Ankerpunkt beim reiterbogen?

Technik und praktische Umsetzung
elcartan
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Beitrag von elcartan » 27.04.2004, 19:43

also gut, hab mich schlau gemacht.
ungarischer Reiterbogen (fast sicher, dass kassai auch so einen hat) 30" 45#
was passt den dazu?
Manchmal stupst mich ein(e) Freund(in) nach einer Minute follow-through an und fragt mich, ob alles in ordnung ist. Mit vertr?umten blick noch immer auf das Ziel starrend sage ich: "Ja, bestens."

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RE:

Beitrag von Archiv » 27.04.2004, 22:47

Original geschrieben von Schattenwolf

Das meint Grózer dazu:


HUNNISH BOW EXTRA III COMPOSITE

total length: 57"
length between siyahs: 51"
length strung: 50 1/2"
draw weight: 30-120#
max. draw length: 29"
brace height: 7"

HUNNISH BOW BASE

total length: 59"
length between siyahs: 55"
length strung: 52"
draw weight: 25-80#
max. draw length: 30"
brace height: 6 7/8"

-------------------------------





Ich habe meinen Bogen (Ausführung Extra 1) über Reiner Wüstefeld bestellt, der hat mir auch empfohlen, den Bogen möglichst nicht über 28" zu ziehen...
Auf seiner Website (www.traditional-archery-scandinavia.com) steht allerdings auch, daß max. 29" drin sind.
Aber da ich eh einen Auszug von 28" habe...;-)
Ansonsten kann ich deinem Beitrag nur voll und ganz zustimmen!

Gruß, Hartmut

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Beitrag von elcartan » 28.04.2004, 14:35

@schattenwolf:
das mit den traditionellen stoffen und so ist sicher richtig. designmäßig muss ich aber sagen, dass die fieberglas laminierten wurfarme unter dem leder gut versteckt sind. schießen tut er auch supi, also brauch ich nur den anker.
ich glaub, ich werd versuchen in am ohr zu ankern. wird zwar recht hart am anfang, aber wie heißt's so schön? übung macht den meister8-)
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RE: Hunnenbogen

Beitrag von Kyujin » 28.04.2004, 16:51

Original geschrieben von ub.1

Ich schieße auch einen Hunnenbogen, allerdings von Gròzer. Dieser ist meiner Meinung nach am nähesten am Original. Die Hunnenbögen waren asymmetrisch, der untere Wurfarm war deutlich kürzer.


SEHR INTERESSANT!

Das ist das erste Mal, dass ich von einem asymmetrischen Bogen ausserhalb Japans höre. Gibt's da datierbare Belege (Fundstücke, Bilder) oder gar eine lebendige Tradition? Wäre das dokumentierbar, müssten wir eventuell über die (recht spekulativen) Theorien zur Asymmetrie des japanischen Bambusbogens noch mal nachdenken. Die ist immerhin bereits für das 3. Jahrhundert belegt.

Und: Ein wesentlicher Punkt bei der kyudotypischen dynamischen Schiesstechnik ist ja eben die Asymmetrie des Bogens. Wie sieht denn die Schiesstechnik bei asymmetrischen Hunnenbögen aus?
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@ kyujin

Beitrag von Hunbow » 28.04.2004, 17:00

ich schiesse auch einen assymetrischen bogen, einen kassai-hunnenbogen. bei den folgenden url's wirst du, was geschichte angeht, fündig:
www.atarn.org

horsebackarchery.com

www.grozer-archery.com
"Der starke Mann trotzt dem Regen. Der kluge Mann stellt sich unter."

Filmtipp:
http://www.struckthefilm.com/

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Beitrag von shewolf » 28.04.2004, 19:47

Irgendwer hat mir auf einem Turnier mal erzählt, das er mit einem Finger im Ohr ankert... ist das vielleicht eine Alternative zum Ohrläppchen?
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Beitrag von elcartan » 28.04.2004, 20:15

@shewolf:
das ist echt eine gute idee, werd's sicher ausbieren (ich sag dann wie schmalzig mein finger wird...:p ) jetzt wo du's erzählst, fällt mir auf, dass ich so einen typen kenne, kannte, der ihm ohr geankert hat. der war ziemlich komisch... ? (sind wir das nicht alle)? :o
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Hunnenbogen

