Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Fragen zu Ausrüstungsgegenständen wie Armschutz, Köcher, etc. Keine Fragen zum Armschutzbau, etc.
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Spanmacher
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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von Spanmacher » 08.11.2017, 13:04

Für den Hundertjährigen Krieg wurden wahrscheinlich auch keine individuellen Pfeile angefertigt, oder?
Ein zu hohes Zuggewicht ist nichts anderes als Körperverletzung und verhindert darüber hinaus einen brauchbaren Trainingseffekt.

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Firestormmd
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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von Firestormmd » 08.11.2017, 13:04

fatz hat geschrieben:...Rueckenkoechers...


Das findet erst recht keine Sau. ;D

Grüße, Marc
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TorstenT
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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von TorstenT » 08.11.2017, 13:52

:D :D

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locksley
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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von locksley » 08.11.2017, 14:30

Man sollte da immer unterscheiden zwischen der Ausrüstung der Bogenschützen im 100-jährigen Krieg und überhaupt den militärischen Bogenschützen im Dienst der Krone. deren Ausrüstung ist gut dokumentiert, hier spielt der Rückenköcher keine Rolle. Die Pfeile dieser Zeit wurden standartisiert in großen Mengen hegestellt und in Magazinen gelagert.

Unklar und unbestimmt ist mit welcher Art der Ausrüstung, der "einfache Mann" besessen und genutzt hat, der den Bogen hatte, weil er ihn per Gesetz haben musste, die Ausrüstung aber nicht von der Krone gestellt bekam. Hier kann es alle Arten von Bögen, Köchern und Pfeilen gegeben haben, es gibt nur keinerlei Belege darüber. Das einzige was man weiß, ist dass diese Bögen ab der normannischen Eroberung in England nicht zur Jagd genutzt wurden, da Wilhelm auch im bis dahin eher freien England, das Lehnswesen und Stände eingeführt hat. Dazu gehört auch, die Verordnung, dass die Wälder und das Wild der Krone gehören und Wilderei mit dem Tode bestraft wird.

Für Kontinentaleuropa gibt es abseits des frühen Mittellalters, sei es bei den karolingischen Panzerreitern oder den "Wikingern" so gut wie keine Belege über den Alltagsgebrauch von Pfeil und Bogen. Deswegen kann man hier eben nur Vermutungen anstellen.
Es gibt wohl regionale Überlieferungen wie die "Flitzebagen" von Wilfried aber im großen und Ganzen war der Bogen den Chronisten keine Silbe wert.

Auf der nach oben offenen Spekulationsskala, gibt es hier also viel Spielraum.
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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von killerkarpfen » 08.11.2017, 14:41

Spanmacher hat geschrieben:Für den Hundertjährigen Krieg wurden wahrscheinlich auch keine individuellen Pfeile angefertigt, oder?


Doch doch und nicht wenige. Soviel ich weiss gab es aber nur Gewichtsklassen wie one Pence und two Pence Pfeile. Wobei die Bezeichnung sich nicht auf den Preis bezieht sondern auf das Münzengewicht. Der Spine als solcher war damals wie wir ihn heute kennen nicht bekannt

"Im Hundertjährigen Krieg wurden Vorräte aus ganz England im Tower gesammelt und von dort an die kämpfenden Truppen verteilt. Der überragende Erfolg der englischen Langbogenschützen in den Schlachten des Krieges lag unter anderem an den Vorräten an Pfeilen und Bogensehnen, die im Tower gelagert wurden und über die Themse schnell verfügbar waren."
Quelle Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Tower_of_London#Arsenal.2C_Waffenlager_und_Waffenwerkstatt_.281078_bis_2000.29

Und hier ein Hinweis aus dem Bogenbauerbuch. Der Schluss von Seite 141
https://books.google.ch/books?id=U9wABg8-nI8C&pg=PA141&lpg=PA141&dq=ordonnanzreport+tower+of+london&source=bl&ots=0TKg3yMaB5&sig=ndM4ZvJsXwN1eP9k3YmD3za8S0E&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwivhMXGi6_XAhUJBBoKHTcaDdEQ6AEIPTAF
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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von BBouvier » 08.11.2017, 15:15

Spanmacher hat geschrieben:Für den Hundertjährigen Krieg wurden wahrscheinlich auch keine individuellen Pfeile angefertigt, oder?


