Instinktives Bogenschiessen....

Bogenschiessen in der Praxis, mediterran, Daumentechnik u.a.
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Ravenheart
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RE: meine ersten Treffer

Beitrag von Ravenheart »

Original geschrieben von Tiga
Leidet die Intuition erstmal unter der Technik und kommt dann nach und nach wieder?
Na klar, zwangsweise! Und zwar ZWANGS - Weise, hihi! Wenn man eine bestimmte Technik einschleifen will, muss man sich zu etwas zwingen, was man gefühlsmäßig anders gemacht hätte. So lange, bis einem die geänderte Technik selbstverständlich geworden ist, schießt man eben bewußt, und nicht intuitiv!

Aber keine Angst! So bald Du über die neue Technik nicht mehr nachdenken musst, ist im Hirn wieder Raum für die Intuition! Und es lohnt sich!

Rabe
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Beitrag von Tiga »

Klar lohnt es sich - schon alleine, weil mir jetzt nicht mehr die Schulter wehtut und der Pfeil nicht dauernd vom Bogen fällt ...
:)

Gruss
Susanne
Pfeile wollen Katjes.
- Traditioneller Gruss aller mit Shewolf trainierenden Bogensch?tzinnen. -
Azmodhan
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Beitrag von Azmodhan »

@ Schattenwolf...:

kann Dir nur beipflichten. Werkzeuge benutzt der Mensch schon seit er auf zwei Beinen steht, wenn nicht sogar länger!
Der Bogen war mit die früheste Maschine... wir können ja auch ganz instinktiv einen Stein beliebiger Masse auf ein Ziel werfen und haben meist "Glück".
Glück bezeichnet damit das Unvermögen, das uns im Laufe der Zeit dieses Gefühl mehr oder weniger verloren gegangen ist.
Instinkt steckt noch in jedem von uns.

Mich nerven ehrlich gesagt diese fernöstlichen, extremen Ansätze: einmal beruht alles auf der vollkommenen Harmonie zwischen Geist und Körper, andererseits beruft sich alles auf eingehämmerten und auf langem Wege antrainiertem Automatismus. (Philosophischer und Materialistischer Weg zur Perfektion).

Niemand, nicht der beste Kyudo-Ka kann seinem Sport die gewisse Spiritualität absprechen die in früheren Zeiten und auch heute noch mitschwingt.
Natürlich kann niemand den technischen Aspekt wegdiskutieren, aber trotz allem bleibt am Ende die totale Konzentration, das Fokussieren, das "Kopf nicht Kopf"-Prinzip (mir fällt der japanische Ausdruck gerade nicht ein...)übrig.
Der Moment, indem man weiß zu treffen. Und das ist trotz aller Technik, Perfektion und jahrelanger Übung eine spirituelle Sache.

(Und das mir, als nicht-spiritueller Mensch!)

All das Training beim Bogenschiessen dient nicht einem besseren Ergebnis beim Schiessen, sondern einem besseren Verständnis für seinen Geist.

Und daher verdient jeder Hochachtung der diesen Weg beschreitet, nicht weil er es tut sondern weil er versucht sich selbst näher zu kommen.


Gruß, Azmo!
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Mongol
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Beitrag von Mongol »

@Azmodhan

Ich muß dir leider widersprechen: das Werfen eines Steins oder Schießen eines Pfeils hat nix mit Instink sondern vielmehr mit Koordination und Intuition zu tun!!

Wie schon mehrfach gesagt halte ich den Begriff des intuitiven Bogenschießens für wesentlich besser als den des "instinktiven" Bogenschießens. Instinkte sind genetisch bedingt also angeboren und können nicht wirklich trainiert werden. Intuition und Koordination hingegen schon. Intuition wird - denk ich mal - von vielen mit Instinkt gleichgesetzt, weil es eine unbewußte Befähigung ist.

Inwieweit das ein jeder spiritualisieren möchte, ist seine Sache (gell Schatti ;-) ) Auch ist klar, daß Dinge wie Bogenschießen, die ein hohes Maß an fokusierter Konzentration bedürfen, immer einen mitschwingenden meditativen Aspekt haben, da die Konzentrationstechniken ähnlich sind.
Ein kluger Mann bemerkt alles.
Ein dummer Mann macht über alles eine Bemerkung
(H. Heine)
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Kyujin
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RE: RE: Instinkte, Wege und Ziele

Beitrag von Kyujin »