Beitrag von horsebow » 28.04.2004, 20:33

@Kyujin: Der Hunnenbogen war deutlich effektiver als der "arcus scythicus", das heißt der Bogen der Skythen, Sarmaten, Griechen und anderer antiker Völker, weil er länger war. Da die Hunnen allerdings nicht über Steigbügel verfügten (diese wurden erst im 6.-7. Jh.n.Chr. von den Awaren aus Zentralasien nach Europa eingeführt und zunächst im byzantinischen Heer übernommen), resultierte eine asymmetrische Bogenform mit kurzem unterem Wurfarm, um noch bequem nach allen Seiten schießen zu können. Die Awaren hatten die Möglichkeit, im Steigbügel zu stehen, und deshalb war der Awarenbogen insgesamt länger als der Hunnenbogen und eben wieder symmetrisch.
Asymmetrische Bögen sollen unter dem Einfluß der Hunnen auch im (ost-?)römischen Heer der späteren Kaiserzeit verwendet worden sein.

Literaturhinweise mit Belegen zu Originalstücken sind z.B.
-Coulston, J.C.: Roman Archery Equipment. In: M.C. Bishop (ed.): The production and distribution of Roman military equipment, Oxford 1985, pp. 220-348
-Lászlò, Guy.: Die Bewaffnung der Hunnen. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Begründet von J. Hoops. Berlin - New York 1973, S. 453-454
-Sebestyén, Karoly: Bogen und Pfeil der alten Ungarn. In: Arbeiten des Archäologischen Intituts der Königlich-Ungarischen Franz-Josefs-Universität Szeged 8, 1932, S. 167-255
-Anke, Bodo: Studien zur reiternomadischen Kultur des 4. bis 5. Jahrhunderts. 2 Bd. Weissbach: Beier&Beran 1998 = Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas, Bd. 8
-Bóna, István: Das Hunnenreich. Stuttgart: Konrad Theiss 1991
-Werner, J.: Beiträge zur Archäologie des Attila-Reiches, München 1956
-Rausing, Gad: The Bow. Some notes on its origin and development. Acta Archäologica Lundensia 6, Bonn - Lund 1967

Viel Spaß beim Lesen ;-)

Gruß, horsebow
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RE: RE: Hunnenbogen

Beitrag von Archiv » 28.04.2004, 22:43

Original geschrieben von Kyujin


SEHR INTERESSANT!

Das ist das erste Mal, dass ich von einem asymmetrischen Bogen ausserhalb Japans höre. Gibt's da datierbare Belege (Fundstücke, Bilder) oder gar eine lebendige Tradition? Wäre das dokumentierbar, müssten wir eventuell über die (recht spekulativen) Theorien zur Asymmetrie des japanischen Bambusbogens noch mal nachdenken. Die ist immerhin bereits für das 3. Jahrhundert belegt.

Und: Ein wesentlicher Punkt bei der kyudotypischen dynamischen Schiesstechnik ist ja eben die Asymmetrie des Bogens. Wie sieht denn die Schiesstechnik bei asymmetrischen Hunnenbögen aus?


Horsebow war schneller!:D Mehr kann ich dir an Quellen auch nicht bieten...;-)

Gruß, Hartmut

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Beitrag von Kyujin » 29.04.2004, 11:33

Sehr spannend, so viel Belegmaterial hatte ich nicht erwartet, danke! Da bekommt die Nationalbibliothek in Oslo was zu tun.

Aber nochmal zur Schiesstechnik (und damit auch wieder on topic ;-) ): Nimmt die Rücksicht auf die Asymmetrie? Oder andersherum: Unterscheiden sich die Schiesseigenschaften eines asymmetrischen Bogens spürbar von denen eines "vergleichbaren" symmetrischen (wenn's den gibt)? Nach meinen Erfahrungen mit (teilweise unfreiwilligen) Experimenten, einen japanischen Langbogen ohne spezifischen Griff / Technik zu schiessen, würde ich deutliche Unterschiede erwarten.
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Schießtechnik

Beitrag von Archiv » 29.04.2004, 14:12

Hallo Johannes,
also ich persönlich konnte keinen gravierenden Unterschied zu anderen (symmetrischen) Reiterbögen feststellen, was die Schießtechnik angeht. Im Vergleich zu einem Skythen, einem Mongolen und einem türkischen Hornbogen, die ich bisher ausgiebig testen konnte (alle von Gròzer) habe ich immer den selben Schießstil bzw. die selbe Schießtechnik angewandt: ich ankere grundsätzlich im Mundwikel, halte den Bogen ganz locker zwischen Daumen und Zeigefinger und bleibe nur relativ kurz im Auszug. Mittlerweile schieße ich wieder mit mediteranem Griff, nachdem ich eine Weile mit Untergriff experimentiert habe...;-)

