Mittelalterliche Jagdbögen

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the_Toaster (✝)
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 01.11.2007, 13:30

Standen denn im Mittelalter solche Hölzer wie Hickory und Bambus überhaupt zur Verfügung?
Ich denke eher nicht.
Hickory kommt doch aus Amerika, war damals für die Allgemeinheit noch gar nicht entdeckt.
Und Bambus kommt aus Fernasien.
Also was bleibt?
Materialien, die in Europa gängig waren.
Soweit ich weiß halt nur Hanf wenn ich kein Sehnenbacking nehmen möchte.
Nach allem was ich in den letzten Monaten hier gelesen habe denke ich, dass ein kurzer Bogen aus Kirsche/Eibe mit einem Hanfbacking als zugstabile und bruchschützende Komponente durchaus funktionell und leistungsfähig sein kann.
Ich werde einfach mal ein Probestück aus einer schlichten, mit Hanf beklebten geraden Latte bauen und mal gucken wie sich das Konstrukt im Vergleich zu einer nackten Latte verhält.
Eckpunkte werden da Kraftaufwand, Biegsamkeit, Stauchung und Bruchpunkt sein.
Die nächste Latte wird dann Recurves bekommen. USW.
Bis zum endgültigen Bogen.

Versuch macht kluch!
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Squid (✝) » 01.11.2007, 14:26

Ich habe den Eindruck, du weisst eigentlich überhaupt nicht, was du willst.

Erst erzählst du, der Bogen soll authentisch sein.

Dann passen dir die authentischen Bögen, die deinen Leistungsansprüchen enstprechen nicht, weil es zu viel Aufwand ist.

Anschliessend soll der Bogen eine hypothetische Einzelanfertigung sein und alle Vorteile der Welt in sich vereinen.

Dann wieder sollen es aber schon Hölzer sein, sie in Europa des Mittelalters verfügbar sind.

Damit wird dann jeder Vorschlag, der (nur nach meiner unmaßgeblichen Meinung) Deinen Leistungsvorgaben entgegenkommt und vielleicht für einen Anfänger auch realisierbar ist, mit dem "Authentisch-Argument" abgebügelt, dass aber oben schon von Dir als nicht machbar aufgegeben wurde.

Entschuldigung, aber das ist mir zu anstrengend.
Bau, wie du bauen möchtest, mit allen Hölzern, Details und Gimmicks die Du haben möchtest und berichte hier auf dem Forum über die Fortschritte. Ich bin der Letzte, der Dir bei dem Projekt keinen Erfolg gönnt.
Zuletzt geändert von Squid (✝) am 02.11.2007, 00:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Botjer
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Botjer » 01.11.2007, 15:14

Ohne jetzt weiter auf die Art der Diskussion eingehen zu wollen …
ein Materialtipp von mir:

the_Toaster hat geschrieben:Also was bleibt?
Materialien, die in Europa gängig waren.
Soweit ich weiß halt nur Hanf wenn ich kein Sehnenbacking nehmen möchte.
Nach allem was ich in den letzten Monaten hier gelesen habe denke ich, dass ein kurzer Bogen aus Kirsche/Eibe mit einem Hanfbacking als zugstabile und bruchschützende Komponente durchaus funktionell und leistungsfähig sein kann.


wenn es "authentischer" sein soll: Nimm Rohhaut. Die wurde und wird gerne als Bruchschutz bei Bögen mit angeschnittenen Jahrringen verwendet. Oder auch nur "so", der Sicherheit wegen.
Das ganze auf Kirsche/Ahorn/Ulme/Esche und mit einem mehr oder minder pyramidalen Design bei einer Länge von ca. 170/175cm (bei 30" Auszug) und Du bist auf der sicheren Seite.
Bei einem passenden eher kreisförmigen Tiller, damit das "mehr" an Holz in Griffnähe auch ordentlich arbeiten kann und leichten Wurfarmenden ergibt das einen schnellen und zuverlässigen Jagdbogen.
LG Niels

