Mittelalterliche Jagdbögen

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the_Toaster (✝)
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Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 29.10.2007, 21:19

Hi.

Hat jemand einen Plan welche Art von Bogen im europäischen Raum als Jagdbogen verwendet wurden?
Die Hammerkriegseibenlangbögen sind da wohl eher nicht verwendet worden, oder?

Wer weiss was?

Angaben bitte quer durch die Epochen.
Reichweite etwa 800 bis 1500 n.Chr.

Mir persönlich schwebt da sowas wie ein leichter nicht so langer und reflexierter Bogen aus einem bis zwei verschiedenen Hölzern vor.
Ist sowas realistisch und belegbar?
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Squid (✝)
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Squid (✝) » 29.10.2007, 22:02

Bitte mit Quellenangaben, Belegen und fertig zum Veröffentlichen in einer Fachzeitung  ;D

Nee, im Ernst, Europa war zwischen 800 und 1500 genau so groß wie heute und die Anzahl der Länder, Völker, Fürstentümer geringfügig größer. Also waren auch die Waffen und die technischen Möglichkeiten, aber auch die Überlieferungen und Traditionen deutlich vielfältiger.

Aber zur Frage.
Zunächst mal gibt es da einige Vorgaben, an denen man sich orientieren muss:
1.) Der Eibenlangbogen war - auch wenn er sicherlich schon vorher in diversen Stärken vorhanden war - ein Produkt der 100-jährigen Krieges zwischen England und Frankreich. In diesem Konflikt hat dieser (Kriegs-)Bogentyp seine Legende erhalten, aber auch in diversen Schlachten gezeigt, was mit ihm möglich ist. Zur Jagd war er nie gedacht.

2.) Das Jagdrecht war in größeren Teilen des vorgegebenen Zeitraums den herrschenden Schichten vorbehalten. Wenn diese jagen waren, haben sie sehr oft aus Prestigegründen (oder schlicht zur Unterhaltung) gefährliche Tiere erlegen wollen, und sind z. B. mit der Saufeder auf Wildschweine losgegangen, die die Hundemeute oder auch Treiber aufscheuchten. Auch Bären wurden eher so erlegt.
Alternativ wurde von den hohen Herren aus Sicherheits- und Bequemlichkeitsgründen vom Pferd aus gejagt - dem Schützen wurde die schussbereite Armbrust vom "Personal" hinaufgereicht.
Aufgrund ihrer Zielgenauigkeit und Durchschlagskraft wurde die Armbrust bevorzugt eingesetzt, oft auch als Balläster oder Schnepper mit Stein- oder Bleikugeln z.B. gegen Vögel und Niederwild. Es gibt höchst teure und kitschige Exemplare dieser Waffe. Auch Falknerei war ein beliebtes Hobby.

In manchen Gebieten durften die Bauern allerdings äsende Rehe auf den Feldern erlegen. Dies beruhte auf überlieferten alten germanischen Gesetzen. Zum Schutz der Nahrungsvorräte machte das ja auch Sinn. Zwar entschied der Grundherr oder sein Büttel darüber, was mit dem Wild geschah - aber natürlich nur, wenn er es wusste...
Aber letztlich wird auch dabei kein ELB (mit dem ihm innewohnenden Trainingsbedarf) zum Einsatz gekommen sein.
Ein Grund für die Bauernkriege des 15. Jhdt. war im Übrigen das Anliegen der Bauern, nach "altem Recht" zu leben und beurteilt zu werden. Und dieses beinhaltete auch das aus germanischer Zeit überlieferte Recht zu jagen. Aber das geht am Thema vorbei... *g*

Grundsätzlich war es aber nach der Erfindung der Armbrust (wann genau ist unbekannt, allerdings hat man bei Hastings auf dem Schlachtfeld von 1066 bereits Bolzen gefunden) mehr und mehr unüblich, mit dem Bogen zu jagen. Denn die Armbrust hatte einige entscheidende Vorteile: Man konnte mit der gespannten Waffe auf die Pirsch gehen und die Waffe ist kompakter als der Bogen. Die niedrige Schussfolge der Armbrust dagegen fiel nicht ins Gewicht, denn der Jäger kann sowieso immer nur einen Schuss abgeben, bei einem Fehlschuss läuft die Beute weg. Heute ist das auch nicht anders. Andererseits war die Armbrust zielgenauer da man sich Zeit zum Zielen nehmen konnte.

