Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

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benzi
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

fatz hat geschrieben: 05.10.2024, 22:41 WTF???? Du rauchst zu viel von dem Zeugs
Das haben sie in der arte Doku auch Hildegard von Bingen unterstellt... 😊 Ich befinde mich in sehr guter Gesellschaft... 😊
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benzi
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Spannend finde ich in dem Zusammenhang einige Passagen im Artikel von Fritz Eicher im Reflexbogen Buch... Für mich die beste Übersicht über Bogenschießen in Japan in deutscher Sprache verfasst.. 🥰

Der Begriff Kyujutsu heißt übersetzt Kunst des Bogenschießens und der Begriff hat sich zu Kyudo gewandelt...

Und Eicher unterscheidet explizit zwischen rituellem und religiösem Schiessen... was bei uns oft gleichgesetzt wird..

Quelle : Eicher 2009, Seite 190
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Yabusame
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von Yabusame »

Der Begriff Kyujutsu heißt übersetzt Kunst des Bogenschießens und der Begriff hat sich zu Kyudo gewandelt...
Kyujutsu bezieht sich rein auf den technischen Ablauf, der dafür sorgt, dass der Pfeil mit einem Yumi mit großer Präzession und Durchschlagskraft abgeschossen wird.

Unter Kyudo wird Kyujutsu + Rei ho verstanden.

Rei ho kann man mit japanischen Verhaltensregeln/Etikette übersetzen.

Sowohl Kyujutsu als auch Rei ho sind ethnischer Natur, es gibt sie nirgendwo anders.
Speziell die japanische Etikette, diese geformte Sitte, sich untereinander in spezieller Weise zu verhalten, scheint auf Westeuropäer der schlichteren Art eine Faszination auszuüben.

Wer die japanischen Verhaltensregeln verstehen will, dem kann ich nur das Buch „Spiegel, Schwert und Edelsteine“ empfehlen. Der Autor gilt als der, der wohl am tiefsten in die japanische Seele eingedrungen ist.

Eine Kostprobe aus dem Buch:
Sich selbst überlassen, fürchtet der Japaner, von seinen Gefühlen übermannt oder zu Beleidigungen und Gewalttaten hingerissen zu werden. Daraus erklärt sich seine instinktive Bereitschaft zur Bindung an die zeremonielle Form, die das ständige tiefbedrohte Miteinander in ein Kunstwerk verwandelt. / Nur der Japaner weiß, welch ein Abgrund sich hinter jenen Träumen von glockenbehangenen Pagoden stillen Friedens verbirgt.
Was ich damit aufzeigen will, es ist höchst problematisch die Errungenschaft einer Ethnie (eines Volkes) zu adaptieren, Missverständnisse über Missverständnisse sind das Ergebnis.

Trotzdem ist es auch gelebtes Miteinander unter den Völkern, wenn man sich für die speziellen Errungenschaften des anderen interessiert und daraus lernt.

Kyujutsu ist unproblematisch, es hat einen ethnischen Ursprung, der ist aber vermittelbar, weil rein technischer Natur. Die daraus resultierenden Nebenwirkungen entziehen sich jeder ethnischen Herkunft, sie sind allg. menschlicher Natur.

Beim Rei ho ist das anders, das mussten auch die deutschen Kyudokas lernen:

Es sind schon ein paar Jahre her, da hat bei einer Deutschen Kyudo-Meisterschaft der Wettkampfleiter den Schützen über den Pfeil geschaut und in Summe festgestellt, dass ca. 80% der Schützen ein nicht korrektes Zielbild hatten. Die Zielfehler wurden nicht geahndet, die jeweiligen Schützen wurden nur darauf hingewiesen. (Man muss wissen, dass im Kyudo nur dann ein Treffer als Treffer gilt, wenn der Pfeil im Moment des Abschusses in das Mato zeigt).

Im Jahr darauf gab es einen Wettkampfleiter der pharisäischen Art, der hat gemeint, dass kann ich besser. Es wurde nicht über den Pfeil geschaut, es wurde von hinten mit einer Sofortbildkamera fotografiert, bei nicht korrekten Zielbildern wurde der Treffer aberkannt und die Fotos öffentlich ausgehängt. Lustigerweise war der zu der Zeit erfolgreichste deutsche Kyudoka der mit der größten Zielbild-Abweichung. Da er auch zum Nationalkader gehörte, war das ein Schuss ins Knie des Wettkampfleiters, denn der war für den Kader verantwortlich.

Zur Überraschung aller kam es dann noch dicker.

Es kam zu heftigen Diskussionen, die auch an einen japanischen Lehrer herangetragen wurden. Der erklärte, dass niemand in Japan auf die Idee kommen würde einem Schützen über den Pfeil zu schauen, eine Zielbildkontrolle gibt es in Japan nicht, dass wäre ein Verstoß gegen japanische Verhaltensnormen.

Deshalb, wenn man formal vorgetragene jap. Etikette im Kyudo sieht, so ist die auch nur formal - eine Gewähr, dass der Vortragende sie auch in der Tiefe versteht, ist nicht gegeben und ich würde sagen, die gibt es nicht.

Somit besteht für einen Nichtjapaner die Kunst im japanischen Bogenschießen darin, sich der Technik zuzuwenden und diese bis an die Grenze auszuloten. Die jap. Etikette, die übernommen werden kann, ist eigentlich auch europäische Etikette, ist Respekt gegenüber der Tradition (die Stimme der Ahnen) und gegenüber jenen, die sich in den Dienst dieser Tradition stellen.