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 01.11.2007, 16:17

OK Leute, bevor das hier in Wutausbrüchen ausartet machen wir mal Pause und kochen uns einen Tee...
Ich entschuldige mich wenn sich jemand durch meine Hartnäckigkeit und scheinbare Uneinsichtigkeit auf dem Schlips getreten gefühlt haben sollte. (wasn Satz)

Ich werde mir die Tipps und Hinweise in aller Ruhe zur Gemüte führen und nochmal in mich gehen.
Mittlerweile habe ich das Wiki auch ordentlich durchgeackert. Ich weiss nicht warum aber ich kanns erst seit gestern richtig nutzen, da sind mir natürlich ein paar Informationen entgangen.
Vor allem die ausfühliche Beschreibung zum Bogenbau ist da sehr hilfreich.

Eine Eierlegende Wollmilchsau wollte ich nie bauen auch wenn es so aussehen mag.
Eher einen zu der Zeit möglichen (Jagd)-Bogen.
Was zum Beispiel bedeutet sich auf europäische Hölzer und Bauformen zu beschränken auch wenn dann eben kein optimaler Bogen dabei heraus kommt.
ALlerdings gehe ich bei meiner Spekulation mal ganz dreist davon aus, dass sich der Bogenbauer von Bögen diverser Völker hat insirieren lassen.

Da ich von Statur eher großgewachsen und füllig bin, ist es wenig authentisch, wenn ich mir etwa einen Wilderer als Figur vornehme. Diese armen Leute vielen auf Grund von Nahrungsmangel eher unter die Rubrik hager und drahtig.
Also bleibt da nur ein wohlgenährter Adliger. Und der wird keinen einfachen Stecken benutzt haben.
Ein Elb ist ein wunderschöner und spektakulärer Bogen, aber ein Kriegsgerät. Und die mag ich nicht.
Also wirds eher ein Jagdbogen... Auch wenn das sehr spekulativ ist, gell...
Aber so weit ich weiss ist sehr vieles was wir über das Mittelalter wissen eher spekulativ.
Trotzdem möchte ich versuchen die Spekulationen auf eine möglichst solide Grundlage zu stellen.
Daher bin ich für Eure Hineise dankbar, auch wenn es nicht immer so aussah.
Was für ein Bogen am Ende herauskommt ist daher auch noch recht spekulativ, allerdings eher aus aktuelleren Gründen... ;-)
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Mandos » 01.11.2007, 16:55

Und der wird keinen einfachen Stecken benutzt haben.


Das kannst du nicht so sicher sagen.
Bisher ist, glaube ich, noch kein Recurve aus dem Mittelalter in unseren Breiten gefunden worden.
Und die existierenden Bilder verfälschen oft die Realität und sind so keine zuverlässigen Quellen.

Ob sich die Völker bogentechnisch ausgetauscht haben, wissen wir auch nicht.
Keiner weiß, ob hier in unseren Gefilden ein Kerl mit nem Reiterbogen rumlief...

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Ravenheart » 01.11.2007, 17:21

@ The_Toaster: Mir is ja immer noch nicht ganz klar geworden, worum es Dir im Grunde geht....

Es scheint so ein wenig zwischen "Darstellung einer bestimmten Figur", "Herstellung eines besonders guten Bogens" und "Anleitung für einen bestimmten Bogentyp" hin und her zu springen!

Vielleicht magst Du das erst noch mal schwerpunktmäßig eingrenzen?

Rabe

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 01.11.2007, 21:33

Grundgedanke Nr 1 ist, dass ich gerne Bogen schiesse.
Das entspannt und macht Spass. Vor allem wenn ich es mit mehreren zusammen mache.
Grundgedanke 2 ist, dass der Bogen ein vom Menschen ziemlich lange benutztes Gerät zur Jagd und Krieg ist.
3. Gefällt mir seit langem irgendwie der Gedanke in eine bestimmte Figur aus der Zeit einzutauchen in der der Bogen noch wirklich wichtig war. Da mir Krieg nicht wirklich gefällt bleibt als Nutzung die Bogenjagd.
4. Da ich, wie bereits beschrieben gross und füllig und fast 40 Jahre alt bin, sind demnach nur bestimmte Figuren aus der Vergangenheit für mich glaubwürdig darstellbar.
5. Möchte ich gerne die Figur mit dem Bogenchiessen verbinden.