Engl. Langbögen als nichtmilitärische Bögen - Jagdbögen - waren nur dann im Einsatz, wenn nichts anderes da war, z. B. wenn Soldaten Nahrung brauchten. Denn das Ding ist als Jagdwaffe reichlich ungeeignet: Es eignet sich um schwere Kriegspfeile in Salven 200 m weit zu schiessen. Aber ein leiser gezielter Schuss auf 25 m aus gebückter Pirschhaltung ist mit dem Ding schon darum schwierig, weil er so unhandlich lang und schwer zu ziehen ist.

Dem einfachen Volk stand vielfach das sog. Niederwild als Jagdbeute zur Verfügung. Langbogen gegen Hase ist aber auch keine gute Alternative. Daher ist man hier oft zur Jagd mit Fallen oder Treibjagden mit Netzen (und Knüppeln) übergegangen.

Soweit also Jagdbögen benutzt wurden, stand man vor den gleichen Problemen wie heute: Der Bogen musste für die Pirsch kurz genug sein und auf max. 40 m sicher treffen und töten können. Dafür kommt m. E. entweder ein "Babylangbogen" also ein schwächerer kürzerer ELB in Frage oder ein Flachbogen. Ich weiss zwar nicht, ob es derartige Funde gibt, aber das Design war auch in der Jungsteinzeit schon bekannt (Holmegaard, wenn auch mit Abstrichen wegen des runden Rückens, Meare Heath, möglicherweise Stellmoor). ber unpraktisch waren die Menschen des MA sicher nicht veranlagt.

Zwar hatte Ötzi - als Vertreter der Jungsteinzeit - einen Eibenbogen mit LB Profil. Allerdings war dieser nur 180 cm lang und entsprach somit nicht einem typischen späteren ELB sondern war deutlich kürzer. Auch vom Zuggewicht entsprach dieser Bogen eher einem "normalen" Bogen oder Baby-ELB, zumindest, wenn man den Beschussversuchen glauben darf, die später mit möglichst genauen Nachbauten gemacht wurden. Danach wurde allerdings ein Rehkadaver auf 30 m vom Pfeil komplett durchschlagen.

Bleibt noch die Frage, welche Waffe ein Wilderer bevorzugt hat. Der ELB war zu groß, unhandlich, auffällig. Die Armbrust zu teuer und (für ihn) zu illegal. Wenn es also eilte und die Jagd mit Fallgruben, Schlingen auf Wildpfaden etc. nicht in Betracht kam, dann war ein Bogen eine gute Idee. Und wie - wenn es ein erfahrener Wilderer war - wird er den gebaut haben? Genau so, wie wir unsere Anfängerbogen bauen. Statt des Internets hat er einen Fundus von Erfahrungen und Erzählungen durch Kollegen, und einer von denen (möglicherweise ein Vorfahre des Raben?) zeigt ihm auch genauer, wie das geht. Ihm ist dabei egal, ob es ein Flachbogen oder ein ELB wird, Hauptsache dat Ding schiesst.

Wenn Dir also ein einfacher Selfbow aus einem Stück vorschwebt, dann liegst du ziemlich richtig. Ob Flachbogen oder ELB Profil ist dabei relativ egal und eher von ausgewählten Holz abhängig, als von der Epoche...

Aber eine echte bzw. verbreitete Jagdwaffe, so wie man heutzutage z. B. ein Jagdgewehr vor Augen hat, war der Bogen in dem von Dir ausgesuchten Zeitrahmen in Europa wohl nie...
Zuletzt geändert von Squid (✝) am 30.10.2007, 00:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von hope65 » 30.10.2007, 08:09

Im Buch "Pfeil und Bogen zur Merowingerzeit" ist auch von einem Fund aus Nydam die Rede, bei der im Grab neben einem 190 cm Eibebogen auch Widerhaken in einem Köcher gefunden wurden, die auf eine Verwendung zur Jagd schliessen lässt. Im gleichen Buch finden sich auch noch einige andere Hinweise , da müßte ich allerdings noch einmal nachlesen.

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von tyron » 30.10.2007, 08:26

als kleiner Einwand, keinesfalls um DIsskussionen neu vom Zaum zu brechen.

