N690, selber härten? Alternative zum 1.2842?

Hier kommt alles rein, was in irgendeiner Form mit der Herstellung von Messern zu tun hat.
Antworten
Benutzeravatar
Friese
Full Member
Full Member
Beiträge: 167
Registriert: 11.03.2008, 13:27

N690, selber härten? Alternative zum 1.2842?

Beitrag von Friese » 11.08.2017, 08:58

Moin liebe Messsermachergemeinde,

kann man den N690 noch mit Hausmitteln (Gasflamme/-esse, Öl) härten oder muss der zum Härteservice?

Ist das generell eine (hochwertigere) Alternative zum 1.2842? Anwendung: Outdoormesser (Gebrauchsmesser), evtl. Küchenmesser.
Der 1.2842 geht ja bis max. 62 HRC, der N690 "nur" bis 60 HRC. Das ist ja aber auch nur ein Kriterium.

Schanz empfiehlt beim N690 "Tiefkühlbehandlung ".

Ich würde mich über Eure Erfahrungen/Meinungen freuen ;D

Gruß,
Michael
"Because the quitter never wins", Dropkick Murphys, The Warrior's Code

Benutzeravatar
JoGreis
Jr. Member
Jr. Member
Beiträge: 61
Registriert: 15.07.2015, 08:08

Re: N690, selber härten? Alternative zum 1.2842?

Beitrag von JoGreis » 11.08.2017, 11:08

Ich verarbeite N690 gerne und oft. Zur Wärmebehandlung gebe ich meine Klingen immer an den Härteservice von Steigerwald.
Es geht dabei nicht nur um die Tiefkühlung. Ich denke, damit kann man noch die letzten Prozent Härte aus dem Material quetschen.
Auch der "normale" Härtevorgang spielt sich schon in Temperaturregionen ab, die du mit einer normalen Esse nicht sauber erreichen kannst.
Zudem reagiert N690 sehr empfindlich auf Schwankungen der Temperatur. Will sagen, es macht bereits einen Unterschied, ob du 5 Grad über oder unter das angegebenen Temperatur bist. Sowas geht dann wirklich nur noch mit einem Ofen, und der lohnt sich meiner Meinung nach nicht für mich.

Angenehmer Nebeneffekt der Profis:
Hier wird unter Sauerstoffausschluss gehärtet. Will sagen, die Klingen, die ich zurück bekomme, sind leicht grau, sonst nichts.
Einmal mit 400er Papier drüber, alles blank.
Ich hatte schon mal eine Klinge aus einer Feld, Wald und Wiesen Härteaktion (angeblich von einem Schied).
Da konnte man 5 mm Zunder runterschleifen. Wie viel Kohlenstoff da noch in der Klinge war, will ich gar nicht wissen.

Viele Grüße
Jo

P.S. Ja, N690 ist eine hochwertige Alternative zu 1.2842.
Der Zeckezüchter aus dem Westerwald

Benutzeravatar
Friese
Full Member
Full Member
Beiträge: 167
Registriert: 11.03.2008, 13:27

Re: N690, selber härten? Alternative zum 1.2842?

Beitrag von Friese » 11.08.2017, 14:02

Danke Jo, da werde ich dann noch mit dem 1.2842 etwas üben und mir den N690 für später aufheben.

Gruß,
Michael
"Because the quitter never wins", Dropkick Murphys, The Warrior's Code

Benutzeravatar
Holzbieger
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 1077
Registriert: 03.08.2005, 12:58

Re: N690, selber härten? Alternative zum 1.2842?

Beitrag von Holzbieger » 11.08.2017, 14:40

Hallo Michael,

Jo hat ja schon alles gesagt. Aber ich glaube dass Dir das Üben mit 1.2842 nicht bringen wird.

