Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

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benzi
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Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Hallo zusammen,

Ich möchte hier einen Diskurs aus den geschlossenen Fäden weiterführen und würde mich über einen respektvollen Austausch freuen! 🙏

Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

@Yabusame schrieb, dass er es mit Können gleichsetzen würde...

Die gleiche Frage wurde hier gestellt und ich finde die Antwort mega... 😊 (ab min 38)

https://youtu.be/ow57EMimOoI?si=eqG8ibBvazndhvUK

Ein Zitat aus einem link von Yabusame:

Michael Haller :
"im Wesentlichen soll ja die Substanz dieser Persönlichkeit nicht verändert oder korrigiert werden. Er wird albern bleiben oder dumm, irgendwie oberflächlich, was auch immer. Vielleicht bleibt er auch ungeduldig.....“

Ich bin bisher schon davon ausgegangen, dass das Üben mit dem Yumi die Persönlichkeit verändern KANN...

Liebe Grüße
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Mich hat eine interessante Sichtweise als PN erreicht, die ich auszugsweise mit Euch teilen möchte.... 😊

.... hier mal ein Denkansatz:

Vielleicht liegt die Kunst in dem Begriff "Kampfkunst" darin, eine eigentlich asoziale Handlung durch eine Veränderung des Begriffes soweit für einen selber positiv zu besetzen, das dieses Verhalten für die eigene soziale Gruppen positiv besetzt werden kann und damit der Boden dafür bereitet wird, das entsprechende Verhalten bei anderen sozialen Gruppen ächten zu können?

In anderen Worten: wenn man den Kampf zur "Kunst" erhebt kann man ihn für die sozial mächtige Gruppe (hier der Adel) monopolisieren und bei den unterdrückten Gruppen (Bauern und Handwerker) jegliche Gegenwehr als ächten?
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Um diese Sichtweise einzuordnen war für mich erstmal interessant wann und wo der Begriff entstanden ist und das habe ich mal die KI gefragt:

Hallo,

Kannst Du mir bitte sagen wann und wo der Begriff "Kampfkunst" entstanden ist?

ChatGPT:

Der Begriff „Kampfkunst“ (oder „martial arts“ auf Englisch) hat seine Ursprünge in den traditionellen Kampftechniken und -systemen verschiedener Kulturen, insbesondere in Asien und Europa. Die genaue Entstehung des Begriffs lässt sich jedoch nicht auf einen spezifischen Zeitpunkt oder Ort zurückführen, da er im Laufe der Geschichte und in verschiedenen Kulturen unterschiedlich verwendet wurde.

Asiatische Ursprünge: Besonders in China und Japan wurden Kampfsysteme seit Jahrhunderten als „Künste“ betrachtet, die nicht nur der Selbstverteidigung, sondern auch der geistigen und physischen Disziplin dienten. In China spricht man von „Wushu“ (武术), was wörtlich „Kampfkunst“ bedeutet, und in Japan von „Budo“ (武道), was „Weg des Kriegers“ oder „Weg des Kampfes“ bedeutet. Diese Begriffe entwickelten sich über Jahrtausende, oft im Zusammenhang mit der Militärgeschichte und den spirituellen Lehren der jeweiligen Kulturen.

Europäische Bedeutung: In Europa bezeichnete der Begriff „Kampfkunst“ ursprünglich militärische Kampffertigkeiten. Der lateinische Ausdruck „artes martiales“ (übersetzt als „Künste des Mars“, benannt nach dem römischen Kriegsgott Mars) wurde im Mittelalter und in der Renaissance verwendet, um militärische Disziplinen wie Schwertkampf, Fechten, Bogenschießen und Reitkunst zu beschreiben.

Moderne Verwendung: Die moderne Verbreitung des Begriffs „Kampfkunst“ in der deutschen Sprache geht auf den zunehmenden Austausch mit asiatischen Kampfsystemen im 19. und 20. Jahrhundert zurück, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, als asiatische Disziplinen wie Karate, Judo und Taekwondo weltweit populär wurden. Der Begriff wurde zunehmend verwendet, um die philosophische und spirituelle Dimension dieser Kampftechniken zu betonen, im Gegensatz zu reinem „Kampfsport“, das eher auf Wettkampf und körperliche Fähigkeiten abzielt.