Die Wiederhacken, bei der altbackenen Diskussion des Pfeil kann Panzerung (nicht)/(kaum) durchschlagen, als Jagd-Zweck-Nachweis zu interpretieren, ist vorsichtig ausgedrückt etwas unvorsichtig. Einen Pfeil abzubekommen schmerzt. Eventuell behindert der Pfeilschaftauch sogar etwas. Wiederhacken verhindern dann zum einen das Herausziehen, was die Behinderung durch den Schaft wieder verstärkt, und verursachen bei jeder Bewegung extremste Schmerzen, was zusätzlich noch mehr behindert.  Vgl. hierzu das Holzspaneinreißen in Finger beim Holzbeharbeiten und das Drahteinreißen beim arbeiten mit der Drahtbürste. Obgleich der rauhere und manchmal "behackte" Holzspieß kleiner ist, schmerzt der deutlich mehr und behindert mehr als der deutlich größer aber glatter ausfallende Drahtstift einer Drahtbürste (bei elektrischen Drahtbürsten passiert das oft, dass ein loser Drahtstift abgeht und irgendwo ins Fleisch des Anwenders eindringt).
Dass der Wiederhacken-Schmerz-Faktor bei Wild ab einer gewissen Größe einen nicht zu verachtenden Faktor im Jagdglück ausmachen kann, sei hier nicht bestritten, gerade wegen der Selbstverletzung durch herauskauen/zerren/wetzen des schmerzenden Schaftes.

Gruß
tyron
Wenn die jungen wollten und die alten könnten, wäre für beide zusammen das unmögliche machbar.

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von hope65 » 30.10.2007, 10:06

hope65 hat geschrieben:Im Buch "Pfeil und Bogen zur Merowingerzeit" ist auch von einem Fund aus Nydam die Rede, bei der im Grab neben einem 190 cm Eibebogen auch Widerhaken in einem Köcher gefunden wurden, die auf eine Verwendung zur Jagd schliessen lässt. Im gleichen Buch finden sich auch noch einige andere Hinweise , da müßte ich allerdings noch einmal nachlesen.


Es war nicht Nydam, sondern das schweizerische Altdorf! Und bei den gefundenen Pfeilspitzen ist zunächst nur von Kriegsmaterial die Rede, beim Widerhaken spricht man aber auch von einer jagdliche Anwendung.
Weitere Hinweise von selten Funden awarischer Reiterbögen lässt nicht den Schluß zu, dass solche Formen auch in Mitteleuropa gebaut wurden (und wenn, dann waren sie den Fürsten vorbehalten).

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 30.10.2007, 19:05

Manno Manno. Was für ausführliche Antworten.

Danke Leute.

Aber spekulieren wir mal ein wenig.

Ein Mitglied des unteren bis mittleren Adels hatte ein Hobby.
Die Bogenjagd.
Warum auch immer.
Er hatte halt Spass dran, so wie wir heute mit dem Bogen als Hobby schießen.
Was für einen Bogen könnte er benutzt haben?
Welche Bögen waren möglich und üblich?

Handlich muss er sein, leistungsfähig und zielgenau.
Was für einen Bogen würde sich ein Adliger von einem Bogner bauen lassen oder aus dem Ausland importieren?
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Squid (✝) » 30.10.2007, 19:27

Nun globalisieren wir also ein wenig.... *g*

Ganz simpel: da der hohe Herr ja irgendwann in den 700 Jahren lebt,  gegebenenfalls importieren möchte, und Geld offenbar keine Rolex spielt, ist jeder Bogentyp der Zeit von 800 bis 1500 denkbar. Das beinhaltet sogar südamerikanische Indianerbögen, denn Kolumbus war schon Ende 1493 von seiner Amerika-Rundfahrt zurück.

Es gelüstet ihn nach einem hunnischen Reiterbogen? Bitte, Opa hat da sicher noch ein Erbstück von 450 rumliegen, als er ganz allein einen hunnischen Spähtrupp bei den katalaunischen Feldern ausradierrrrt hat. Aber der könnte morsch sein... naja, nehmen wir einen vom Lechfeld... 955 hat der Ungar dort ein paar Bögen hinterlassen...

Lieber etwas moderner, aber im Design recht ähnlich? Bitte, 1242 waren die Mongolen zu Besuch in Schlesien. Diese ganzen Souvenirs auf dem Schlachtfeld...

Oder darf es ein türkischer Reflexbogen sein? Kein Problem: 1453 ist vor Konstantinopel bestimmt einer liegen geblieben.