1.2842 ist ein mittellegierter Kaltarbeitsstahl der imho recht einfach mit eigenen Mitteln zu härten ist.
Härtetemperatur: 780 - 820 °C, abschrecken in Öl, anlassen je nach Zielhärte 150 - 200°C

N690 ist ein hochlegierter Stahl der wie von Jo erwähnt nicht einfach zu härten ist, schon gar nicht an einer Esse. Du brauchst zwingend einen Ofen.
Aufwärmen in zwei Rampen 600°C dann auf 810°C, halten.
Härtetemperatur 1030 - 1080°C, halten, Literatur sagt zw. 10 und 20 Minuten, abschrecken in Öl, anlassen je nach Zielhärte 150 - 200°C.

Wenn Du eine Ofen hast bei dem Du die Aufwärmrampen und Haltezeiten fahren kannst und der die Härtetemeratur auch erreicht, dann kannst Du das wohl selbst machen. Aber da bringt Dir üben mit 1.2842 nichts weil das ein anderer Stahl ist. Du musst dann mit N690 üben. Verzunderung kannst Du mit Härtefolie in den Griff bekommen das erhöht dann aber auch wieder Deine Kosten. Über Tiefkühlen rede ich jetzt mal nicht.
In der Formel 1 fahren sie im Training auch nicht mit einem Golf um dann im Rennen auf die F1 Autos umzusteigen.

Wenn Du keinen Ofen hast dann folge Jo's Rat und sende die Klingen zu einem Messermacher der Härteservice anbietet (z.B. Steigerwald, Wolf Borger, Jürgen Schanz). Meines Wissens härten Borger und Schanz die hochlegierten Klingen auch nicht selbst, arbeiten aber mit Härtereien zusammen die diese Stähle und das Härten von Klingen beherrschen. Das mache ich auch so und fahre damit gut.

Noch einen Kommentar zur Endhärte. Es ist schon toll wenn ein Stahl bis 62 HRC oder höher härtbar ist. Nur was bringt das in der praktischen Anwendung, eher wenig. Ich gehe selten über 59/60 HRC. Bei Messern für mich gehe ich durchaus mal höher aber ich kann damit umgehen. Ich habe lieber eine Klinge die sich verbiegt als bricht, die u.U. etwas schneller stumpf wird die ich dann aber wieder leicht nachschärfen kann.

Gruß
Roland
- Es ist besser ein gute Entscheidung rechtzeitig zu treffen als eine sehr gute zu spät.
- Ancora Imparo

Benutzeravatar
Snake-Jo
Global Moderator
Global Moderator
Beiträge: 8656
Registriert: 10.10.2003, 11:05

Re: N690, selber härten? Alternative zum 1.2842?

Beitrag von Snake-Jo » 11.08.2017, 18:45

Holzbieger hat geschrieben:Noch einen Kommentar zur Endhärte. Es ist schon toll wenn ein Stahl bis 62 HRC oder höher härtbar ist. Nur was bringt das in der praktischen Anwendung, eher wenig. Ich gehe selten über 59/60 HRC. Bei Messern für mich gehe ich durchaus mal höher aber ich kann damit umgehen. Ich habe lieber eine Klinge die sich verbiegt als bricht, die u.U. etwas schneller stumpf wird die ich dann aber wieder leicht nachschärfen kann.


Kommt auf den Zweck der Anwendung an. Für ein Outdoormesser sehe ich das auch eher so, aber bei z.B. Schnitzmessern, Lederschärfmessern, Stechbeiteln und Drechselstählen sollte die Härte und damit die Standfestigkeit der Klinge schon besser sein. Ich will ja nicht ewig nachschleifen.
Woraus besteht eigentlich der blaue Papierstahl der japanischen Hocho?

Benutzeravatar
Haitha
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 3647
Registriert: 14.09.2010, 08:31

Re: N690, selber härten? Alternative zum 1.2842?

Beitrag von Haitha » 11.08.2017, 18:53

Soweit ich weiß, ein legierter C-Stahl.
Fall down seven times, stand up eight.

Carve a little wood, pull a few strings and sometimes magic happens - Gepetto

Benutzeravatar
shokunin
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 2188
Registriert: 22.02.2011, 16:13

Re: N690, selber härten? Alternative zum 1.2842?

