Release und Geschichte...

Technik und praktische Umsetzung
Der Steppenreiter

Release und Geschichte...

Beitrag von Der Steppenreiter » 10.10.2005, 12:15

Angefangen hat die Diskussion schon bei meinem Wettkampf. Ob nun oder ob nicht - das Öffnen der Arme beim Release sinnvoll, korrekt und wichtig sei.

Haebbie meinte damals, wenn ich mich richtig erinnere, es sei eine unötige Körperbewegung, die noch dazu schädlich ist, weil sie den Pfeil verreisse usw. Claus behauptete das genaue Gegenteil.

Hier nun noch ein Argument für diese Eigenart des Reiterbogner Releases:

Der Mogul Akbar Khan benutzte ihn damals auf der Jagd, zumindest wollen ihn die höfischen Miniturmaler so gesehen haben. Minituren aus der Mogulzeit sind vorallem durch ihre Detailtreue berühmt.

Bild

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Ravenheart
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Beitrag von Ravenheart » 10.10.2005, 13:23

Ich reite zwar nicht, sage aber auch mal was dazu:

Ich "erwische" mich immer wieder mal dabei, auch die Zughand (trotz ruhig liegenden Ankers) immer mal relativ stark nach hinten zu "verreißen";
Konzentriere ich mich danach (weil ich drauf aufmerksam geworden bin) deutlich darauf, die Hand "liegen zu lassen", ist meine Gruppierung deutlich besser; allerdings auch etwas tiefer!

Der Bogen tendiert ja beim Abschuss zu einer Vorwärts-Bewegung; diese würde durch das Nach-Hinten-Lassen des Armes BEGÜNSTIGT (weniger ruhende Masse!). Das spricht dagegen!

Andererseits:

Wer immer so, und das konstant, schießt, ist natürlich in der Lage, dies zu kompensieren, indem er den Haltepunkt angleicht... So gesehen ist es wieder NUR eine Frage KONSTANTER Bewegungsabläufe. Der Rest ist "Ästhetik", oder schlicht gesagt "Geschmackssache"...

So sehe ich das...

Rabe

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Beitrag von Archiv » 10.10.2005, 13:45

Hallo zusammen,

mir hilft das Öffnen der Arme bei zwei Dingen:

1. wirklich nach hinten zu Lösen, also die Sehne nicht zu Seite zu bewegen beim Lösen

2. eine bessere Rückenspannung aufzubaun, weil sich der ganze Bewegungsablauf von Anfang an bereits darauf ausrichtet, den Arm nach dem Lösen hinten raus zu "werfen"

liebe Grüße benzi

Wurzelpeter
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Impulserhaltung

Beitrag von Wurzelpeter » 10.10.2005, 20:42

Original geschrieben von ravenheart

Der Bogen tendiert ja beim Abschuss zu einer Vorwärts-Bewegung; diese würde durch das Nach-Hinten-Lassen des Armes BEGÜNSTIGT (weniger ruhende Masse!). Das spricht dagegen!


Wie meinst du das? Beim Abschuss muss sich doch der Bogen (-Schwerpunkt) wegen des Rückstoßes nach HINTEN bewegen. Das mit der ruhenden Masse versteh ich auch nicht...
:-(

Rätselnde Grüße

Steffen
Der Grund f?r den Anlass war letztlich die Ursache f?r den Ausl?ser.

Brucky
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RE:

Beitrag von Brucky » 10.10.2005, 23:02

@ Wurzelpeter:
lass Deinen (ältesten, schlechtesten oder wasweisich) Bogen mal beim Abschuß mal in der offenen Hand, und Du weist was der "Chefrabe" ( :D ;-) :knuddel ) meint
Deswegen geben die Fitanesen Ihren Anfängern ja eine Bogenschlaufe für die ersten "Gehversuche"

Der Handschock (meine Bögen haben natürlich keinen:lalala ) reißt deinen Bogenarm nach vorne - was würde wohl bei offnener BH passieren?

viele Grüße, Brucky

(der sich den Anker schon bestellt hat ;-) )

Edit: mit der ruhenden Masse meint der Rabe den Schützen

das Prob. ist das die bewegte Masse des Bogens komplett nach vorne (richtiger wäre: schräg nach Oben, bzw. unten) geht