Auch ein abgespeckter Langbogen der schon 1346 bei Crecy Erfahrungen gesammelt hat und mit neuem Tiller und auf 175 cm verkürzt wurde, ist noch auf dem Flohmarkt der Geschichte erhältlich...

Die Chinesen haben da noch einen Haufen Repetierarmbrüste im Abgebot und ein heruntergekommener Samurai möchte seinen Yumi abtreten...

Und überhaupt: haben die Wikinger nicht von 793 bis 1066 sehr schöne Langbögen aus diversen Hölzern in diversen Stärken in ganz Europa verteilt? Da sollte doch einer übrig sein...

Ich könnte noch ewig so weitermachen  ;) aber was ich Dir damit eigentlich sagen will ist, dass diese Frage nicht zu beantworten ist. Schon der Zeitrahmen von 800 bis 1500 ist völlig unüberschaubar. Die Typenfülle an Bögen in dieser Zeit potenziert das Ganze.

Und die Sozio-kulturellen Aspekte - ein bogenjagender Adliger, der wie der Pöbel durch den Wald streift... SKANDAL! - sind noch nicht einmal berücksichtigt.

Aber er KANN schlechthin ALLES benutzen, was es gibt. Selfbows, Longbows, Reflexbogen, Compositbögen etc. etc.
Alles eine Frage des persönlichen Geschmacks. Wichtig ist für unseren jagdfreudigen Adligen nur ein angenehmes Zuggewicht bei 45 - 60 lbs, ein relativ kurzer handlicher Bogen und vielleicht ein relativ schneller Pfeil mit breiter Spitze, der auf bis zu 40 Meter möglichst gerade fliegt.
Zuletzt geändert von Squid (✝) am 30.10.2007, 23:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von hope65 » 30.10.2007, 20:34

Squid hat geschrieben:
Aber er KANN schlechthin ALLES benutzen, was es gibt. Selfbows, Longbows, Reflexbogen, Compositbögen etc. etc.
Alles eine Frage des persönlichen Geschmacks.


Nur den Compound hätte er nicht dabei gehabt, hehe! ;)

Aber auch jetzt möchte ich noch auf das Buch zurückkommen, denn dort wurde gerade jener elitäre Kreis als potentielle Besitzer von awarischen Reiterbögen genannt.

Also lieber Toaster, Du darfst Dir also einen Compositbogen basteln, wir sind schon mal jetzt auf Dein Ergebnis gespannt!

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Munkel » 30.10.2007, 20:44

Leif Eriksson (der Sohn von Erik der Rote) betrat ca. im Jahre 1001 Nordamerika (wahrscheinlich Neufundland) und gründete dort Siedlungen die weiterhin über Grönland auch mit Europa im Kontakt standen (hi hi von den Brüdern habe ich mein „Authentisches“ Robinienholz zum Bogenbau). ;)

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 31.10.2007, 20:28

OK, danke für die Infos.

Dann stelle ich mir etwa folgenden Bogen vor:

Zugkraft etwa 45 bis 50#
Auszug: 30"
Holz: Eibe (ohne Splint), Ulme oder ein anderes schönes druckfestes Holz.
Backing: Hanf zur Leistungs- und Bruchfestigkeitssteigerung
Tips: Horn oder Knochen
Holzgesamtlänge: 160 bis 170 cm
Über die gesamte Länge arbeitend oder nur ein kurzes unbewegtes Griffteil.
Über den Handrücken geschossen.
Das Holz entweder aus einem Stück in die gewünschte Form gedämpft oder zwei Lagen nach Formdämpfung miteinander zum Bogen verleimt. Ich denke letzteres gibt bessere Rückstellkräfte.
Dann das Hanfbacking drauf und nach dem Einschiessen schön mit Leinöl beglückt und abschließend mit Kolophonium durchsetztem Schellack poliert.
Für einen ersten Versuch werde ich erstmal moderne Leime verwenden. Wenn die Bogenform und die Bauart steht, ist dann Heissleim geplant.

Bogenform: Recurved mit Perryreflex, so dass der Bogen unbespannt wie ein weit gebogenes "C" aussieht. Allerdings nicht so heftig wie die östlichen Reiterbögen.

Man könnte den Bogen also als einen Versuch eines europäischen Bogners des Mittelalters interpretieren sich von einen Reiterbogen zu einer eigenen Form eines Jagdbogens inspirieren zu lassen.

