So...
http://www.youtube.com/watch?v=8fKcqpxUmS0
Holzwippe als Spannhilfe bei Armbrusten
- KeinesWeibesKnecht
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Re: Holzwippe als Spannhilfe bei Armbrusten
So,
vor ein paar Tagen habe ich die erste "Holzwippe" halbwegs erfolgreich fertiggestellt.
Das gute Stück ist aus Roteiche. Der lange Hebel ist gut 70 cm, der Schenkel ungefähr 29 cm lang. Die Bohrung für die Achse Hebel/Schenkel liegt auf dem Hebel bei ungefähr 24 cm, der Haken vorne, mit dem man die Holzwippe zum Spannen in den Ring an der Front der Armbrust einhängt, ist ungefähr 10 cm lang. Zu den Größen- und Hebelverhälntnissen später. Der Ablauf des Spannens kann vorne im Thema auf dem Video von Ritter Jos, bei dem man bei genauem Hinsehen viel zur Funktionsweise sehen kann, beobachtet werden. Ein Großteil der Aufrufe auf Youtube geht auf mein Konto...
Zuerst Bilder:
Das Ermitteln der Maße und des Punktes für die Achse Hebel/Schenkel war ein ziemliches Gefummel. Wie man bei Ritter Jos sieht, führt die kreisbogenförmige Bewegung des Hebels (das Runterdrücken) beim Schenkel zu einer seitlichen Vorschubbewegung, wodurch die Sehne zur Nuss geschoben wird. Folgende Überlegungen sind bei der Konstruktion nun zu berücksichtigen:
1. Der Schenkel, das untere Stück des Hebels (vom Haken bis zur Achse) und der Armbrustschaft zwischen Sehne und Spitze der Armbrust bilden gewissermaßem ein Dreieck.
2. Bei der Spannbewegung wird der Hebel in einem Kreisbogen zur Armbrust niedergedrückt. Dadurch wird der oben bei der Achse Hebel/Schenkel liegende Winkel γ größer (er wird "flachgedrückt")), wodurch die untenliegende Seite c zwischen der Armbrustspitze und der sich nun spannenden Sehne länger wird (das bewirkt den Vorschub der Sehne).
3. Der maximale Vorschub ist logischerweise erreicht, wenn der Hebel ganz flachgedrückt ist und der Winkel γ sich 180° nähert.
4. Die Hebelverhältnisse werden für den Spannzweck umso günstiger, je weiter der Hebel runtergedrückt wird. Denn im Zuge dieser Bewegung wird der unter Ziffer 2. beschriebene Vorschub im Verhältnis zur Hebelbewegung im Kreisbogen immer geringer. Mit anderen Worten: je weiter die Kreisbogenbewegung und je flachgedrückter der Winkel γ wird, umso geringer wird der Vorschub. Hier habe ich ein wenig mit Tangens, Sinus und Pythagoras gerechnet: bei meinen Maßen haben am Anfang 15° oder ungefähr 18 cm Hebelweg oben einen Sehnenvorschub von 6,3 cm zur Folge, die letzten 18 cm Hebelweg schieben die Sehne hingegen nur noch rund 1,3 cm vor. Oder noch anders: der Hebel, an dem man zieht, wird immer länger, umso größer das zu überwindende Zuggewicht des sich spannenden Bogens wird. Das führt zur nächsten Erkenntnis:
5. Die Konstruktion ist so auszulegen, dass die Sehne die Nuss erst erreicht, wenn der Spannhebel möglichst ganz niedergedrückt ist, weil nur dann im Zeitpunkt der größten Bogenspannung auch der größte Hebel zur Verfügung steht und kein Hebelpotential verschenkt wird (die 150 lbs des Armbrustbogens hier halten ganz schön dagegen...).