Diese hypothetische Figur kann nach meinen Kenntnissen über die Vergangenheit, nur ein Adeliger gewesen sein, der über die Recourcen verfügte sich eben jenen dicken Bauch anzuschaffen, den ich vor mir her trage... ;-)
Also gehe ich dann ganz einfach mal, braun wie ich bin, davon aus, dass dieser Typ einen Bogen benutzt hat, der seinen gehobenen Ansprüchen genügte.
Es wird demnach kein 08/15 Standardbogen gewesen sein.
Vielleicht hat er in seinen jungen Jahren an einigen Kriegen teilgenommen und dabei die bogenbewaffneten Reitertruppen aus dem östlichen Europa erlebt.
Als er nun älter und gesetzter wurde hat er sich an diese Zeiten und die Bögen erinnert. Vielleicht hat er aus dieser Zeit einen dieser Bögen mit nach Hause genommen, aber leider hat dieser Bogen die Feuchtigkeit in seiner Burg nicht überlebt.
Also wies er seinen Bogner an ihm einen vergleichbaren aber haltbareren Bogen zu bauen.

Das ist mein Grundszenario für dem angepeilten Bogen.

Der arme Bogner wird seinem Herren zwar gesagt haben, dass er ihm einen Bogen dieser Bauart nur sehr schwer oder sogar garnicht würde bauen können. Aber nachdem im sein Herr angesichts dieser Aussage nur böse anguckte, ihm aber einen großen Beutel Münzen als Anreiz hinwarf verließ der Bogner mit dem kaputten Beutebogen in der Hand seinen Herrn und machte sich ans Werk.
Zum Glück war des Bogners Herr ein geduldiger Mensch, so dass der Bogner, dank seiner Erfahrung, nach zwei oder drei Jahren experimentierens und bauens einen Bogen schuf, der den Ansprüchen seines Herrn endlich genügte.
So entstand ein Bogen der für die damalige Zeit vielleicht unüblich aber durchaus möglich war.

Relativ kurz im Vergleich zu einem Kriegsbogen und leicht aber kraftvoll. Mit arbeitenden leicht gebogenen Recurves. Geleimt aus zwei Schichten Holz und mit Rohhaut belegt um den Bogen vor Bruch zu bewahren und die Leistung nochmal zu erhöhen. Ihr seht vom Hanf bin ich abgekommen. War von dem Zeug wohl leicht benebelt... ;-)
Also bei weitem nicht so extrem gebaut und leistungsfähig wie die Reiterbögen. Aber eben der beste Kompromiss, der mit den damaligen Mitteln und Hölzern durchaus möglich war.

Ob und wie ich dahin komme wird die Zeit lehren.
Aber auch ich bin ein geduldiger Mensch...
Zuletzt geändert von the_Toaster (✝) am 01.11.2007, 21:42, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Squid (✝) » 01.11.2007, 23:35

::) ::) ::) Du und Dein Backing...
Rohhaut ist schwer und auf einem Bogen aus mehreren Holzlagen erst mal völlig UNNÖTIG. Ehrlich! Und sie MACHT NICHT schneller. Ehrlich!. Sondern schwerer. Wirklich!. Und damit bekommt der Pfeil weniger Energie. Erst wenn es Risse am Rücken geben sollte, wäre das von Sinn und Nöten. Nur auf Selfbows (aus einem Stück) mit schadhaftem Rücken oder dünnen Jahresringen macht das Sinn.

Das einzige weiche Backing, das wirklich Leistung bringt, ist Sehne, weil diese beim Trocknen nach dem Verleimen schrumpft und den Bogen reflex zieht. Aber das geht auf Kosten des Bellys und kann zu Stauchrissen führen.
Alle anderen weichen Backings bringen hauptsächlich Bruchschutz und können bei richtiger Verarbeitung gerade so viel Leistung hinzu bringen, dass sich ihr Gewichtsnachteil ausgleicht. 