Realistisch? (halbwegs) Authentisch?

Ach so:

Ich habe keinen Plan wann ich dazu kommen werde ihn zu bauen.
Wäre übrigens mein erster. Ergeizig, gell?
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Squid (✝) » 31.10.2007, 20:53

Moin

- 45-50 # : für den ersten Bogen vielleicht etwas gewagt, hast du die Stärke mal testgeschossen?

- Auszug 30" : wenn du son langes Elend bist...

- Ulme ist eher zugfest, schau mal in die Wiki, da sind Hölzer gelistet

- Länge: eher 170, das schon das Holz und der Bogen wird dauerhafter. Optimal ist 176 zumindest nach der TBB

- In Form gedämpft UND Perryreflex UND Recurve UND Hanfbacking ist die Eierlegende Wollmilchsau. Und führt zu Kaminholz.

- Arbeitende oder starre Recurves? - starre Recurves verkürzen das effektiv arbeitende Holz, arbeitende sind schwierig zu tillern. Zusammen mit nem Perry für Anfänger m. E. unmöglich.

Fazit: grad für Anfänger absolut unrealistisch und nicht authentisch. Ausserdem uneffektiv. Alle Vorteile aufzubügeln, von denen man mal gelesen hat führt nicht zu einem Wunderbogen. Dann würden se ja alle so aussehen.

Nur ein Beispiel: wenn ich 2 Hölzer im Perryreflex verleime, dann will ich eine leichte Vorspannung erreichen und Kräfte ins innere des Holzes verlagern. Also wähle ich von vornherein 2 geeignete Lagen aus. Wenn ich jetzt ein Hanfbacking aufklebe, dann mache ich den Bogen schwerer, der Vorteil des Perry (schneller durch Vorspannnung) ist damit dahin. Gleichzeitig störe ich das Gleichgewicht zwischen den beiden Hölzern, weil ich die Spannung wieder zum Rücken verlagere - zweiter Vorteil des Perry fürn Ar...
Zuletzt geändert von Squid (✝) am 31.10.2007, 20:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 31.10.2007, 21:51

>Moin

>- 45-50 # : für den ersten Bogen vielleicht etwas gewagt, hast du die Stärke mal testgeschossen?

Ja, komme ich mit klar. Mein aktueller hat 35# bei 28" und den ziehe ich mittlerweile ohne Probleme bis zum Ohr, wo er wahrscheinlich in die Gegend von 45# kommt... Da bin ich dann allerdings wohl jenseits der 30"

>- Auszug 30" : wenn du son langes Elend bist...

Bin 190 mit Affenarmen.

>- Ulme ist eher zugfest, schau mal in die Wiki, da sind Hölzer gelistet

Danke für den Tip. Wenn das Wiki mal funktionieren würde...

Ergänzung: Funktioniert!

>- Länge: eher 170, das schon das Holz und der Bogen wird dauerhafter. Optimal ist 176 zumindest nach der TBB

Mal sehen...

>- In Form gedämpft UND Perryreflex UND Recurve UND Hanfbacking ist die Eierlegende Wollmilchsau. Und führt zu Kaminholz.

Na, irgendwie werde ich das Holz doch wohl in die gewünschte Form bringen müssen, oder? Dämpfen ist da doch eine gute Methode.

>- Arbeitende oder starre Recurves? - starre Recurves verkürzen das effektiv arbeitende Holz, arbeitende sind schwierig zu tillern. Zusammen mit nem Perry für Anfänger m. E. unmöglich.

Arbeitend.
Ich werde natürlich nicht als erstes diesen Bogen bauen. Mal sehen ob es bis zu diesem Typen mehrere Vorversionen gibt.
Allerdings habe ich in Holzbearbeitung in einigen anderen Bereichen schon gute Erfahrungen gesammelt. Unter anderem im Instrumentenbau.

>Fazit: grad für Anfänger absolut unrealistisch und nicht authentisch. Ausserdem uneffektiv. Alle Vorteile aufzubügeln, von denen man mal gelesen hat führt nicht zu einem Wunderbogen. Dann würden se ja alle so aussehen.

Na dann gib mir doch mal nen Tip wie es besser und authentischer sein könnte anstatt meine Gedanken zu dem Bogen einfach nur abzubügeln.

