstatt schwierig.

Das gesagt,... Schmieden kann Zeit sparen und natürlich optisch schön sein, nicht nur wenn man z.B. Verbundstähle herstellen kann. Geschmiedete Oberflächen haben einen Reiz und oft ist Schmieden der sinnvollere Weg, weil man in einem Werkstück von einem sehr dicken auf einen flachen Querschnitt kommen will. Das Stichwort hier wäre z.B.: Vollintegralmesser.

Prinzipiell macht Schmieden aber nur Sinn, wenn man wirklich dafür eingerichtet ist. Meist ist es besser man kauft den Stahl nahe am gewünschten Querschnitt und schleift sich die Klinge raus.

Gruss,
Mark
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Re: Unterschiede Werkzeugstahl/Schmiedestahl

Beitrag von Holzbieger » 11.08.2017, 13:12

Hallo

Ich gebe mal meine Senf mit dazu.

Erstens: Stahl ist kein Baum oder sonst eine Pflanze und hat somit keine Fasern! Das mit den Fasern, Faserverlauf habe ich während meiner Lehre auch mal so gelernt aber das stimmt nicht. Stahl ist ein Metall welches Eisen, Kohlenstoff und sonstige andere Elemente beinhaltet (Karbide, andere Legierunsgelemente etc.)
Durch walzen oder andere mechanische Bearbeitung können sich die Kristalle und Einschlüsse in der Gefügestruktur in eine Richtung ausrichten, das nennt man Zeiligkeit. Die Stahlhersteller gleichen dies allerdings wieder durch Wärmebehandlung aus - normalisieren eben.

https://www.messerforum.net/showthread.php?31419-faserrichtung-in-stahl-Walzrichtung ist hier gut erklärt im Beitrag #5 etwa die untere Hälfte.

Deine Netzfundstücke beziehen sich auch große Werkstücke mit starken Änderungen der Formrichtung. Das trifft auf Messer alles eher nicht zu. Du kannst eine geschmiedete Kurbel- oder Generatorwelle nicht mit einem Messer vergleichen.

So jetzt zu Messern. Moderne Messerstähle die Du im Handel kaufen kannst sind i.d.R alle normalisiert und haben ein "optimales" Gefüge (theoretisch, natürlich haben auch die Stahlwerke Qualitätsschwankungen). Bei Pulvermetallurischen Stählen siehst Du im Schliffbild nur eine homogene Kornstruktur.

dsS35VNrev12010.pdf
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Schmieden hat seine Vorteile (das sage ich jetzt als nicht Schmied):
- Mehr gestalterische Freiheiten. Das reicht von der allgemeinen Formgebung bist zur Damastherstellung
- Materialersparniss, ich kann durch umformen mit weniger Ausgangsmaterial arbeiten verglichen mit zerspanen. Schau Dir mal auf You-Tube die Videos der Fa. Güde an. Der erste Spaltling ist recht klein verglichen mit dem Endprodukt.
- Mehr Auswahl an Stählen. Es gibt nicht alle Stähle als Flachmaterial. Einige werden nur als Stäbe angeboten da fange ich als Stock remover nichts mit an. Ein Schmied kann auch auf Stähle wie alte Autofedern zurückgreifen, das kann ich auch nicht.
- Schmieden macht Spaß.

Auch Stock-removal hat Vorteile:
- Meine Werkstatt ist im Keller eines Mehrfamilienhauses, ich kann da nicht schmieden auch wenn ich es noch so wollte. Die Esse und einen Amboss dann jedes mal im Garten auf und ab zu bauen ist mir zu viel Aufwand.
- Ich kann mit einfachen Mitteln ein Messer machen, es gibt noch Messermacher die Ihre Messer feilen und allerhöchstens eine Bohrmaschine verwenden.
- Weniger Fertigungsfehler. Ich war neulich bei Spaßmacher zu Hause und er hat mir 2 geschmiedete Klingen gezeigt. Eine Klinge war eine Steckerlklinge die im Erl einen Längsriss hatte. Und nicht jeder der schmiedet kann das auch.