Gruß, Hartmut

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Beitrag von Kyujin » 29.04.2004, 15:19

Mediteraner Griff, Pfeil auf der körpernahen Seite des Bogens. Die Vielfalt der Kombinationen von Gerät und Techniken ist grenzenlos. :-)

Ich hätte ja gedacht, dass solche Bögen immer mit mongolischen Griff, Pfeil körperfern (bei uns immer rechts vom Bogen) und Daumenring geschossen werden, aber solch strenge Standards sind wohl nur bei uns selbstverständlich.
Johannes Kolltveit Ibel
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Beitrag von horsebow » 29.04.2004, 18:49

@Kyujin: Ich habe längere Zeit einen Hunnenbogen von Kassai geschossen und schieße immer noch einen Magyar Sport und einen Tall Magyar, daneben verschiedene andere ungarische (=symmetrische) Reiterbögen und kann im Abschußverhalten keinen relevanten Unterschied zum asymmetrischen Hunnenbogen feststellen.
Auch ich schieße mit mediterranem Auszug über den Handrücken, das geht problemlos, und ich schieße in der gleichen Technik meine englischen LB und meinen Border Griffon LB.
Es ist übrigens durchaus nicht so, daß der Reiterbogen (ich bevorzuge eigentlich den Ausdruck Kompositbogen, da die durchaus nicht nur von Berittenen geschossen wurden) in der Geschichte immer mit Daumenring geschossen wurde, zum Thema release und Ablaß bei Kompositbögen unterschiedlicher Völker gibt es sehr differente Expertenmeinungen...

Gruß, horsebow
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Beitrag von Kyujin » 30.04.2004, 08:30

Ja, strenge Standardisierung ist wohl eher eine japanische Spezialität, speziell nach 1600. Wir halten ja den Bogen auch immer in der linken Hand.

Besten Dank für die ausführlichen Infos - mein Bogenweltbild ist wieder einmal etwas komplexer geworden. :-)
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Der Steppenreiter

Ankern und Nicht-Ankern

Beitrag von Der Steppenreiter » 04.06.2004, 12:11

Das Thema ist zwar seit April schon etwas out
zum Ankern aber noch ein paar Überlegungen, die die Verwirrung hoffentlich dann vervollständigen!

1. Der Bogen bestimmt nicht den Anker!

2. In keiner asiatischen Literatur zur Bogensportkunst gibt es den Begriff Anker!

3. Der Anker ist nach meinem Kenntnisstand eine Erfindung von Howard Hill. Also noch ziemlich jung!

4. Und trotzdem müssen Auszugslänge und Armhöhe des Auszugs am Körper immer gleichmäßig sein.

5. In alter arabischer und asiatischer Literatur werden sehr viele verschiedene Stile gelehrt. Wobei nicht nur der Bewegungsablauf der Arme und Hände aufeinender abgestimmt sein muß, sondern auch die Körperstellung zum Ziel muß diesen angepasst sein.

6. "Anker" ist ein Hilfsmittel, ähnlich dem Klicker beim Fitaschützen. Vor gut 20 Jahren hatte ich einmal einen russischen Fitaprofi beobachtet, wir debattierten gerade über Klicker oder nicht Klicker, Lippen oder Kinnanker und dieser Kerl schoß auf die 90m einen Pfeil nach dem anderen ins Gold ohne erkennbares Ankern, Klicker? Fehlanzeige, Stabi in Minimalausführung, ach ja er hatte ein Fernglas dabei, das wars aber auch schon.

7. Ankern erzeugt ein mentales Problem. Zielen, Spannen und Lösen werden nie zu einer Einheit, weil dazwischen immer die Haltungskorrektur mit der Überprüfung des korrekten Ankers liegt (eigendlich aber nur Hilfmittel und nicht Zweck der Übung!). Ein mental aufwendiger Rückkopplungsprozess wird beim Ankern angestossen. Und die Beschäftigung damit verhindert einen freien, intuitiven Release.

8. Denkt drüber nach, ich glaube ich habe recht!

Für die die den Film Last Samurei gesehen haben: Der "Held" wurde erst dann gut im Stocklampf, als er nicht mehr darüber nachdachte!

Christian

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