Beitrag von shokunin » 11.08.2017, 19:15

Der Aogami hat viel C und W drin (beides über 1%).
Dadurch bilden sich extrem harte Karbide, was ihn sehr verschleißfest macht.

Gruss,
Mark
"I don't believe it!!" (Victor Meldrew)

Benutzeravatar
Holzbieger
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 1077
Registriert: 03.08.2005, 12:58

Re: N690, selber härten? Alternative zum 1.2842?

Beitrag von Holzbieger » 11.08.2017, 19:44

Snake-Jo hat geschrieben:Kommt auf den Zweck der Anwendung an. Für ein Outdoormesser sehe ich das auch eher so, aber bei z.B. Schnitzmessern, Lederschärfmessern, Stechbeiteln und Drechselstählen sollte die Härte und damit die Standfestigkeit der Klinge schon besser sein. Ich will ja nicht ewig nachschleifen.
Woraus besteht eigentlich der blaue Papierstahl der japanischen Hocho?


Stimmt da habe ich mich sehr ungenau ausgedrückt, liegt wohl daran dass ich nur selten und dann für den Eigengebrauch Schnitzmesser o.ä. mache.


Blauer Papierstahl: C 1,1- 1,2%, Si 0,1 - 0,2%, Mn 0,2 - 0,3%, Cr 0,1 - 0,5%, W 1 -1,5%, P unter 0,025%, S unter 0,004%
es gibt unterschiedliche Quellen die beim Chrom etwas abweichen.

Gruß

Roland
- Es ist besser ein gute Entscheidung rechtzeitig zu treffen als eine sehr gute zu spät.
- Ancora Imparo

Benutzeravatar
Snake-Jo
Global Moderator
Global Moderator
Beiträge: 8656
Registriert: 10.10.2003, 11:05

Re: N690, selber härten? Alternative zum 1.2842?

Beitrag von Snake-Jo » 12.08.2017, 14:48

@Holzbieger: Danke für die Angabe zur detailierten Zusammensetzung des Papierstahls. Kannst du mir noch die Eigenschaften nennen? Nach meiner Info ist der blaue Papierstahl sehr hart (Rockwell?), aber auch spröde, bricht also leicht aus.

Benutzeravatar
Holzbieger
Hero Member
Hero Member
Beiträge: 1077
Registriert: 03.08.2005, 12:58

Re: N690, selber härten? Alternative zum 1.2842?

Beitrag von Holzbieger » 13.08.2017, 12:29

@ Snake-Jo

Erst mal zu Anfang ich habe blauen Papierstahl selbst so noch nicht verwendet.

DIe beste Quelle ist wohl immer der Hersteller

https://www.hitachi-metals.co.jp/e/yss/search/aogami1.html

Hier die Anwendung: Hochwertige Hobeleisen, Rasiermesser, Küchenmesser, andere Scheidwerkzeuge. Das findet Du im wesentlichen in der Literatur/I-Net
Alles weitere muss man dann wohl über die Legierungselemente ableiten (und meine Vorlesung in Werkstoffkunde liegt jetzt auch schon 35 Jahre zurück)
Mangan erhöht die Festigkeit und den Verschleißwiderstand, Chrom erhöht die Durchhärtbarkeit und ist ein Carbidbildner, Wolfram ist ebenfalls ein Carbidbildner. Beide erhöhen die Zugefestigkeit,
Blauer Papierstahl ist also wohl zäher und verschleißfester als ein reiner C-Stahl.

Wie weit Du einen Stahl härtest oder härten lässt liegt wohl an Dir. Hitachi gibt nur an höher als 60 HRC, Dick gibt 62 HRC an. Die Ansprunghärte, also die Härte direkt nach dem Abschrecken ist ja nicht die Endhärte nach dem Anlassen. Diese kannst Du selbst einstellen. Ich habe allerdings nirgendwo ein Anlassdiagram von blauem Papierstahl gefunden.

Guß

Roland
- Es ist besser ein gute Entscheidung rechtzeitig zu treffen als eine sehr gute zu spät.
- Ancora Imparo

Antworten

Zurück zu „Messer“