6. Damit weiß man, dass die Länge des Schenkels und die Länge des unteren Teils des Hebel (diese ändern sich im Laufe des Spannvorgangs ja beide nicht) zusammen so lang sein müssen, wie die Entfernung zwischen Nuss und der vorderen Hakenaufnahme an der Armbrust beträgt (vereinfacht gesagt: die müssen zusammen ungefähr so lange sein, wie der maximale Bogenauszug ist). Denn dann erreicht beim vollständig flachgestreckten Hebel die Sehne gerade so die Nuss. Dazu wieder Bilder:
7. Nun muss man aber weiter überlegen, wie man die soeben ermittelte Gesamtlänge auf den Schenkel und den Hebel verteilt (genauer: wie lange der Hebel sein wo die Bohrung für die Achse Hebel/Schenkel auf dem Hebel liegen muss).
8. Bei der praktischen Übung bemerkt man an dieser Stelle, dass es ungünstig ist, wenn der Schenkel am Anfang (bei Sehne auf Standhöhe) zu steil steht, da dann die Sehne bei der Kreisbewegung des Hebels zunächst eher nach unten in die Säule als seitlich zur Nuss geschoben wird. Günstiger ist es daher, wenn der Schenkel von Anfang an möglichst lang und der Winkel γ möglichst groß ist, weil sich dann umso eher ein seitliche Schiebebewegung ergibt. So ist das ja auch auf dem Video von Ritter Jos zu sehen, wo der Schenkel von Anfang an recht flach liegt und die Bohrung für die Achse ziemlich nah am unteren Hebelende liegt.
9. Wie man auf dem Video von Ritter Jos aber auch sehen kann, verwendet er dort eine Armbrust, bei der der Auszug des gespannten Bogens nur etwas mehr als doppelt so lang wie die Standhöhe ist. Dort muss die Sehne also nicht besonders viel bewegt werden. Ich habe bisher nur mit Fiberglasbögen "Jaguar" gearbeitet, die eine Standhöhe von 7 cm und einen knapp 5 Mal so langen Auszug von 34 cm haben. Hier muss viel weiter geschoben werden. Das setzt Grenzen bei der Möglichkeit, den Schenkel von Anfang an ziemlich flach zu halten, weil man dann ja logischerweise nicht viel Vorschub erreichen kann. Denn umgekehrt ist es wenig praktikabel, wenn der Winkel zwischen Hebel und Armbrust im Ausgangspunkt über 90° liegt.
Viele Worte, die theoretisch und verschwurbelt klingen mögen. Wer selbst eine solche Wippe baut, wird aber sicher alsbald begreifen, was es damit auf sich hat. Die Wippe ist ein an sich einfaches Bauteil, das - wenn man erstmal die Maße hat - ziemlich schnell gebaut ist. Vorher ist aber Denken, Rechnen (und Zeichen) sowie ganz viel Messen angesagt.
Ach ja, das Spannen geht nun ziemlich schnell und einfach. Die nächste Wippe werde ich noch etwas filigraner bauen. Und der Haken vorne sollte beweglich sein, denn seine Lage verändert sich im Laufe der Spannbewegung (siehe wieder Video Ritter Jos).
Spannende Grüße
Christian
vor ein paar Tagen habe ich die erste "Holzwippe" halbwegs erfolgreich fertiggestellt.
Das gute Stück ist aus Roteiche. Der lange Hebel ist gut 70 cm, der Schenkel ungefähr 29 cm lang. Die Bohrung für die Achse Hebel/Schenkel liegt auf dem Hebel bei ungefähr 24 cm, der Haken vorne, mit dem man die Holzwippe zum Spannen in den Ring an der Front der Armbrust einhängt, ist ungefähr 10 cm lang. Zu den Größen- und Hebelverhälntnissen später. Der Ablauf des Spannens kann vorne im Thema auf dem Video von Ritter Jos, bei dem man bei genauem Hinsehen viel zur Funktionsweise sehen kann, beobachtet werden. Ein Großteil der Aufrufe auf Youtube geht auf mein Konto...