Ein Bogen hat schon einen Rückstoß, nur das eben dieser nach VORNE erfolgt
Das ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile

Aristoteles


Keine Ahnung..... aber davon jede Menge

Der Steppenreiter

Eine Vermututng

Beitrag von Der Steppenreiter » 11.10.2005, 11:28

Könnte es sein, dass mediteran schiessende Schützen es in jedem Fall vermeiden müssen dass der links auf der Bogenhand liegende Pfeil einen zusätzlichen Schlag nach links bekommt. Ein solcher Schlag könnte sich dann einstellen, wenn der Bogen sich plötzlich entspannt und dabei die Bogenhand abrupt nach hinten geschleudert wird.

Oder ist es so, dass die Entspannung des Bogens zuerst erfolgt der Pfeil das Gebilde Bogen bereits verlassen hat und erst dann der Arm nach hinten bewegt wird, weil wir so schnell garnicht sind, sein können? Es also für den Flug keine Bedeutung hat, sondern nur dem abgespreizten Finger besonders fein wirken wollender Teetrinker entspricht.

Weshalb benutzte dann aber Akbar Kahn diese Technik? Vielleicht weil er als Türke mit dem Daumen schoss und bei dieser Releasetechnik die Armbewegung auch wieder Sinn macht?

Niels

Beitrag von Niels » 11.10.2005, 12:22

Ich denke auch, dass der geöffmete Arm auf der Abbildung im Zusammenhang mit der Daumenringtechnik zu sehen ist. Aber das ist ja, wie wir inzwischen wissen, eine Sache für sich.

Ich denke beim mediterranen Ablass sollte der geöffnete Zugarm auch beim Schießen ohne festen Ankerpunkt kein Dogma sein.

Wie Rabe schon richtig anmerkte, hat es schließlich Nachteile, die sich meiner Meinung nach je nach Veranlagung des Schützen auch stärker auswirken können als der erstrebte Vorteil. Wer also ohnehin Schwierigkeiten mit dem ruhigen Lösen hat, sollte vielleicht nicht auch noch zusätzliche Bewegungen ins Spiel bringen. Da ist im Idealfall ein aufmerksamer Trainer sicher das Beste, der erkennen kann, wo die konkreten Probleme des Schützen liegen.

Diese Nachteile (Verringerung der ruhenden Masse, Gefahr des Verreissen sowohl des Ablasses als auch des Bogenarms nach links usw.) treten meiner Ansicht nach, dann besonders deutlich zutage, wenn die Armöffnung nicht als Folge von Rückenspannung und bewusstem Nach-Hinten-Lösen, sondern als gezielte, heftige Eigenbewegung ausgeführt wird.

Derzeit versuche ich also so zu trainieren, dass ich auf Rückenspannung und Nach-Hinten-Lösen verstärkt achte und da ist beim Schießen ohne festen Anker ein gewisses Nach-Hinten-Schleudern des Zugarms dann die logische Folge. Es ist quasi der Indikator für den Erfolg der vorausgegangenen Übung beim Ablass.

Es spricht meiner Ansicht nach aber auch nichts dagegen die Rückwartsbewegung des Zugarms dann irgendwann mal wieder bewußt abzustoppen, wenn der Ablass mit Rückenspannung usw. antrainiert ist. Denn ich sehe es mehr als Trainingshilfe. Diese Trainingshilfe - falls kein Bedarf mehr für sie besteht - wieder wegzulassen, vermindert dann nämlich die mit ihr zweifellos verbundenen anderen Gefahren (Verreissen etc.) gerade bei der schnellen Ausführung auf dem galoppierenden Pferd.

Aber wie gesagt, man kann es wieder weglassen, aber man kann es sicher auch beibehalten wenn es einem besser liegt und sich dieser Ablauf ohne nachteilige Auswirkungen eingeschliffen hat.

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Kyujin
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RE: Eine Vermututng

Beitrag von Kyujin » 11.10.2005, 12:52

Original geschrieben von Der Steppenreiter
Oder ist es so, dass die Entspannung des Bogens zuerst erfolgt der Pfeil das Gebilde Bogen bereits verlassen hat und erst dann der Arm nach hinten bewegt wird, weil wir so schnell garnicht sind, sein können?