>Nur ein Beispiel: wenn ich 2 Hölzer im Perryreflex verleime, dann will ich eine leichte Vorspannung erreichen und Kräfte ins innere des Holzes verlagern. Also wähle ich von vornherein 2 geeignete Lagen aus. Wenn ich jetzt ein Hanfbacking aufklebe, dann mache ich den Bogen schwerer, der Vorteil des Perry (schneller durch Vorspannnung) ist damit dahin. Gleichzeitig störe ich das Gleichgewicht zwischen den beiden Hölzern, weil ich die Spannung wieder zum Rücken verlagere - zweiter Vorteil des Perry fürn Ar...

Na dann wird´s halt nur eine Lage, die in Form gedämpft und dann mit Hanf gebackt wird...

Wird schon werden, gell...
Zuletzt geändert von the_Toaster (✝) am 31.10.2007, 22:17, insgesamt 1-mal geändert.
Es hat keinen Sinn zu versuchen einen Sinn im Versuchen des Menschen zu erkennen.

Es ist traurig zu glauben, dass der Mensch stets schlecht sei.

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Squid (✝) » 31.10.2007, 22:27

Die Wiki funzt, aber nicht mehr im eigenen Fenster sondern als integrierter Bestandteil.

Eigentlich bringt man das Holz mittem Hobel in Form. Was ich sagen will: wenn man Schichten verleimt, dann nimmt man keine große Rücksicht mehr auf Faserverläufe - hauptsache längs.

Die Alternative ist das, was allen Anfängern empfohlen wird: Stave besorgen, Jahresring freilegen, Form geben etc. etc.

Authentisch wird der Bogen nie, einfach weil die Vorgaben hypothetisch sind. Aber es gab in dieser enormen Zeitspanne ja diverse Typen. Ich hab nur den Eindruck, dass du den Bogen neu erfinden willst. Die Menschen in den genannten 700 Jahren werden schon gewusst haben, was sie machen... auch heute noch schiessen echte Horn/Sehne Kompositbögen besser als alles, was aus (High-Tech)-Kunststoff in dem Design gefertigt wird. Also - wenn es authentisch sein soll: such dir ein bekanntes einfaches Design aus.

Aber so führt das zu nichts. Denn auch Instumentenbauer fangen ja nicht geich mit ner Stradivari an.

Tu so wie wir alle getan haben: Fang mit einem günstigen Stave an, probier einen Selfbow ohne Tüddelkram. Wenn der funzt, probier noch einen. Aus besserem Holz. Vielleicht mit Backing oder mit Schussfenster. Dann vielleicht mal ein ELB um auch das andere Profil mal zu testen. Vielleicht probierst du dann mal nen Perry Reflex mit Hickory und Osageleisten.
Ich bin seit 3 Jahren dabei und hab in der Zeit 12 Bögen gebaut. 8 sind etwas Bogenartiges geworden. Immoment bin ich bei Nr. 13 und 14. Von den 8 sind 4 so gut geworden, dass man sie als effektiv bezeichnen kann. Die anderen sind Murks. Aber an allen habe ich etwas gelernt. Für den ersten guten Perryreflex haben ich z. B. 4 Anläufe (2 davon leben noch) gebraucht. Aber dennoch habe ich kaum die Oberfläche des ganzen Themas angekratzt.

Und dann: lesen, lesen. Theorie zum Backing z.B. : Das Backing kann die Leistung erhöhen aber es belastet den Belly. Gleichzeitig erhöht es das Gewicht der Arme und das kostet Leistung. Ich hab z. B. irgendwo gelesen, dass Sehnebackings ab 160 cm keinen Sinn mehr machen.
Zuletzt geändert von Squid (✝) am 31.10.2007, 22:30, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 01.11.2007, 00:03

>Die Wiki funzt, aber nicht mehr im eigenen Fenster sondern als integrierter Bestandteil.

Eben gemerkt. Stehen ein paar interessante Sachen drin

Laut dem ist Kirsche gut geeignet.

>Eigentlich bringt man das Holz mittem Hobel in Form. Was ich sagen will: wenn man Schichten verleimt, dann nimmt man keine große Rücksicht mehr auf Faserverläufe - hauptsache längs.

Jup

>Die Alternative ist das, was allen Anfängern empfohlen wird: Stave besorgen, Jahresring freilegen, Form geben etc. etc.

Mal sehen was ich mache...

>Authentisch wird der Bogen nie,
[...]
Also - wenn es authentisch sein soll: such dir ein bekanntes einfaches Design aus.