Hallo, Spanmacher!
Der britische Militärhistoriker Keegan (Sandhurst) erwähnt in seinem Fachbuch "Die Schlacht",
daß die britischen Bogenschützen bei Azincourt (1415) erst ihre "privaten"
- auf ihre eigenen Bögen abgestimmten Pfeile - verwendet und verschossen haben
und anschließend dann die nachgeschobenen Dienstpfeile.

In der "Schlacht bei Carrhae" (53 v. Chr.) - die Römer unter Publius Crassus
gegen die Parther unter Surenas - erwies sich die Hoffnung der Römer, daß die Gegner
bald ihren Pfeilevorrat verschossen hätten, als haltlos, denn die Parther
führten mit einem Korps von 1000 Kamelen ständig neue Pfeile zu.
Erst als die Nacht hereinbrach, ließen die Parther von ihrem Gegner ab.
Crassus verlor an diesem Tage 10.000 Mann, ließ 4.000 Verwundete zurück,
er verlor die Schlacht und dann auch sein Leben.

Grüße,
BB

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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von Spanmacher » 08.11.2017, 15:25

Danke für die interessanten Informationen.
Ein zu hohes Zuggewicht ist nichts anderes als Körperverletzung und verhindert darüber hinaus einen brauchbaren Trainingseffekt.

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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von fatz » 08.11.2017, 16:05

Wenn ich das richtig im Kopf hab, musste doch jeder Archer ein sheaf (24) Pfeile selber mitbringen. Koennte mir allerdings vorstellen, dass die auf einem Feldzug schnell weg waren.
Haben ist besser als brauchen.

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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von Spanmacher » 08.11.2017, 17:53

Ich habe mal irgendwo gelesen, dass der Pfeilnachschub im Kampf mit Wagen herangekarrt wurde und dass Jungs die Pfeile vor den Bogenschützen in den Boden gesteckt haben.
Das Bild hatte ich im Kopf.
Ein zu hohes Zuggewicht ist nichts anderes als Körperverletzung und verhindert darüber hinaus einen brauchbaren Trainingseffekt.

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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von killerkarpfen » 08.11.2017, 19:40

Na es wird kaum so gewesen sein, dass die Bogenschützen ihre Pfeile nach Wunsch bestellen konnten, so wie wir die heute im Shop unseres Vertrauens einkaufen und die dann auch entsprechend aufs Feld geliefert wurden. ;D

Dennoch nehme ich an, dass verschiedene Pfeile und Spitzen verfügbar waren. Weiter nehme ich auch an, dass je nach Umgebung der Nachschub bereits vor der Schlacht bereitgestellt wurde und es halt das gab was der Chef für richtig hielt.
Also werden die auch mit den verfügbaren Standartpfeilen geübt haben.
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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von Heidjer » 08.11.2017, 20:09

Ein offener Köcher dient einzig und allein der Aufbewahrung von Bereitschaftsmunition bis zu deren beabsichtigten Einsatz, vorwiegend beim Training, der Jagd und wohl auch im Krieg, da aber eher auf Patrouille oder bei der Wache. In einer Schlacht oder in einen Gefecht, stört so ein Ausrüstungsteil mit seiner begrenzten Kapazität wohl die Bewegungsfreiheit mehr, als das er nutzen bringt, bei 10 bis 12 Schuss in der Minute müsste er auch alle 1-2 Minuten wieder aufgefüllt werden, ich denke, da machen Körbe und Kisten mit Pfeilen mehr Sinn.

