Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Fragen zu Boegen zum Bogenschiessen. Keine Fragen zum Bogenbau.
Ralph
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Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von Ralph » 09.12.2017, 20:05

Hallo,

ich stelle folgende Frage in den Raum bzw. stelle folgende Problematik zur Diskussion:

Welchen Einfluß hat moderate Kälte auf das Zuggewicht von nach historischen Vorbildern gefertigte Horn-Sehnen-Kompositbogen ?

Anlaß ist der Temperaturabfall der letzten Tage und die teilweise existierenden Vermutungen oder Behauptungen, Temperaturabfall würde zu einer leichten, erheblichen oder keiner Veränderung der Zuggewichtsstärke solcher Bogen führen.

Da dahingehend schon ausreichende Vermutungen oder subjektive Darstellungen Dritter („wird hart…kann mir es physikalisch gesehen vorstellen….“ etc.) existieren, interessieren hier mehr persönliche Erfahrungen in Gestalt konkreter Messungen bzw. Vergleiche zwischen „Normaltemperaturen“ um die 18-25 Grad Celsius und moderater Kälte bei null Grad Celsius, bezogen auf einen konkreten Bogentyp (ganz gleich ob Ungar; Türke; Tatar etc.).

Als Beispiel stelle ich einen Mandschuhbogen nach historischem Vorbild voran:

Dessen Zuggewichtssteigerung betrug bei Anliegen von Temperaturen um null Grad Celsius im Vergleich zu 18-25 Grad Celsius 2 – 2,5 lbs. . Sie war demnach bei moderater Kälte nur gering. Das deckt sich mit historischen, chinesischen und koreanischen Texten, in denen u. a. die Anfälligkeit der Mandschuh mit den Koreanern in Bezug auf Wetterunbilden / Temperaturschwankungen verglichen wird und Erstere dabei als unanfälliger dargestellt werden.

Ich bin auf weitere Ergebnisse gespannt.

Ralph
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Snake-Jo
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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von Snake-Jo » 15.12.2017, 14:56

@Ralph
Interessantes Thema. Ich habe leider keine konkreten Messungen, aber kann das bei Frost mal nachholen. :)
Bei normalen Langbogen (Selfbow) kann man ein "Härterwerden" bei Kälte schon deutlich merken. Interessant wäre noch, ob der Komposit mehr zulegt als der Langbogen.
Aufruf: Liebe Forumsteilnehmer, macht doch mal Messungen! Zuggewichtswaage raus und selber raus in die Kälte zum Messen... ;D

Ralph
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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von Ralph » 15.12.2017, 18:53

Snake-Jo hat geschrieben:Zuggewichtswaage raus und selber raus in die Kälte zum Messen... ;D


Aber am besten, nicht nur Bogen 15 Minuten ins Freie rausstellen, sondern längere Zeit / mehrere Stunden (Turnier...) belasten, so dass das Ganze "im gebrauchsfähigen Durchfrostungszustand" gemessen wird... ::)
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Zoffti
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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von Zoffti » 16.12.2017, 00:51

Hm ja, das ist interessant - da mach ich mal mit!
Also: Ein Schwarzdorn-Selfbow mit 44 lbs,
Hasel, 22 lbs
Robinie 24 lbs
Traubenkirsche 23 lbs. sind jetzt mal draussen... Wird wohl so um die - 0° werden heut Nacht. Also wahrscheinlich nicht kalt genug, dass sich viel tut - Aber schau ma mal.


Hab aber noch eine Frage zu sehnenbelegten Bögen (mit denen ich mich z.Z eben gar nicht recht raustraue).

Mal angenommen man setzt also solche Selfbows, die mit Sehne verstärkt bzw. geflickt/verstärkt sind feuchtkalter Witterung aus. Müsste da nicht der -( in meinem Fall nur dünn mit Schelllack geschützte)- Sehnenbelag "erweichen, - quellen" - was immer - ein bisschen schwächer werden eben?
Denn wenn er das täte, würde man nicht gross was merken und die blosse Zuggewichtsmessung würde sich als nicht sehr aussagekräftig erweisen.... Denn dann würden sich die beiden zwar veränderten Faktoren: a (leise erweichender Sehnenbelag) + b (allmählich härter reagierendes Holz) zu einem ziemlich gleichen Zuggewicht addieren....
Wie wertet/misst man das?
Und wie ist das bei den Komposits? Sind die denn mit ihren dickeren Sehnenbelegen so ganz unempfindlich gegen feuchte Witterung?
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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von Snake-Jo » 16.12.2017, 09:41