Bei richtiger Wärmebehandlung gibt es meiner Meinung nach keine qualitativen Unterschiede zwischen einem geschmiedeten und einen im Stock-removal hergestellten Messer.

Wenn Du hierzu nachlesen willst: Roman Landes: Messerklingen und Stahl. Wobei der Author nicht auf die Unterschiede Schmieden vs, Stock removal eingeht, eben weil diese bei Messern keine Rolle spielen.

Gruß

Roland
- Es ist besser ein gute Entscheidung rechtzeitig zu treffen als eine sehr gute zu spät.
- Ancora Imparo

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Friese
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Re: Unterschiede Werkzeugstahl/Schmiedestahl

Beitrag von Friese » 11.08.2017, 13:45

Schön, vielen Dank für die Informationen.

Wenn sich hier in der Gegend die Gelegenheit zum Schmieden mal bietet (z.B. hier: http://www.altsande.de/schmiede-eggers) werde ich sie sicherlich wahrnehmen, aber ansonsten bleibt es beim stock-removal.

Grüße,
Michael
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Re: Unterschiede Werkzeugstahl/Schmiedestahl

Beitrag von killerkarpfen » 11.08.2017, 13:59

Friese hat geschrieben:Wo liegen die Unterschiede (Vorteile/Nachteile, Qualität) zwischen geschmiedeten Messerklingen und Klingen, die aus Stahl geschnitten werden (stock removal)?
MIchael


Ich habe mal Schlosser gelernt nach alter Schule. Da gehörte auch das Schmieden von Zierelementen und einfachen Werkzeugen dazu. Wir haben gelernt mit Werkzeugstahl umzugehen also unlegiertem Kohlenstoffstahl mit ca 4% Kohlenstoffanteil. Die Handfertigkeiten habe ich heute noch und schmiede ab und an eine Klinge oder eben einen Meissel nach, den ich auch härten kann. Das einzige was ich weiss ist, dass durch das Schmieden eben diese Schmiedefasern entstehen die dem Werkstück eine höhere Güte geben. Weiter weiss ich noch, dass eben diese Schmiedefasern zu inneren Spannungen, gerade beim Härten, führen können und, dass man die Werkstücke dazu spannungsfrei glühen und sehr langsam in Buchenasche abkühlen muss damit keine Spannungsrisse entstehen können

Von dem was Du im nächsten Beitrag geschrieben hast habe ich keine Anung mehr. Das übersteigt mein Fachwissen bereits um Welten. In früheren Threats haben sich Fachleute über Datenblätter zum jeweiligen Stahl bemüht um technische Daten und genaue Härtungstemperaturen usw. zu wissen.
Ja und was will ich damit nun sagen: wenn ich ein Messer im Hausgebrauch gefertigt habe, habe ich ein zwei Rockwell mehr an Härte, eine sensible Klinge die gerne bricht und kann mit diesen Angaben um mich werfen die eh kaum jemand aussenstehendes versteht. Die Messer im Hausgebrauch kann dann kaum jemand richtig schleifen, sind dafür von bester Qualität die mir so auch nicht viel nützt.

Fazit: ich erfreue mich lieber einer schönen Form aus einfachem Stahl den ich auch selber behandeln kann, auf Kosten einer erträglichen Qualitätseibusse. Dafür kümmert es mich nicht wenn mir das Messer einmal zu Boden fällt und ich darf seelenruhig einen Pfeil aus einem Baumstumpf popeln ohne zu befürchten, dass mir die Spitze bricht. Dafür muss/kann ich es ab und zu mit meinen Steinen schleifen bis es wieder scharf wie eine Rasierklinge ist. Etwas anderes kaufe ich mir lieber gleich fertig ein, denn wie erwähnt kann ich mit meinen Hausmitteln das Potential des Stahls eh nicht ausschöpfen. Da nützt mir auch das ganze Fachwissen nichts.
Dies ist aber nur meine Sichtweise die eines Praktikers :D
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