Zuerst Bilder:
Das Ermitteln der Maße und des Punktes für die Achse Hebel/Schenkel war ein ziemliches Gefummel. Wie man bei Ritter Jos sieht, führt die kreisbogenförmige Bewegung des Hebels (das Runterdrücken) beim Schenkel zu einer seitlichen Vorschubbewegung, wodurch die Sehne zur Nuss geschoben wird. Folgende Überlegungen sind bei der Konstruktion nun zu berücksichtigen:
1. Der Schenkel, das untere Stück des Hebels (vom Haken bis zur Achse) und der Armbrustschaft zwischen Sehne und Spitze der Armbrust bilden gewissermaßem ein Dreieck.
2. Bei der Spannbewegung wird der Hebel in einem Kreisbogen zur Armbrust niedergedrückt. Dadurch wird der oben bei der Achse Hebel/Schenkel liegende Winkel γ größer (er wird "flachgedrückt")), wodurch die untenliegende Seite c zwischen der Armbrustspitze und der sich nun spannenden Sehne länger wird (das bewirkt den Vorschub der Sehne).
3. Der maximale Vorschub ist logischerweise erreicht, wenn der Hebel ganz flachgedrückt ist und der Winkel γ sich 180° nähert.
4. Die Hebelverhältnisse werden für den Spannzweck umso günstiger, je weiter der Hebel runtergedrückt wird. Denn im Zuge dieser Bewegung wird der unter Ziffer 2. beschriebene Vorschub im Verhältnis zur Hebelbewegung im Kreisbogen immer geringer. Mit anderen Worten: je weiter die Kreisbogenbewegung und je flachgedrückter der Winkel γ wird, umso geringer wird der Vorschub. Hier habe ich ein wenig mit Tangens, Sinus und Pythagoras gerechnet: bei meinen Maßen haben am Anfang 15° oder ungefähr 18 cm Hebelweg oben einen Sehnenvorschub von 6,3 cm zur Folge, die letzten 18 cm Hebelweg schieben die Sehne hingegen nur noch rund 1,3 cm vor. Oder noch anders: der Hebel, an dem man zieht, wird immer länger, umso größer das zu überwindende Zuggewicht des sich spannenden Bogens wird. Das führt zur nächsten Erkenntnis:
5. Die Konstruktion ist so auszulegen, dass die Sehne die Nuss erst erreicht, wenn der Spannhebel möglichst ganz niedergedrückt ist, weil nur dann im Zeitpunkt der größten Bogenspannung auch der größte Hebel zur Verfügung steht und kein Hebelpotential verschenkt wird (die 150 lbs des Armbrustbogens hier halten ganz schön dagegen...).
6. Damit weiß man, dass die Länge des Schenkels und die Länge des unteren Teils des Hebel (diese ändern sich im Laufe des Spannvorgangs ja beide nicht) zusammen so lang sein müssen, wie die Entfernung zwischen Nuss und der vorderen Hakenaufnahme an der Armbrust beträgt (vereinfacht gesagt: die müssen zusammen ungefähr so lange sein, wie der maximale Bogenauszug ist). Denn dann erreicht beim vollständig flachgestreckten Hebel die Sehne gerade so die Nuss. Dazu wieder Bilder:
7. Nun muss man aber weiter überlegen, wie man die soeben ermittelte Gesamtlänge auf den Schenkel und den Hebel verteilt (genauer: wie lange der Hebel sein wo die Bohrung für die Achse Hebel/Schenkel auf dem Hebel liegen muss).
8. Bei der praktischen Übung bemerkt man an dieser Stelle, dass es ungünstig ist, wenn der Schenkel am Anfang (bei Sehne auf Standhöhe) zu steil steht, da dann die Sehne bei der Kreisbewegung des Hebels zunächst eher nach unten in die Säule als seitlich zur Nuss geschoben wird. Günstiger ist es daher, wenn der Schenkel von Anfang an möglichst lang und der Winkel γ möglichst groß ist, weil sich dann umso eher ein seitliche Schiebebewegung ergibt. So ist das ja auch auf dem Video von Ritter Jos zu sehen, wo der Schenkel von Anfang an recht flach liegt und die Bohrung für die Achse ziemlich nah am unteren Hebelende liegt.