Zusammengefasst hat sich der Begriff „Kampfkunst“ über Jahrtausende entwickelt und ist ein Produkt verschiedener kultureller und historischer Einflüsse, vor allem aus Asien und Europa.
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Einen weiteren sehr spannenden Beitrag habe ich ebenfalls als PN erhalten und teile ihn hier...
Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

@Yabusame schrieb, dass er es mit Können gleichsetzen würde...
Ich hatte (sehr bewusst) von „ableiten“ gesprochen, nicht von „gleichsetzen“. Das Können muss erstmal da sein und da stolpern wir über die nächste Schwierigkeit, wann kann man von Können sprechen und wer kann erkennen, welcher Grad des Könnens erreicht ist.

Der Shaolin-Kämpfer im Video sagt, dass Kampfkunst der Ausdruck von Individualität ist.

Nehmen wir als Beispiel die hier ausgeübte Kunst des Bogenbau’s, wir geben 10 der hier mitlesenden Bogenbauer einen gleichen (soweit das möglich ist) Holzrohling, aus dem man einen Bogen herstellen kann, ohne irgendwelche Vorgaben. Man wird mit ziemlicher Sicherheit feststellen, dass dann 10 verschiedene Bögen dabei herauskommen. Jeder hat seiner Individualität Ausdruck verliehen, aber sind da auch 10 Kunstwerke herausgekommen?

Ich glaube so einfach ist die Antwort nicht, es stellt sich die Frage: Welche Individualität ist gemeint?

Im weiteren Gesprächsverlauf liefert der Shaolin-Kämpfer diese Antwort, er sagt, dass man die Prinzipien (hierbei kann es sich eigentlich nur um objektiv feststellbare Qualitäts-Kriterien handeln) des Kampfes immer weiter entwickeln muss, seine eigene Grenze des kämpfen können hinaus zu treiben, auf ein immer höheres Niveau zu bringen. Das heißt, die manuellen Fertigkeiten, das Können, mit sehr viel Mühe an eine Grenze bringen, die für jeden individuell wo anders liegt und über diese Grenze hinauszugehen.

Was dann jenseits der Grenze erfahrbar ist und zum Ausdruck kommt ist wirklich individuell – i.d.R. aber nicht bewusst und vor allem nicht konditionierbar, man kann es nicht wiederholen, der Künstler (es betrifft jede Art von Kunst) wundert sich selber über sein Kunstwerk, er hat sogar das Gefühl, etwas geschenkt bekommen zu haben.

Wir kommen hier in metaphysische Betrachtungsweisen, ich weiß es, kann es aber nicht beweisen und nicht beweisbares Wissen nennt man Glauben.

Da wird es dann hochinteressant, denn (religiöser) Glaube ist eine (Falsch-) Übersetzung des hebräischen Begriffes „Emuna“, der Begriff ist vielschichtig und nur am äußersten Rand hat er die Bedeutung von Glaube/Vertrauen.
Er bedeutet in seiner Tiefe eine sehr aktive, an die Grenze gehende Denkweise, die man eine meditative oder einfallende Denkweise nennen kann, also kein rational kursives Denken, dass produziert.
Dieses Denken (Emuna) hat Goethe gehabt und deshalb sagen können,“ nichts von dem was ich geschrieben habe ist gemacht“ (er hat es zugelassen, einfallen lassen).

Deshalb hat Kunst nichts mit einer Entwicklung der Persönlichkeit zu tun, das Gegenteil ist der Fall, die Persönlichkeit wird überschritten.
Nur unter der Voraussetzung, dass die Persönlichkeit überschritten wurde, kann man von Kunst reden.

Bleibt der Künstler innerhalb seiner persönlichen Konditionierung (Produkt von Erbe/Erziehung/Erfahrung) dann wird sein Werk ein Machwerk, also Brunst."
Zuletzt geändert von benzi am 04.10.2024, 11:46, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von Lyons »