Man kann schon: Ich empfehle wirklich, sich das folgende Video (Achtung Modemnutzer, 32 MB!) anzusehen. Hier wird auch der Zusammenhang zwischen der aktiven linken (=Bogen-) Hand und dem energischen Öffnen der rechten verdeutlicht (nur in der dynamischen Zusammenarbeit entsteht nämlich der spezifische Vorteil dieser Schiesstechnik):

Lösetechnik im Kyudo
Johannes Kolltveit Ibel
Oslo Kyūdō Kyōkai オスロ弓道協会

Der Steppenreiter

Beitrag von Der Steppenreiter » 11.10.2005, 13:36

Tolle Aufnahmen, Super Kyujin!

Mit Öffnen der Arme meinte ich zunächst:
Bild
Vor dem Öffnen

und..
Bild
nach dem Öffnen

Dein Film zeigt überdeutlich, dass sich zwar beim hanare die rechte Hand nach hinten bewegt und die Schulter zurück, indem sich der Körper sich aufrichtet. Aber es besteht keine Veranlassung mehr für den 9. Dan Träger seinen Arm nach hinten zu schleudern, wie es obiges Bild glaubhaft macht.

...dynamischen Zusammenarbeit entsteht nämlich der spezifische Vorteil..

Dass zwischen den beiden Händen eine Verbindung besteht, habe ich auch schon entdeckt. Sie zu koordinieren ist wirklich eine Kunst. Bisher meine ich, dass die Verbindung in der Schulterspannung zu suchen ist.

Der Impuls des sich entspannenden Bogens löst diese Öffnungsbewegung aus. Allerdings sind wir unvorbereitet immer zu langsam für diesen Vorgang und stören so den Pfeilflug.

Auf jeden Fall ist mir jetzt klar, bis wir den Arm nach hinten s.o. genommen haben, ist der Pfeil schon fast im Ziel. Es sind nur geringe Bewegungen der Hände und Schultern, die ihn noch beeinflussen könnten. Das macht das Video sehr deutlich.

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Markus
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Beitrag von Markus » 11.10.2005, 14:29

Das "nach-hinten-werfen" des rechten Arms im Kyudo ist kein aktiver Vorgang, den der Schütze selbst bewusst ausführt, sondern letztendlich die Konsequenz aus der Technik.
Der Zugpunkt im Kyudo liegt im Gegensatz zum westlichen Bogenschießen nicht in der rechten Hand, sondern im rechten Ellbogen.
Idealerweise ist das rechte Handgelenk ganz locker. Wird nun der Zugpunkt im Ellbogen angesetzt, streckt sich das (lockere) Handgelenk, weil die Sehne dagegenhält. Im Moment des Lösens besteht immer noch die Kraft im Ellbogen (und natürlich den Schultern) und der rechte Unterarm klappt im Ellbogengelenk nach hinten weg, weil die Gegenkraft der Sehne fehlt. Somit steht der Schütze nach dem Schuß mit ausgestreckten Armen da.
Aber noch mal, das ist das Resultat aus der Technik und nicht absichtlicher Wille der Schützen.

Beim mediterranen Ablass kann das meiner Ansicht nach kaum oder gar nicht funktionieren, weil die Finger der rechten Hand Sehne und Pfeil halten müssen und damit eine relativ große Spannung im Handgelenk besteht. Der Zugpunkt sitzt im Handgelenk und nicht im Ellbogen. Somit kann der Unterarm nicht einfach "wegklappen" sondern müsste aktiv nach hinten geworfen werden. Und dann besteht m.E. die große Gefahr, zu verreissen.

Markus
Arroganz ist der Tod der Kunst.