Ich möchte eben keinen Hornkomposit bauen. Zu aufwendig und teuer.
Am coolsten fände ich Bambus Kirsche/Hollunder, was aber in Europa zu der Zeit eher garnicht so gebaut wurde.
Also wirds wohl Eibe (teuer) oder Kirsche und Hanf werden.

>Aber so führt das zu nichts. Denn auch Instumentenbauer fangen ja nicht geich mit ner Stradivari an.

Stradis waren auch nie mein Ziel. Ich habe eher Erfahrungen mit der Reparatur und Umänderung von defekten Instrumenten.
Vor ein paar Jahren hat ein Professor ein Buch geschrieben, in dem er sich mit dem Geheimnis der Stradivaris auseinander gesetzt hat.
Der Witz der Geigen war gar nicht mal eine super tolle Bauweise. Es war der Lack.
Nach diesem Prof. hat Stradivari damals einen Bienenharz namens Propolis einer ganz bestimmten recht weichen Konsistenz verwendet. Der in der verwendeten Qualität nur in der Gegend vorkam in der Stradivari damals wohnte.
Bei eigenen Experimenten hat dieser Prof eine, wie er selbst sagte, nicht unbedingt perfekt von ihm selbst gebaute Geige, mit diesem Harz klanglich sehr weit aufmöbeln können. Was nicht bedeutet, dass sich aus jeder 0815 Geige mit diesem Propolislack eine Strad machen ließe...

>Tu so wie wir alle getan haben: Fang mit einem günstigen Stave an, probier einen Selfbow ohne Tüddelkram. Wenn der funzt, probier noch einen. Aus besserem Holz. Vielleicht mit Backing oder mit Schussfenster.
[...]

Schussfenster im Mittelalter?


>Und dann: lesen, lesen. Theorie zum Backing z.B. : Das Backing kann die Leistung erhöhen aber es belastet den Belly.

Deswegen wohl ein druckstabiles Holz. So viel habe ich bereits verstanden.
Da Eibe aber leicht splittert und weich ist fällt das für meine Versuche wohl auch erstmal weg. (Abgesehen vom Preis)
Ich denke, dass Kirsche da bessere Eigenschaften hat.
Korrigiere mich bitte wenn ich mich irre.

>Gleichzeitig erhöht es das Gewicht der Arme und das kostet Leistung.

Deshalb halt nur so viel wie grade nötig, ne.

>Ich hab z. B. irgendwo gelesen, dass Sehnebackings ab 160 cm keinen Sinn mehr machen.

Also ein Sehnenbacking wäre mir eh zu viel Wirbel.
Hanf ist für mich ganz gut zu händeln, denke ich, vor allem preiswert zu beschaffen. Denn das Zeug hat wohl jeder halbwegs sortierte Gas Wasser Schwimmbadtechnik Laden. Zur Not tuts auch ne Hose aus dem Ökoshop...
Und Kirschholz gibts beim Schreiner um die Ecke.
Zuletzt geändert von the_Toaster (✝) am 01.11.2007, 00:12, insgesamt 1-mal geändert.
Es hat keinen Sinn zu versuchen einen Sinn im Versuchen des Menschen zu erkennen.

Es ist traurig zu glauben, dass der Mensch stets schlecht sei.

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Squid (✝) » 01.11.2007, 10:25

Moin,
ich habe nicht gesagt, dass es im MA Schussfenster gab. Das war nur ein Designbeispiel...

Eibenkern braucht fast zwingend ein Backing: Hickory oder Bambus.
Zu Bambus ist hier ja schon viel geschrieben worden - es ist sehr stark und kann gefährlich fürn Belly sein.

Und das Hanfbacking bleibt blödsinnig. Es ist einfach nicht nötig bei einem schichtverleimten Bogen. Die Zuggkrafterhöhung ist gering, die Arme werden nicht schneller dadurch. Das macht nur Sinn bei einem schelchten Rücken mit schadhaften Stellen...

Wenns denn unbedingt verleimt sein soll: 3-4 mm Hickory (oder 2-3 mm Bambus) auf Kirsche, Holunder oder Eibenkern, bei einer Länge von 170 -175 mit 4 cm Perryreflex verleimt, die Wurfarme fangen mit einer Breite von 3,6-4 cm an...
Das kann klappen... entwickelt zwar etwas Set, der wird aber vom Perry aufgefangen
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