@Ralph: Schon klar! Die praktische Situation wäre ja: Man startet morgens mit dem Bogen zu einem Turnier. Da ist der Bogen noch im warmen Auto. Nach Ankunft lungert man erfahrungsgemäß noch stundenlang in der Kälte rum, bis der erste Schuss abgegeben werden darf und dann ist der Bogen die ganze Zeit der kalten Witterung ausgesetzt bis am Nachmittag die letzten Ziele getroffen wurden. Die Regel besagt ja: Den Bogen vor jedem neuen Ziel wieder aufwäremen (20 mal auf halben bis dreiviertel Auszug spannen und zusätzlich noch reiben mit Wolllappen oder so). Aber das reicht oft nicht und es macht auch nicht jeder (kaum einer). ::)

@Zoffti: Ein ungeschützter Sehnenbelag nimmt Fechtigkeit auf, ganz klar. Deshalb waren die Osmanen gut bemalt und belackt und die ganz alten zumindest mit einem Birkenlederbelag geschützt. Daher unbedingt für den Versuch: den Bogen gut einpacken (Folie) oder lackieren: Meine haben alle 3 Schichten PU-Siegellack für Parkettboden drauf, altenativ geht Klarlack aus der Spraydose z.B. von Auto-K (für Auto-Felgen als Abschlusslack).
Hartöl muss einpoliert werden und macht sich auf den meist krumpeligen Sehnenbelägen nicht so gut.
Zaponlack ist für Metalloberflächen geeignet, nach meinen Infos nur für den Innenbereich und nicht sonderlich wasserfest. Schellack ist nur für den Innenbereich geeignet und überhaupt nicht wasserfest.

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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von Ralph » 16.12.2017, 09:54

@Zofti

Kann nur bzgl. chinesischen Horn-Sehnen-Komposits etwas aussagen:
DIe kräftigen Sehnenschichten sind sehr resistent -aber auch nicht grenzenlos beständig gegen Nässe. Deshalb wird der Sehnenbelag in der Regel mit Birkenrinde belegt und diese mit Tungöl (traditionell) oder entsprechend verarbeitungsfreundlicheren, moderneren Substanzen (z. B. Hartöl) überzogen.

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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von SchmidBogen » 16.12.2017, 11:38

Das ist ein spannendes Thema und würde dies auch gerne mit Modernen Sportbögen testen, egal ob Lang- oder Recurvebogen.

Machen wir doch diesen Winter ein Europaweites Fletchers Corner Mess-Projekt von Allen Möglichen und unmöglichen Bögen.
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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von Zoffti » 16.12.2017, 13:50

@Snake-Jo Danke für die Info von wegen Sehnenbelag
Dann war mein Gefühl ja mal richtig ::) dass besonders meine geflickten Kandidaten zZ. nichts verloren haben draussen....

So, aber jetzt zur Zuggewichtssteigerung:
Zoffti hat geschrieben:Schwarzdorn, 44 lbs, - heute morgen: 45 lbs
Hasel, 22 lbs.......... - : 24 lbs
Robinie 24 lbs......... - keine merkliche Änderung
Traubenkirsche 23 lbs.- " " "


Die Traubenkirsche hat sehr wenig Kernholz und ist weissgott nicht der flotteste Bogen - benahm sich heute morgen beim Probeschiessen aber deutlich anders. Zwar gleiches Zuggewicht aber Irgendwie schwabblig :-\
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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von kra » 16.12.2017, 15:39

Das mit Sehne und Feuchtigkeit wird i.d.Regel überschätzt.
Meine Erfahrung ist - ein gänzlich ungeschützter Sehnenbelag einen Turniertag im Nieselwetter zeigt ein oberflächlich angelöstes Sehnenbacking, ohne das die Funktionsfähigkeit massiv gelitten hätte (er wurde etwas schwächer, aber nicht dauerhaft).
Mit einer Grundlage aus Rohhaut und 2 Schichten Firnis hatte ich bisher (2 tägige Turniere, aber keine Wasserschlachten) keine Probleme, selbst wenn die Firnisschicht nicht ganz Rißfrei war. was ich aber bei Regenwetter immerin der Regel mache ist den Bogen (ob nur Holz oder mit Sehnenbelag) mit Snowseal (Schuhfett) einreiben.

Btw, mindestens ebenso empfindlich auf Wasser reagiert ein unversiegeltes Bambusbacking - das ist ausgesprochen hydrophil >:( .
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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von killerkarpfen » 16.12.2017, 16:00

Zoffti hat geschrieben:Hm ja, das ist interessant - da mach ich mal mit!
Also:...
Mal angenommen man setzt also solche Selfbows, die mit Sehne verstärkt bzw. geflickt/verstärkt sind feuchtkalter Witterung aus. Müsste da nicht der -( in meinem Fall nur dünn mit Schelllack geschützte)- Sehnenbelag "erweichen, - quellen" - was immer - ein bisschen schwächer werden eben?