Grüße
Yabusame
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benzi
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Danke für Deine Worte! 🙏

Sie erinnern mich an die schmerzliche Erfahrung, als ich versucht habe, das tibetische Schiessen nach Deutschland zu bringen... das hat mich in die tiefsten Abgründe meines Geistes gebracht... aus denen ich nur sehr langsam heraus krieche, bis heute...

Liebe Grüße benzi
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Buch bestellt, danke für den Tipp! 😊 🙏
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von Lyons »

Das man in Japan den Schützen nicht über den Pfeil schauen darf, ausser der Lehrer dem Schüler, oder wenn dieser ausdrücklich darum bittet, das habe ich schon mehrfach gelesen. Das ganze mit einer Kamera festzuhalten und auch noch hinterher herumzuzeigen, das ist so „deutsch“, schrecklich! Hier wurde im Sinne der vermeintlichen Korrektheit genau die japanische Sitte oder besser Etikette sozusagen mit dem Bulldozer überfahren.
Dafür sind die Deutschen bekannt, die Amerikaner sagen zu uns „blunt Germans“, und die Japaner würden sich brüskiert abwenden. Ich finde es gut, dass das von einem Japaner korrigiert wurde. Was der wohl gedacht haben mag, als er die Fotos gesehen hat? Gleichzeitig geht es in einigen japanischen Schulen noch nicht mal mehr ums treffen, was von der Heki Ryu Insai ha als Fehler angesehen wird. Krasse Geschichte jedenfalls.
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von Lyons »

benzi hat geschrieben: 09.10.2024, 11:31 Danke für Deine Worte! 🙏

Sie erinnern mich an die schmerzliche Erfahrung, als ich versucht habe, das tibetische Schiessen nach Deutschland zu bringen... das hat mich in die tiefsten Abgründe meines Geistes gebracht... aus denen ich nur sehr langsam heraus krieche, bis heute...

Liebe Grüße benzi
Was ist denn da passiert, magst Du das mal umreißen?
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Ich habe das tibetische Regelwerk eins zu eins übernommen und musste feststellen, dass das nicht mit der deutschen Mentalität kompatibel ist... näher ausführen möchte ich das hier nicht...

Aber hier ein Video von mir im Turnier 2012 in Tibet...

https://youtu.be/pi_hULn0ZP4?si=MqI3vVt2RQ8gty2-
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von Becknbauer »

habe das tibetische Regelwerk eins zu eins übernommen
Hast du da irgend welche klaren Informationen und/oder Quellen zu bieten?
Bis jetzt habe ich nur einzelne (insgesamt sechs) Turnierabläufe in Qinghai kennengelernt, aber kein allgemeingültiges Regelwerk.
Manches kann ich mir daraus zusammenreimen, aber richtige Infos sind mir wenige untergekommen.
Gruß Wolfgang/Beck ' n ' Bauer

第一条
人人生而自由,在尊严和权利上一律平等。他们赋有理性和良心,并应以兄弟关系的精神相对待。
(Internationale Menschenrechtscharta Artikel 1)
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von Neumi »

Zunächst finde ich es wichtig die benutzten Wortbedeutungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: deswegen hier zunächst "Kunst" ( der Einfachheit halber aus Wikipedia).
20241009_213818.jpg
...Versuch und Fehler bevor die Sarg-Nägel eingeschlagen werden...
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von Neumi »

Und hier das zweite bedeutsame Wort der Frage:
"Kampf"
20241009_214314.jpg
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von Neumi »

Für mich ist die Frage damit auch schon beantwortet.
Wenn eine Tätigkeit besonders gut ausgeführt wird, wird gern der Begriff Kunst benutzt.
Regelmäßig ist ein großer Zeitaufwand notwendig, um sich in die Lage zu versetzen, eine Tätigkeit besonders gut ausführen zu können.
Der Spruch: "was für ein Kampf" im Sinn von das war mit einem sehr hohen Aufwand verbunden ( Zeit, Ressourcen)
kommt sicher nicht von ungefähr.
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Spannend finde ich, dass Wikipedia bei "Kampf" unter 3 "mit sich selbst" aufführt... 😊
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Becknbauer hat geschrieben: 09.10.2024, 20:53
habe das tibetische Regelwerk eins zu eins übernommen
Hast du da irgend welche klaren Informationen und/oder Quellen zu bieten...
Es ging mir mit meinem Beitrag nicht um Regeln für Treffer und Punkte um einen Gewinner zu ermitteln, sondern einzig um den Teil, dass es einer Mannschaft erlaubt ist, den Schützen der anderen Mannschaft während des Schusses zu stören... deshalb hatte ich das Video aus 2012 verlinkt... die Chinesen haben das ja in den Folge Jahren immer mehr "unterdrückt" ....
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von Lyons »

Oh, das kam nicht raus, das ist aber ein ganz wesentlicher Faktor. Ich habe mich bei dem Video gefragt, warum die so schreien. Eigentlich ist da was dran. Entweder haben alle totale Ruhe, oder es ist erlaubt, den Schützen zumindest akustisch zu stören. Dass das für Dich eine Ablenkung war, konnte man meines Erachtens in dem Video sogar sehen, allerdings war mir erstmal nicht klar, ob das nicht „Anfeuerung“ war. Das Schießen mit Lärm bzw. Die Fähigkeit des Schützen, alles auszublenden, und sich ganz auf den Schuss zu fokussieren, ist ja eine wichtige Fähigkeit auf dem Schlachtfeld, ansonsten nicht mehr so von Bedeutung.
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