Dein Kompromiss könnte aus heutiger Sicht - wenn es denn unbedingt was "hölzern authentisches" mit (pseudo-)Recurves sein sollte -  ein mit 10 cm nichtproportionalem Perryreflex verleimter, 175 cm langer, etwa 3,5 cm breiter Bogen aus Eibenkern oder Kirsche als Belly und Eibensplint, Robinie oder Ulme als Backing sein.

Mit "nichtproportionalem Perry" meine ich, dass sich die Arme nicht gleichmäßig reflex biegen sondern in Griffnähe wenig und an den Tips um so mehr. Dies erreicht man, indem mán die beiden Hölzer zum Ende hin dünner schleift (tapert) bevor man sie verleimt und die Form für den Bogen bzw. die Position der Schraubzwingen und Unterleg-klötzchen entsprechend wählt. Damit erscheinen die Wurfarmenden dann als arbeitende Recurves. Aber son Ding ist schwer zu tillern. Aber wenn der sauber getillert ist und 45+ lbs hat, dann ist das ein sehr schneller (Jagd-)Bogen.

Nach der TBB ist der Perryreflex ein - wenn nicht DAS Design - mit dem man am meisten Leistung aus Holzbögen herausholen kann.

Ich sitze gerade an einem entsprechendem Experiment: Bambus auf in der Mitte verspleisstem Osage. Das Ganze soll mit leichtem Deflex (etwa 1 cm) im ersten Drittel der Arme und zunehmendem Perry (max. 5 cm) auf den folgenden 2/3 der Arme verleimt werden... bei einer Länge von nur 156 cm ist das recht gewagt bei meinem geringen Erfahrungsschatz... aber wir werden sehen...

Noch ein paar Gedanken zu der Leim-Problematik: genau so wie bei den asiatischen Reitervölkern wurde auch hier im MA mit Haut- oder Knochenleim gearbeitet. Und genau wie die Steppenreitervölker Probleme mit Feuchtigkeit hatten, ist das auch beim hiesigen Knochenleim der Fall. Dein Bogenbauer müsste also - wenn der Bogen auch im Herbst oder bei Regen brauchbar bleiben sollte - zunächst mal wasserfesten Leim erfinden.
Mehrlagige Holzbögen sind eigentlich ein Kind des Industriezeitalters, denn erst die wissenschaftliche Chemie hat die erforderlichen Klebstoffe hervorgebracht.
Zuletzt geändert von Squid (✝) am 02.11.2007, 00:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Taklamakan » 02.11.2007, 07:59

Also wenn man die Geschichte authentisch machen will ...
Ich meine in Anbetracht der Tatsache, dass du der Adlige bist und nicht der Bogner.
Wäre mein Vorschlag:

Nimm ein Säckel mit klingenden Münzen (vielleicht ein größeres) wirf es einem Bogner hin und lass dir einen Magyaren-Bogen geben.
Am besten einen mit passendem Namen - Nimrod z.B. - der wird doch überall als Jagdbogen der Adligen beschrieben...selbst wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, fällt das dann keinem auf!

Mit dieser Lösung wären zwei Probleme beseitigt:
1. der authentische Bogen
2. der authentische Weg der Beschaffung

Denk dran du bist der Adlige und nicht der masochistische Bogenbauer der bei Versagen vielleicht den Kopf verliert.
-----------------------------------------------------------------------------------------------

Im Ernst, ich kann deine Beweggründe verstehen, mußte aber selbst feststellen, dass manches nur schwer am Anfang zu realisieren ist.



LG

post scriptum: Ähm, gab es schon Tee  in der Zeit in Europa?