Hallo @benzi, gute Idee und interessanter Gedankengang.
Du hast geschrieben: „ Ich bin bisher schon davon ausgegangen, dass das Üben mit dem Yumi die Persönlichkeit verändern KANN..“.
Das ist für mich ganz nachvollziehbar, und in dem Interview mit Herrn Haller bin ich auch über die von Dir zitierte Stelle gestolpert. Ich bin der Überzeugung, dass gerade bei den Japanern diese Idee der beständigen Verbesserung und Verfeinerung, in diesem Falle des „Selbst“, ganz zentral im Vordergrund steht. Dieser Grundgedanke zieht sich wie ein roter Faden durch sehr viele Aspekte des Lebens in Japan. Sie sagen ja selbst, dass sie einen „Weg des Bogens“ beschreiten, im Zweifel ein Leben lang. Wiederholung führt zur Perfektion der Abläufe und zum Ausmerzen von Fehlern. Heute, befreit vom Druck des Müssens, wird an vielen Stellen ja auch der meditative Effekt betont, der sich mit der Wiederholung einstellt, auch wenn bei Heki die funktionalen Aspekte durch das Ausmerzen von Variabilitäten im Ablauf und damit die Optimierung des Ergebnisses im Vordergrund stehen. Zitat: „Ein Schuss - ein Leben!“
Es verbleibt die psychologische Betrachtung, ob dadurch die Substanz einer Persönlichkeit verändert wird, indem die Eigenschaften verändert werden, oder ob lediglich bestimmte Aspekte einer Persönlichkeit gefördert, und andere unterdrückt werden. Eines dürfte klar sein. Ein Mensch, der eine Tätigkeit mit Ernsthaftigkeit verfolgt, und sich beständig, über Jahre und tausende Wiederholungen und Optimierungen zu verfeinern und optimieren versucht, wird dabei in Höhen vordringen, die die Anwendung des Begriffes Kunst rechtfertigen. Dass dies Einfluss auf die hervorstechenden Eigenschaften eines Charakters hat, wird wohl kaum einer bestreiten. Ein Geiger braucht hunderttausende Striche mit dem Bogen, um wirkliche Perfektion zu erreichen, so dass er in keiner Sekunde über die Feinheiten der Bogenführung nachdenken muss, sondern sich ganz der Musik und dem Ausdruck widmen kann.

Für mich ist das also ganz klar, dass der Mensch sich auch charakterlich optimieren kann, wenn er z.B. Kyudo oder Karate oder Aikido oder andere Sportarten regelmäßig betreibt. Das gilt auch für Schwimmen , Rudern oder auch banaler erscheinende Tätigkeiten, wie schreinern oder tanzen. Wer sich vertieft damit beschäftigt, wird feststellen, dass jede der genannten Tätigkeiten so ausgeübt werden kann, dass man von Kunst sprechen kann oder sogar muss, um dem Grad an Perfektion Ausdruck zu verleihen, der sich aus zigtausendfacher Wiederholung und Optimierung ergeben kann, wenn dies mit Sinn und Verstand geschieht.
Die Japaner treiben vieles davon wirklich auf die Spitze, und sind dabei sehr diszipliniert, stoisch und prinzipienfest. Das trifft natürlich nicht auf alle zu, auch dort gibt es Couch Potatos, die es eher nicht so damit haben. Aber ich glaube, dass der Prozentsatz, die soetwas aus dem Antrieb heraus tun, sich zu verbessern, schon höher ist, als bei uns, vor Allem unter den Älteren.
Ich hätte vermutet, dass der Begriff Kampfkunst tatsächlich aus dem Optimierungsprozess kommt, der zu einer Perfektionierung führt. Da es sich um Kampfkunst handelt, war die Optimierung hier besonders wichtig war, nämlich überlebenswichtig. Die Herleitung von „Können“ ist sehr naheliegend. Der Spruch „Kunst kommt von Können“ kommt nicht von ungefähr. Lustig fand ich die Ergänzung: „Es kommt nicht von Wünschen, sonst würde es „Wunst“ heißen“. Auch da ist, wie ich finde, viel wahres dran.
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Ich finde das Beispiel vorn Yabusame mit der Bogenbauer Kunst sehr gelungen und möchte innerhalb dieses Bildes meine Gedanken formulieren.. 😊

Einer der Bogenbauer hat noch nie einen Bogen fertig bekommen.... Er ist Anfänger... Er gibt sich alle Mühe mit seinem sehr begrenzten Erfahrungen und seinem sehr begrenzten Wissen... Er geht an seine Grenze... Er geht ein kleines Stück über seine Grenze hinaus, er fertigt einen funktionsfähiges Bogen, handwerklich auf niedrigem Niveau, er fragt sich am nächsten Tag ob wirklich er es war, der diesen Bogen erschaffen hat und hat das Gefühl ein Geschenk erhalten zu haben... Die anderen 9 Bogenbauer haben viel Erfahrung, fertigen Bogen auf handwerklich hohem Niveau, aber keiner ist damit an seine Grenze gegangen, jeder hat das Gefühl er habe etwas Großes alleine geschaffen... Welcher der Bogen ist Kunst?
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst

Beitrag von Lyons »

@benzi, da würd ich mit der Relativität antworten. Für den Anfänger, der über sich hinaus gewachsen ist, und dem was richtig Gutes gelungen ist, und der es hinterher anstaunt, und stolz ist, der wird mit Sicherheit seinen Bogen als Kunst ansehen, vielleicht ahnt er auch, dass das noch ganz anders geht. Die anderen, die auf hohem Niveau 08/15 machen, werden wissen, dass wenn Sie auf hohem Niveau ein tolles Ding nach dem anderen raushauen, dies für jemand unbedarftes auch Kunst sein muss, weil sie sich fragen, wie man wohl dieses Maß an Perfektion und Funktionalität erreichen konnte. Für sie selbst wird es vielleicht eher Routine sein, aber je nach Individualität und Besonderheit der Arbeit, wird es für die meisten eben doch Kunst sein. Die Frage ist, ob es irgendwas individuelles, irgendwas spezifisches gibt, eine Handschrift. Es gab Künstler, die gesagt haben, dass alles Kunst sein kann, und dabei doch an handwerkliches, individuelles gedacht.
Ich habe das Video eines Büchsenmacherbetriebes vor Augen, die bauen ein Jagdgewehr nach dem anderen, und es wird alles bearbeitet, graviert, der Schaft individuell mit Schnitzereien versehen etc. Eigentlich ist jedes Stück ein Unikat. Es dürfte eigentlich für jeden Kunst sein, und die Flinten sind Kunstwerke, auch wenn eine nach der anderen gebaut werden.
Schwieriger wird es mit hochwertigen Kopien, weil die Originalität fehlt. Kopisten können z.B. in der Malerei ein ganz eigenes Maß an Perfektion erreichen, und das entstandene wird bei jedem, der nicht vom Fach ist, trotzdem unter „Kunst“ laufen, auch wenn die Originalität fehlt. Bei Industrieprodukten wird keiner mehr von Kunst sprechen, denn da wird wiederholende Präzision, auch Feinheit und Reproduzierbarkeit, einfach vorausgesetzt.
Kannst Du dich darin wiederfinden?
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Ja das kann ich, aber ich würde es gerne um eine spirituelle Ebene erweitert sehen... 😊

ChatGPT:
"Der Begriff wurde zunehmend verwendet, um die philosophische und spirituelle Dimension dieser Kampftechniken zu betonen..."

Widerspiegeln tut sich das in den Worten von Yabusame und auch in meiner Erfahrung, nämlich dem Empfinden, dass an dem Prozess außer mir noch" etwas" anderes beteiligt ist...

"es schiesst"....
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von Lyons »

Hm, interessant. Aber gerade das würde ich nicht mit Kunst assoziieren. Das, was man gemeinhin mit Kunst bezeichnet, kann man auch erreichen, wenn man einfach völlig bewusst und konzentriert arbeitet. Das Spirituelle verbinde ich eher mit dem Tun an sich, mit der rituellen Wiederholung. Das kann ich empfinden, auch wenn ich gar nicht treffe. Kunst und Können spiegeln sich beim Bogen schießen zumindest für mich aber schon mit dem Treffen. Wäre interessant, was z.B. @kyudodetmold dazu sagt, er hat ja mit einer Optimierung der Pfeile, um sie möglichst gut an sich und den Bogen anzupassen, das Trefferbild auf solche Genauigkeit optimiert, dass das für mich „Kunst“ ist, und zwar solche, die von Können kommt. Er hat damit den physikalisch begründbaren, technisch optimierten Weg genommen, weniger einen spirituellen. Ich bin allerdings von meiner Prägung her Naturwissenschaftler. Wenn also ein japanischer Großmeister bei ausgeschalteter Beleuchtung ohne Sicht auf das Ziel das Mato trifft, dann ist der Grund für mich weniger im spirituellen begründet, als vielmehr in der durch das zigtausendfache Wiederholen erlangten Präzision durch das Ausmerzen von Variablen, so dass er, wenn er weiß, wo das Mato stand und das Ashibumi korrekt ausgeführt ist, in der Lage ist, die Stelle zu treffen, wo er das Mato gesehen hat. Ich glaube, dass das gerne als „magic“ abgesehen wird, in Wahrheit ist es die erlangte Präzision, die durch das vieltausendfache Üben eine Ausblendung aller Störgrößen erlaubt. Er hat den geistigen Status erreicht, alles ausblenden zu können, auch das Treffen wollen. Er wird treffen. Das meinen die Japaner, wenn sie sagen: „Der Pfeil existiert im Ziel.“ Man kann in diesem Zustand auch den Zustand der maximalen Spiritualität sehen, und das ist sicher nicht ganz verkehrt.
Aber kannst Du genauer beschreiben, was Du meinst, wenn Du sagst: „Es schießt“? Ich vermute, Du meinst das Hanare, wenn Du es nicht bewusst machst, sondern sich die Sehne mit dem Pfeil auf dem Maximum der Kraftentfaltung irgendwie von selbst löst, also im richtigen Moment? Oder meinst Du noch was anderes?
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von Yabusame »