9. Wie man auf dem Video von Ritter Jos aber auch sehen kann, verwendet er dort eine Armbrust, bei der der Auszug des gespannten Bogens nur etwas mehr als doppelt so lang wie die Standhöhe ist. Dort muss die Sehne also nicht besonders viel bewegt werden. Ich habe bisher nur mit Fiberglasbögen "Jaguar" gearbeitet, die eine Standhöhe von 7 cm und einen knapp 5 Mal so langen Auszug von 34 cm haben. Hier muss viel weiter geschoben werden. Das setzt Grenzen bei der Möglichkeit, den Schenkel von Anfang an ziemlich flach zu halten, weil man dann ja logischerweise nicht viel Vorschub erreichen kann. Denn umgekehrt ist es wenig praktikabel, wenn der Winkel zwischen Hebel und Armbrust im Ausgangspunkt über 90° liegt.
Viele Worte, die theoretisch und verschwurbelt klingen mögen. Wer selbst eine solche Wippe baut, wird aber sicher alsbald begreifen, was es damit auf sich hat. Die Wippe ist ein an sich einfaches Bauteil, das - wenn man erstmal die Maße hat - ziemlich schnell gebaut ist. Vorher ist aber Denken, Rechnen (und Zeichen) sowie ganz viel Messen angesagt.
Ach ja, das Spannen geht nun ziemlich schnell und einfach. Die nächste Wippe werde ich noch etwas filigraner bauen. Und der Haken vorne sollte beweglich sein, denn seine Lage verändert sich im Laufe der Spannbewegung (siehe wieder Video Ritter Jos).
Spannende Grüße
Christian
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Re: Holzwippe als Spannhilfe bei Armbrusten
Noch ein Nachtrag zu den Bezeichnungen der Bauteile, ist ja schön, wenn man nicht aneinander vorbeiredet. Ich habe mir selbst nachträglich zu Weihnachten das Buch "Die Kunst der Armbrustmacher in Dresden" von Holger Richter geschenkt. Dort finden sich ein paar solcher Wippen mit Beschreibungen.
Was ich oben als "langen Hebel" bezeichnet habe, wird in der Fachsprache "Druckstab" genannt. Was ich als "Schenkel" bezeichnet habe (das bewegliche kleine Teil), heißt korrekt wohl "Stemmholz". Der "Ring an der Front der Armbrust" zum Einhängen der Holzwippe heißt schließlich "Spannring".
Christian
Was ich oben als "langen Hebel" bezeichnet habe, wird in der Fachsprache "Druckstab" genannt. Was ich als "Schenkel" bezeichnet habe (das bewegliche kleine Teil), heißt korrekt wohl "Stemmholz". Der "Ring an der Front der Armbrust" zum Einhängen der Holzwippe heißt schließlich "Spannring".
Christian
Re: Holzwippe als Spannhilfe bei Armbrusten
Schöne Wippe, gut fotografiert und gut und ausführlich erklärt. Hast warscheinlich keinen Aspekt ausgelassen, den man bei der Konstruktion einer Wippe berücksichtigen muss.
Die von dir gewählten Bezeichnungen waren so schlüssig, daß sie denen aus dem Buch, die mir auch nicht geläufig waren, eigentlich in nichts nachstanden.
Gruß und guten Rutsch, Martin
Die von dir gewählten Bezeichnungen waren so schlüssig, daß sie denen aus dem Buch, die mir auch nicht geläufig waren, eigentlich in nichts nachstanden.
Gruß und guten Rutsch, Martin
- Ritter Jos
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Re: Holzwippe als Spannhilfe bei Armbrusten
Endlich mal was einfaches was jeder braucht aber keiner hat. Um wie viel reduzierst du die Zugkraft?
Kann der vordere Haken nicht etwas kürzer? Der Winkel würde sich verkürzen und damit auch leichter zu spannen sein.
Jos
Kann der vordere Haken nicht etwas kürzer? Der Winkel würde sich verkürzen und damit auch leichter zu spannen sein.
Jos