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Boettger » 02.11.2007, 08:42

Halbwegs authentische Jagd-Bogenformen - weil bereits für frühere Zeiten schon nachgewiesen - sind meines Wissens nur Bogen der Typen Meare Heath, Holmegaard und Bodman. Alle diese Formen waren gerade und vermutlich ohne Recurves. Leichte Recurves scheint es nur beim Langbogen gegeben zu haben.

Diese Bogen aus Eibe gebaut (mit oder auch ohne Splintholzrücken, vorzugsweise ohne Backing) sind, wenn sie gut gelungen sind, sicher eines jeden Adligen würdig.  :D
Der Knaller wäre natürlich eines der schwer zu beschaffenden guten Bogenhölzer wie z.B. Zwetschge. War im Mittelalter, so es überhaupt verwendet wurde bestimmt purer Luxus.

Schichtverleimt, da hat Squid sicher recht, passt zum Mittelalter gar nicht. Auch die Bogenform eines perry-reflex Bogens passt nicht wirklich.

mfG

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 02.11.2007, 08:53

@ Squid

Jaaaa... Ich und mein Backing...

Ich bin mir durchaus bewußt, dass das Backing den Bogen nicht wirklich leistungsfähiger macht. Da wurde ich ja vor allem von Dir oft genug drauf hingewiesen.
Mir gehts auch eher um die Sicherheit des Bogens, meine Sicherheit beim Umgang mit dem Teil. Ich habe nunmal meinen Auszug von 30" im Kopf wenn ich an einen kürzeren Bogen denke, als den mit dem ich aktuell schiesse. (Langbogen von Kovacs)
Zum Leim:
Meine Erfahrungen mit modernen nicht wasserfesten Leimen sind die, dass wenn ein Bauteil aus vielen Teilen besteht, was für einen Reiterbogen ja zustimmt, es gegenüber Feuchtigkeit ein gutes Stück empfindlicher ist als ein Bauteil welches aus nur zwei oder drei Teilen besteht, was für meinen hypotetischen als auch deinen Bambusbogen zustimmt.
Eine wasserlösliche Verleimung lässt sich, wenn das Bauteil nur aus wenigen Teilen besteht, allerdings mit Öl und Lack recht gut gegen Feuchtigkeit schützen.
Leinöl oder Leinölfirnis benutzt Du wohl selbst als Imprägnierung, dazu brauche ich Dir wohl nichts mehr sagen.
Leistungsfähige Lacke waren damals allerdings auch seit langem bekannt.  Schellack wurde z.B. oft und gerne vor allem im Instrumentenbau, für kleine und feine Holzprodukte und als Siegellack verwendet.
Wird dem Schellack Kolophonium zugemischt, bleit Schellack sogar recht geschmeidig und wird durch das arbeitende Holz des Bogens auch nicht brüchig.
Alle diese Produkte sind natürlich nicht zu 100% Wasserfest, machen den Bogen aber im Ganzen wesentlich haltbarer.
Welche Imprägnierung jetzt für eine noch zu wählende Epoche authentisch ist, muss ich noch sehen. Immerhin war Schellack durch den Import aus Fernasien schweineteuer. Eine kleine Portion von 100 Gramm reicht aber auch sehr weit.

@ Rest:

Hmmm, ja watt denn nu... ???

Keine Ahnung obs damals schon Tee in Europa gab. War ja auch eher ein Versuch etwas mehr Ruhe in die jetztige Diskussion zu bringen, gell. Und heute gibts Tee in jedem Supermarkt. Nicht inbedingt aus Hanf, aber wer trinkt schon sowas... ;-)
Ich stehe ja auch am Anfang meiner Idee.
Ich werde also noch einiges recherchieren und ausprobieren, bis ich zum Punkt komme.
Am Ende kann dann auch was völlig anderes heraus kommen. Ist bei mir schon immer so gewesen. Am Ende muß ich mich aber mit dem Ergebnis wohl fühlen können, gell.
Und wenn mir dann einer sagt, dass das Endprodukt nicht authentisch ist, dann werde ich ihm einfach entgegen halten, dass auf Grund der doch sehr dürftigen Aktenlage aus der Vergangenheit eben vieles spekulativ und waage bleibt.