Einer der Bogenbauer hat noch nie einen Bogen fertig bekommen.... Er ist Anfänger... Er gibt sich alle Mühe mit seinem sehr begrenzten Erfahrungen und seinem sehr begrenzten Wissen... Er geht an seine Grenze... Er geht ein kleines Stück über seine Grenze hinaus, er fertigt einen funktionsfähiges Bogen, handwerklich auf niedrigem Niveau, er fragt sich am nächsten Tag ob wirklich er es war, der diesen Bogen erschaffen hat und hat das Gefühl ein Geschenk erhalten zu haben... Die anderen 9 Bogenbauer haben viel Erfahrung, fertigen Bogen auf handwerklich hohem Niveau, aber keiner ist damit an seine Grenze gegangen, jeder hat das Gefühl er habe etwas Großes alleine geschaffen... Welcher der Bogen ist Kunst?
Die Frage impliziert, dass es eine objektiv feststellbare Kunst gibt.

Das sehe ich nicht so, ich würde sagen, dass Kunst dann vorhanden ist und wirkt, wenn es zu einer Berührung zwischen Objekt (dem Kunstgegenstand) und Subjekt (dem Betrachter kommt).

Das würde vom Absoluten zum Relativen führen.

Wenn man sich die Malerei anschaut, da gibt es z.B. den Expressionismus und im Gegensatz die primitiv erscheinende naive Malerei. Beide Formen haben ihre Anhänger, die sich von der einen oder anderen Malerei berührt fühlen.

Und dieses „berührt sein“, das erscheint mir wichtig. Allerdings nur, wenn es dazu führt aus seinem gegenwärtigen Bewusstsein herausgehoben zu werden.

Der umgekehrte desstruktive Weg ist ja auch möglich, der Nationalsozialismus hat auch berührt – desstruktiv, er hat nicht herausgehoben, er hat in den Abgrund geführt.

Somit ist Kunst konstruktive Persönlichkeitsüberschreitung, relativ, berührend.

Ein jeder Kunstkenner oder Kunstkritiker kann er sich also auch gleich Idiot nennen.

Damit kommen wir wieder zum Kyudo (wegen der Idioten):
Widerspiegeln tut sich das in den Worten von Yabusame und auch in meiner Erfahrung, nämlich dem Empfinden, dass an dem Prozess außer mir noch" etwas" anderes beteiligt ist...

"es schiesst"....
Mir ist zwar nicht bewusst, dass ich das im Kyudo berühmt berüchtigte „es schießt“ verwendet habe, aber:

Es kann durchaus zu einem solchen Eindruck kommen, wenn da ein Schuss gelingt, der „anders“ ist als die anderen, ein Schuss der mich zum Innehalten zwingt, zur Frage: Was war das ?

Ich würde aber nicht behaupten, dass “es“ abgesondert von mir ist, „es“ hat lediglich dazu geführt innezuhalten, zu mir selbst zu kommen, mich zu berühren - vieleicht ein Kunstschuss.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde ich zusammenfassend sagen:

Dass Kunst etwas mit Können zu tun hat, aber Können nicht alles ist.