Wurzelpeter
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Krümelkacker

Beitrag von Wurzelpeter » 11.10.2005, 17:18

Original geschrieben von Brucky

@ Wurzelpeter:
lass Deinen (ältesten, schlechtesten oder wasweisich) Bogen mal beim Abschuß mal in der offenen Hand, und Du weist was der "Chefrabe" ( :D ;-) :knuddel ) meint
Deswegen geben die Fitanesen Ihren Anfängern ja eine Bogenschlaufe für die ersten "Gehversuche"

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Ein Bogen hat schon einen Rückstoß, nur das eben dieser nach VORNE erfolgt

viele Grüße, Brucky
Naja, da muss ich in einigen Punkten doch mal widersprechen. Dass beispielsweise ein Rückstoß nicht nach vorn geht, sagt ja irgendwie schon der Name. Ich hatte schon vermutet, dass Rabe den Handschock meint. Aber er hat sich ungenau ausgedrückt als er "beim Abschuss" schrieb. Solange der Pfeil noch im Bogen ist, gibt es wegen der Impulserhaltung einen Rückstoß. Erst wenn er die Sehne verlassen hat müssen die noch in Bewegung befindlichen Wurfarme gebremst werden. Und die ist natürlich nach vorn gerichtet.

Kurz: Wir sind uns alle einig und meinen eh das gleiche.
Bin halt ein Krümelkacker... ;-)

Wieder ein Sieg für die wissenschaftliche Korrektheit! :D

Steffen
Der Grund f?r den Anlass war letztlich die Ursache f?r den Ausl?ser.

Der Steppenreiter

Beitrag von Der Steppenreiter » 11.10.2005, 17:49

Ich liebe Krümelknacker, denn sie helfen Offensichtliches klarzumachen:

Solange der Pfeil noch im Bogen ist, gibt es wegen der Impulserhaltung einen Rückstoß. Erst wenn er die Sehne verlassen hat müssen die noch in Bewegung befindlichen Wurfarme gebremst werden. Und die ist natürlich nach vorn gerichtet.


Das bedeutet aber, dass es ein Verreißen mit der Bogenhand nicht geben kann. Nur eben ein unsauberes Lösen der Sehne.

Wurzelpeter
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jupp

Beitrag von Wurzelpeter » 11.10.2005, 18:01

Original geschrieben von Der Steppenreiter

Das bedeutet aber, dass es ein Verreißen mit der Bogenhand nicht geben kann. Nur eben ein unsauberes Lösen der Sehne.


Da kann ich eigentlich nur zustimmen. Für die einzige Möglichkeit des Verreißens mit der Bogenhand müsste man verdammt schnell sein. Wie lange dauert es, bis der Pfeil aus dem Bogen raus ist?

*rechne*

...

So, da wär ich wieder!

Für einen 40#-Bogen mit unrealistischen 35"-Pfeilen von 25 Gramm komme ich auf eine viertel Sekunde.
Mit 'nem anderen Rechenweg - der mir persönlich sinnvoller erscheint - wär's gerade mal 'ne hundertstel Sekunde.
So, wieder was für den Weltfrieden getan! :D

Steffen
Der Grund f?r den Anlass war letztlich die Ursache f?r den Ausl?ser.

Der Steppenreiter

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Beitrag von Der Steppenreiter » 11.10.2005, 18:20

Wenn es demzufolge sachlich vollkommen unerheblich ist, ob man nun den Arm nach hinten nimmt oder nicht, dann könnte diese Tätigkeit, einerseits l'Art pour l'Art sein (der abgespreizte Finger feiner Teetrinker...) oder etwas ganz anderem dienen.

Mir kommt so zum Beispiel in den Sinn, einen neuen Pfeil aus dem Hüftköcher herausfischen,

oder das Geleichgewicht auf dem Pferd wiederfinden,

oder die Freiheit fühlen mit ausgebreiteten Armen dazustehen,

Oder sich mental auf einen neuen Schuss vorbereiten,

Oder, was könnte der Grund sein, dass die Moghul offensichtlich so schossen?

Wurzelpeter
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Beitrag von Wurzelpeter » 11.10.2005, 18:30

original geschrieben von Steppenreiter

...die Freiheit fühlen mit ausgebreiteten Armen dazustehen
Du meinst wie bei Titanic? :D

Also ich wäre für die Erklärung mit der Kyudo-Technik. Die scheint mir am sinnvollsten. Ansonsten bliebe noch die Ästhetik - obwohl ich das nu nicht soooo schön finde.

Naja, vielleicht wirft der ja auch nur einen Stein...

Steffen 8-)
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