Meine Mutter ist zwar von Adel, allerdings habe ich leider trotzdem keine entsprechend großen Geldbeutel mit denen ich um mich werfen kann. Also werde ich an dem Punkt ein wenig von der Authentizität abweichen müssen und den Bogen, das Zubehör und die Gewandung, so weit es geht selbst anfertigen müssen. Macht mir auch mehr Spass als es anfertigen zu lassen oder von der Stange zu kaufen.

Da wir grade bei Recherche sind:

Ich habe mittlerweile herausgefunden, dass es durchaus wasserfeste Leime gab. Kaseinleime, die mit gebranntem Kalk (also Gips) versetzt waren, sollen recht leistungsfähig und auch für den Bogenbau, wenn auch sehr selten, verwendet worden sein.
Was ist von dieser Info zu halten?
Zuletzt geändert von the_Toaster (✝) am 02.11.2007, 09:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Squid (✝) » 02.11.2007, 11:10

Das mit dem Backing zum Schutz ist recht umsichtig, aber ich glaube, du überschätzt die Tendenz von Holzbögen mit lautem Knall und unter Splitterwirkung zu explodieren. Das kann bei Selfbows vorkommen, es gibt dazu einen Thread mit schönen Bildern von vielen 15 cm langen Eibenstückchen  :o

Wenn du aber 2 Holzlagen verleimst, dann ist da schon Bruchschutz enthalten, denn es wird zunächst nur eine Lage brechen oder reissen. Das bekommt man aber frühzeitig mit  ;)

Bei Deinen persönlichen Dimensionen mit 30er Auszug wirkt auch ein 175 cm Bogen eher filigran  ;)  der Bogen muss nicht viel kürzer sein...

Zum Kaseinleim hab ich mal in die TBB geguckt: dort wird Hüttenkäse (abgespült und leicht getrocknet) mit 5 vol% Kalk als beste Kombination empfohlen.

Die Bruch- bzw. Leistungstests haben allerding ergeben, dass der Leim nicht so stark ist, wie tierische Leime. Er rangiert in der Tabelle deutlich unter Weissleim, Rexorcin, Epoxy, Cyanacrylat und allen tierischen Leimen.
M. E. bedeutet das, dass dieser Klabstoff für eine dauerbelastete Fuge (beim Perryreflex) zu schwach ist. Für eine spannungsfreie Verklebung mag das Zeugs gehen, aber ob er wirklich einen Bogen zusammenhält ist fraglich.

Die alten Ägypter haben damit Möbel verklebt, ihre Bögen haben sie lieber mit Fischleim verkleistert...
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 02.11.2007, 13:58

Im Moment bin ich recherchetechnisch ziemlich fleissig

Zum Kaseinleim:

Das Zeug soll bis zum ersten Weltkrieg auch als Propellerleim verwendet worden sein. Da muss er schon was aushalten.
Danach kamen wohl die ersten Kunstharzleime auf.

Jagdbögen:

Ich war heute mal im Buchladen. Da fand ich ein Buch von einem Herrn Clemes Richter "Bogenbauen" in dem er den Bau eines "höfischen Jagdbogens" beschreibt.
Dieser Bogen besteht aus mehreren Holzschichten, die in gebogenem Zustand verleimt wurden. Allerdings ohne weiches Backing. Ich werde es daher wohl weglassen.
Er schrieb dazu, dass diese Bögen zwar bei weitem nicht so oft vorkamen wie die Kriegsbögen, aber bei gesellschaftlichen Ereignissen durchaus üblich waren. In wie weit das jetzt stimmt sei mal dahingestellt, die Info stellt daher eher einen Anhaltspunkt zu weiteren Nachforschungen dar.