Dass Kunst individuell ist, aber beidseitig, der Schaffende und der Betrachter finden sich, bilden eine Einheit.

Dass Kunst letztendlich kein Niveau kennt, weder im Können noch in besonderer Individualität.

Damit wird jeder abgeholt, wo immer er auch steht - eine hohe Kunst.

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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

ChatGPT hat ja als KI den Begriff des spirituellen der Kampfkunst als Abgrenzung zum Kampfsport genannt... 😊
@Yabusame "es schiesst" war von mir angemerkt!
Der Begriff spirituell beinhaltet für mich die Gegenwart von etwas "Göttlichen"... Schwierig hierfür die richtigen Worte zu finden, sie alle sind sehr besetzt... Geister, Spirits.. Ahnen... 😊
Wenn ich an Ursprung von Kunst denke, dann denke ich an Höhlen Malerei...
Und ich VERMUTE, dass den Künstlern der Kontakt zu "Geistern" deutlich wichtiger war, als das, was sie mit ihrer Kunst bei evtl späteren Betrachtern auslösen....
Vor diesem Hintergrund würde ich Kunst unabhängig vom Betrachter sehen...
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Neue Höhlen Malerei in der Jägerhaushöhle vor ein paar Tagen aufgenommen... 😊
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von kra »

K"I" ist mir bisher weniger als "I" denn mehr als der Versuch, möglichst viel zu sammeln und dann unreflektiert aber komprimiert wiederzugeben aufgefallen. Von daher erscheint mir die Anwendung der K"I" wenig zielführend zu sein, um über einen Begriff wie "Kunst" zu neuen Erkenntnissen zu kommen.

Aber ich lese interessiert mit ;) .

Das der Begriff des Kampfes kaum in Erscheinung getreten ist freut mich, weil ich, wie aus dem zitierten PM-Ausschnitt von mir, ihn im Zusammenhang mit Kunst äußerst skeptisch sehe.

BTW, Sprache und die intendierte bzw. interpretierte (Be)Deutung von Worten ist ein äußerst heikles Feld... hat sehr viel mit Machtanspruch und Erstreben von Deutungshoheit zu tun.
“Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.”
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Ich fand die KI mit ihrer Aussage, dass es der spirituelle Hintergrund sei, der im Begriff Kampfkunst, im Gegensatz zu Kampfsport, hervorgehoben wird, sehr zielführend .. 😊

Was an die Aussage in meinem oben zitierten ersten Text anknüpft und was mir gestern in einer Doku über Hildegard von Bingen erneut bewusst geworden ist, ist das Spiritualität in der Vergangenheit oft eine Angelegenheit besser gestellter sozialer Schichten war... Jesus, Buddha, Franz von Assisi, Hildegard von Bingen alle kamen aus verhältnismäßig wohlhabenden Familien... Spiritualität wurde abgegeben, schon sehr früh an Schamanen... Eigentlich erleben wir jetzt gerade die Rückeroberung der Spiritualität des "einfachen Mannes" vermutlich seit der Steinzeit...

Für den Schamanismus hat das Michael Harner getan, der beschrieben hat, wie jeder und jede schamanischen Ritualen wirkungsvoll ausführen kann...

Wie finde ich den Weg zurück zum Bogenschießen..? 🤔 😂
Auch mit dem Yumi werden noch Zeremonien abgehalten und auch diese werden an eine "elitäre Kaste" deligiert.. Zeit sich dieses Privileg zurück zu erobern...
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von fatz »

benzi hat geschrieben: 05.10.2024, 21:49 ... wie jeder und jede schamanischen Ritualen wirkungsvoll ausführen kann..
WTF???? Du rauchst zu viel von dem Zeugs
Haben ist besser als brauchen.
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Re: Was ist die Kunst in der Kampfkunst?

Beitrag von benzi »

Naja meine Frage war ja was die Kunst in dem Begriff Kampfkunst ausmacht... weil was Kampf ist sollte ja eigentlich klar sein... Wobei ich nach diesem Austausch folgende These formulieren würde:

Kampfsport richtet sich auf einen Gegner im Aussen aus

Kampfkunst richtet sich auf den Gegner in uns selber aus

Frei nach Jonathan Meese:
Wenn Du den Kampf gegen Dich selber führst, dann haste gar keine Zeit mehr für den Kampf gegen andere... 😊
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