Die Zuggewichtssteigerung bei Kälte ist ein bekanntes Phänomen. Das kennt man auch bei reinen Holzbögen.
Die Gefahr ist m.M.n wenn der Bogen viel Feuchtigkeitr aufgenommen hat und man damit in grosse Kälte geht also -5°C und tiefer. Dann gefriert das Wasser und bildet eine Art Reif in den Zellen. Wobei da mehr ein sublimieren stattfindet also ein verdunsten aus festen Zustand.
Beim Schiessen erwärm sich das Holz das Wasser bzw die Eiskristalle werden wieder flüssig. In grosser Kälte geht das dann nicht mehr. Das Holz oder auch anderes Material ist dann wie gefriergetrocknet.

Bei meinen Bögen mache ich mir so ab -7° bis -10°C Gedanken ob sie den vollen Auszug noch überstehen. Dieser wird dann aber aus Gründen der dicken Kleidung sowieso etwas eingeschränkt. :)
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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von Zoffti » 16.12.2017, 17:23

@kra
hätte ich nicht gedacht, dass Bambus selbst noch als Backing so durstig ist.... Hatte heut früh den Eindruck, dass Taubenkirsche eventuell auch zu den Wassersüchtigen zählt...
@KK
Ich hab auf meinen Bögen i.d.R. nur Wachssalbe+/-Leinölfirnis drauf. Das hilft schon ein bisschen gegen diesen und jeden Regentropfen aber Luftfeuchte kann da vermutlich recht gut durch... Solche "aufgefrorenen" WA's hören sich ja nun schon sehr übel an. - Ist jedenfalls eine perfekte Entschuldigung um bei Minusgraden daheim im Warmen zu bleiben.. ;D
Aber zu diesen Tests -?
Fürchte, dass diese Kälte-Biegesteifigkeits-Steigerung eh nur mit identisch behandelten Holzoberflächen oder kontrollierbarer Luftfeuchte verlässlich messbar wäre. Sonst sind da zu viele kontradiktorische Faktoren... ;D
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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von killerkarpfen » 16.12.2017, 17:44

Nein glaube ich nicht. wenn es kalt ist ist die Luft auch trocken. Also bei Schneefall um die null Grad mache ich mir auch keine Gedanken. Klar ist der Bogen etwas steifer aber um das gleiche wie er an einem heissen Sommertag auch ein wenig nachgibt. Da macht sich ja auch keiner gross Gedanken.

Zum Andern im asiatischen oder eurasischen Raum wo die Sehne-Hornbögen ihren Ursprung haben wird es im Winter auch a :-X kalt. Da herrscht Kontinentalklima mit Temperaturen im Sommer +40° und im Winter -40°C (brrr), die Bögen werden sicher dem entsprochen haben. Die haben sich sicher nicht nur im Sommer bei schönem Wetter bekriegt :D
In einem sogar hier verlinkten Video habe ich einmal einen asiatischen Schützen gesehen, der hat den Bogen zum Aufspannen über einem elektrischen Rechaud aufgewärmt. Das war eine rechte "Zeremonie" bis der Bogen gespannt und auch etwas gerichtet war.
Dann ging er nach draussen zum Schiessen und gut. Wo und wie das war weiss ich nicht mehr.

1.JPG

Vollmondschiessen am 03.12.2017 bei -5°C
Da haben wir uns keine Gedanken gemacht. Andere waren da am holzen ;D
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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von Hieronymus » 16.12.2017, 18:45

killerkarpfen hat geschrieben:Zum Andern im asiatischen oder eurasischen Raum wo die Sehne-Hornbögen ihren Ursprung haben wird es im Winter auch a kalt. Da herrscht Kontinentalklima mit Temperaturen im Sommer +40° und im Winter -40°C (brrr), die Bögen werden sicher dem entsprochen haben. Die haben sich sicher nicht nur im Sommer bei schönem Wetter bekriegt


Das glaube ich auch. Den Bio Komposit Bögen wird das wenig machen. Meine zwei Osmanen haben wir vor 1,5 Wochen bei - 5 °C geschossen und da habe ich keinen Unterschied bemerkt....nur das es Ars... kalt war ;) Was ich mich allerdings Frage ist, ob Bögen mit weniger drucktorlerantem Bauch , durch den steiferen Rücken, eher Falten bekommen?!

Andere waren da am holzen ;D

;D

Gruß Markus
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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von Zoffti » 16.12.2017, 21:07

@KK :D :D :D
Ihr sind mir denn zwei Vögel!! Sid wenn sind denn d Mumie los bi euch ? So iigwickleti Lütt hett ich um dia Ziit jetz nit im Bernbiet gsuacht....
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Re: Zuggewichtssteigerung Komposit bei Kälte

Beitrag von SchmidBogen » 17.12.2017, 00:05

ZOmbis findt mär sowiso überau ir Schwiiz. Zbsp im Bundeshuus. Da muesch nöd lang sueche. ;D
- Tradition trifft Moderne -

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