Tee:

Das was wir als Tee bezeichnen stammt aus Indien und wird wohl auch nach Europa exportiert worden sein, aber schweineteuer gewesen sein.
Aber Kräutertees (inklusive Hanf) jeder Coleur und Wirkung gabs schon.
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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von Brucky » 03.11.2007, 23:06

Squid hat geschrieben:Das mit dem Backing zum Schutz ist recht umsichtig, aber ich glaube, du überschätzt die Tendenz von Holzbögen mit lautem Knall und unter Splitterwirkung zu explodieren. Das kann bei Selfbows vorkommen, es gibt dazu einen Thread mit schönen Bildern von vielen 15 cm langen Eibenstückchen  :o

Wenn du aber 2 Holzlagen verleimst, dann ist da schon Bruchschutz enthalten, denn es wird zunächst nur eine Lage brechen oder reissen. Das bekommt man aber frühzeitig mit  ;)




das behauptest Du nicht mehr wenn Dir die ersten Bögen OHNE vorankündigung um die Ohren fliegen ;)
Das kann übrigens auch bei Bambusbacking passieren


Ich habe die umschreibung "Explodieren" auch immer für stark übertrieben gehalten - bis ich die ersten male doch recht lautstark Klein- und Kleinstholz fabriziert habe


@ Toaster: lass von gebranntem Kalk (Weißfeinkalk oder auch Brandkalk genannt) die Finger, das Zeug fängt das kochen an, wenn es mit Wasser in verbindung gebracht wird
was Du warscheinlich meins) ist Kalkhydrat
zu Gips entsteht erst wenn abgebundener Kalk mit Säure in berührung kommt (Industriegips in Rauchgasentschwefelungsanlagen oder durch verwitterung wie beipielsweise bei der Akropolis)
Das ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile

Aristoteles


Keine Ahnung..... aber davon jede Menge

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Re: Mittelalterliche Jagdbögen

Beitrag von aurora » 19.01.2008, 23:19

Boettger hat geschrieben:Halbwegs authentische Jagd-Bogenformen - weil bereits für frühere Zeiten schon nachgewiesen - sind meines Wissens nur Bogen der Typen Meare Heath, Holmegaard ...


Ich mache gerade einen Kurs mit und da baue ich einen Holmegaard-Bogen. Anscheinend ist der ja vor 8000 v.Chr. belegt, gab es solche Formen auch später? Da es ohnehin mein erster Bogen wird ist es jetzt nicht so wichtig, einer der nächsten Bögen soll dann aber auch etwas mittelalterliches werden, vermutlich ein ELB fürs Turnierschiessen.

Anscheinend gab es ja in England zur Hoch-Zeit des Langbogens auch regelmäßig Turniere um die einfachen Bogenschützen aus dem Volk anzuspornen fleissig zu üben. Laut meinem Bogenbauer war es dabei dann auch eine zeitlang üblich geringere Zuggewichte zu verwenden um besser zu treffen, bevor dafür neue Regelungen getroffen wurden.

Das mit dem Adel ist so eine Sache - ich denke mal daß auch Bürger, Grundbesitzer und reiche Bauern etwas fülliger sein konnten - oder Bedienstete (ich denke da mal an einen fülligen Küchenmeister). Statt Jagdbogen kann man aber auch an Turnierbogen, also quasi mittelalterliches Sportbogenschiessen denken. Das mag in höfischen Kreisen ein Hobby, in England teilweise auch "Volkssport" gewesen sein?

Das mit dem verleimen halte ich eher für unwahrscheinlich, oder gibt es da tatsächlich eine Quelle dafür? Immerhin sind mittelalterliche Verleimungen nicht wirklich wasserfest und das Holz muss dafür ja auch wirklich perfekt glatt sein, damit die Verleimung gelingt. Das ist mit mittelalterlichen Mitteln nochmal bedeutend aufwändiger als es heute mit E-Hobel und Bandsäge ist. Laut dem Bogenbaukursleiter schliefen die Reitervölker mit ihren Bögen, auf daß sie ja nicht feucht wurden. Für einen reinen Turnierbogen hingegen könnte ich mir sowas evtl vorstellen. Es gab meines Wissens nach auch speziell verzierte Pfeile die einfach nur dazu dienten, bei solchen Turnieren Prestige zu zeigen.

LG
A.

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