Wo macht jetzt ein Rückenköcher Sinn? Für mich auf dem Parcours und bei 3D-Turnieren, da wo ich mich im (schwierigen) Gelände bewegen muß und ich immer nur wenige Pfeile pro Station brauche und ich nicht auf den Seitenköcher aufpassen will. Da wo ich deutlich mehr Zeit mit anderen Tätigkeiten (laufen, suchen, klettern, schreiben) als dem Schiessen verbringe. Für die Zeit unserer früheren Vorfahren gilt gleiches wohl nur für die Jagd und für Spähtrupps und das waren nur wenige (privilegierte) Personenkreise.
Sinn macht ein Rückenköcher wohl auch, wenn man auf einen Pferd sitzt und man keinen Sattelköcher oder ähnliches verwendet und ein Seitenköcher dem Pferd dauernd in die Flanke schlägt, ansonsten ist ein Seitenköcher beim Bogenschiessen vielfach die bessere Wahl.

Ich denke die verschiedenen Möglichkeiten Pfeile mit sich zu führen, waren unseren Ahnen auch bekannt, ebenso wie die verschiedenen Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Varianten. Vielleicht waren die (Röhren-) Köcher auf dem Teppich von Bayeux ja tatsächlich unterschiedlich verwendbar, wem ein Seitenköcher beim laufen störte, der hing ihn sich über den Rücken?

Ich denke zu allen Zeiten gilt und galt: Form follows function, was funktioniert setzt sich durch, was stört wird geändert bis es funktioniert, auch bei Köchern und wer sich durch Wälder und Dickungen bewegt, dem reicht es sich um den Bogen kümmern zu müssen, der braucht nicht noch einen sperrigen Seitenköcher, so wie Robin Hood. ;)


Gruß Dirk
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.

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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von fatz » 08.11.2017, 21:14

Dirk, eins hast du noch uebersehen: Wenn du einen Rueckenkoecher auf der Jagd benutzt, winkst du beim Pfeil rausziehen ziemlich auffaellig deinem Essen, was es vermutlich meist damit beantwortet, dass es sich verdrueckt und dein Magen leer bleibt. OK, dagegen hilft dann Pfeil in der Hand halten....
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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von locksley » 08.11.2017, 21:41

Es ist doch wie Dirk sagte so, dass ich auch wenn ich auf dem Parcour unterwegs bin, den Pfeil der sich als der beste erwiesen hat mit in der Bogenhand ist, der Rückenköcher ist nur Lagerort für Ersatzmunition und behindert zumindest mich am wenigsten.
Seitenköcher mag ich gar nicht und verwandle meinen Rückenköcher nur im strömenden Regen in einen Seitenköcher, um die Pfeile unter dem Mantel trocken zu halten.

Gleiches würde für Jagd oder Spähtrupp gelten, wenn ich immer mindestens einen Pfeil in Bereitschaft halten muss. Bis zu drei Pfeilen sind ja nicht störend in der Hand.

Auch die Leinentransportsäcke der Engländer waren ja multifunktional.

Wenn der Köcher mal leer ist und kein Nachschub in Sicht, dann sollte ja auch der Zugang zur Beiwaffe frei sein, da ist der Seitenköcher auch eher hinderlich.
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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von Heidjer » 08.11.2017, 21:59

Wenn man sich erst auf Schussdistanz bereit für einen Schuss macht, dann verjagd man fast jedes Wild, egal aus welchen Köcher man den Pfeil ziehen muss.
Zudem behaupte ich mal, das ich meinen 31" Pfeil aus meinen Rückenköcher genauso unauffällig bekomme wie Du einen Pfeil aus einen fast senkrecht hängenden Seitenköcher, der Weg und die Drehbewegung des Pfeiles sind bei beiden Köchern recht ähnlich, da ist nur ein Side-Stalker-Köcher im Vorteil, bei dem die Spitzen nach vorne zeigen.


Gruß Dirk
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.

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Re: Der Rückenköcher, ein Hollywood-Mythos?

Beitrag von Peter O. Stecher » 11.12.2017, 13:21

@Rabe: Gerade gefunden, selbst im hochwissenschaftlichen "Traditionell Bogenschießen"-Magazin wird die "Rückenköcher gabs nie"-Legende verbreitet: http://www.bogenschiessen.info/single-post/2015/10/27/Pfeiltransport-im-Mittelalter-816-Jh 8)
https://classic-archer.com/

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