Original geschrieben von Schattenwolf
bin mir da nicht so sicher ob sich in den hunderten oder gar tausenden von jahren nicht ein Bogenschießinstinkt entwickelt hat ;-)
wssen tut das freilich keiner aber möglich wär es !
Für das Bogenschiessen darfst du ruhig in die Grössenordnng von zehntausenden von Jahren gehen. Aber das ist viel zu kurz für die Entwicklung von Instinkten oder irgendwelche andere wesentliche genetische Veränderungen. Mal ganz abgesehen davon, dass sich die Entwicklung der Spezies Mensch eben durch den Abbau von spezifischem instinktgeleitetem Verhalten hin zum Universalisten und "Prothesengott" (kulturell tradierte Werkzeugentwicklung und -gebrauch) auszeichnet. Der Mensch ist "von Natur aus" ein Kulturwesen. Und mal so nebenbei: Wer die Existenz von irgendetwas (z.B. eines Instinktes) behauptet, hat dann auch die Beweispflicht. Essentia non sunt multiplicanda praeter necessitatem.
Original geschrieben von Schattenwolf
Das seh ich anders.....sicher beinhaltet das "DO" volle konzentration auf jeweils eine Sache und natürlichen sind diese Handlungen zielgerichtet....aber wo kommen wir hin wenn wir dabei die Wunder der Natur vergessen..ob nun Blumen, Bäume oder das leben selbst !
Ahem, "Blumenpflücken und die Landschaft bewundern" war eine Metapher für "stehenbleiben, trödeln, nicht den Weg gehen".
Original geschrieben von Schattenwolf
Und erst wenn wir die "Absicht" vergessen, können wir Zielgerichtet im Einklang mit uns selbst und den Universum Handeln....
Das Prinzip des "nicht verhaftet seins" sollte dir vertraut sein...Tiga hat es schön rübergebracht....Als ahnungsloser tut man es instinktiv/intuitiv richtig.......dann kommt Technik und Absicht......bis man am Ende alles wieder vergisst und es einfach tut.
Von taoistischen Allgemeinplätzchen mal abgesehen: Kein Ahnungsloser kann eine komplexe Technik richtig, weder Chirurgie noch Kyudo. Die muss über viele Jahre gelernt und poliert werden. Und natürlich vergisst man die Technik "am Ende" nicht - sie ist dann bloss kein grosses Problem mehr, sondern eben "zweite Natur". Dann (und nur dann) kann man womöglich auch über mentale (wenn du willst: "geistige") Aspekte etwas sagen. Bei uns heist das dann yumi no kokoro (Herz des Bogens), aber darüber werde ich hier ganz sicher nicht spekulieren.
Original geschrieben von Schattenwolf
Und um es noch mal ganz klar zu sagen... JEDER der diesen Weg beschreitet, unabhängig davon wie weitr er gekommen ist, verdient achtung !!!
Achtung über das hinaus, was jedem Menschen erst einmal zukommt? Warum?
Original geschrieben von Schattenwolf
Das bekommst du besser in deinen Kopf.....sonst wirst auch du irgendwann auf dem Weg verzagen.
Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie!
Original geschrieben von Schattenwolf
Demut ist eine nützliche und wichtige Eigenschafft die keiner von uns von sich schieben sollte.
Ich könnte einiger nicht sein.
Original geschrieben von Schattenwolf
AUM
Gesundheit!
Original geschrieben von Azmodhan
Instinkt steckt noch in jedem von uns.
Sicher. Aber einen evolutionär neuen Instinkt zum Gebrauch eines Werkzeuges zu postulieren ist schon etwas anderes als Reste unserer Instinktaustattung anzuerkennen.
Original geschrieben von Azmodhan
Mich nerven ehrlich gesagt diese fernöstlichen, extremen Ansätze: einmal beruht alles auf der vollkommenen Harmonie zwischen Geist und Körper, andererseits beruft sich alles auf eingehämmerten und auf langem Wege antrainiertem Automatismus. (Philosophischer und Materialistischer Weg zur Perfektion).
Da ist ja die Frage, was dich da nervt: Die fernöstlichen Ansätze oder deine Vorstellung von diesen. Das dualistische Konzept von "Körper und Geist" ist ja ein westliches, und Automatismen sind ziemlich genau das Gegenteil von dem, was mit unserem Training erreicht werden soll.
Original geschrieben von Azmodhan
Niemand, nicht der beste Kyudo-Ka kann seinem Sport die gewisse Spiritualität absprechen die in früheren Zeiten und auch heute noch mitschwingt.
Die besondere Betonung der "Spiritualität" im Kyudo ist keineswegs eine Angelegenheit früherer Zeiten, sondern modern (nach 1900).
Original geschrieben von Azmodhan
Natürlich kann niemand den technischen Aspekt wegdiskutieren, aber trotz allem bleibt am Ende die totale Konzentration, das Fokussieren, das "Kopf nicht Kopf"-Prinzip (mir fällt der japanische Ausdruck gerade nicht ein...)übrig.

Der Moment, indem man weiß zu treffen. Und das ist trotz aller Technik, Perfektion und jahrelanger Übung eine spirituelle Sache.
Mushin, munen muso ni und ähnliche Terme. Aber wie schon gesagt: Das ist ein Problem, das sich nur aus der weitgehenden Bewältigung der Technik ergibt und keineswegs typisch für den "Osten". Spätestens seit Boris Becker ist der "mentale" Aspekt im Sport Allgemeingut.
Original geschrieben von Azmodhan
All das Training beim Bogenschiessen dient nicht einem besseren Ergebnis beim Schiessen, sondern einem besseren Verständnis für seinen Geist.
Wo habt ihr das nur alle her? Wer mit dem Bogen herumstümpert, wer nicht mit ganzem Herzen an der Verbesserung seiner Technik und damit seiner Treffergebnisse arbeitet, wird niemals wirkliche "geistige" Erfahrungen machen. Die japanischen Übungswege beruhen auf körperlichen Erfahrungen und haben strenge Kriterien für das Gelingen und Nichtgelingen der Übung.
Original geschrieben von Azmodhan
Und daher verdient jeder Hochachtung der diesen Weg beschreitet, nicht weil er es tut sondern weil er versucht sich selbst näher zu kommen.
Dann würde jeder Psychotherapiepatient schon deswegen besondere Hochachtung verdienen? Jeder Mensch hat Anspruch auf Respekt, aber meine Hochachtung spare ich mir für besondere Fälle.
Johannes Kolltveit Ibel
Oslo Kyūdō Kyōkai オスロ弓道協会
Der Steppenreiter

@kyujin - was für Antworten....

Beitrag von Der Steppenreiter »

Sie sind so formuliert, als gelte es letzte Wahrheiten zu postulieren. Sicher hast Du Recht, wenn Du sagst:
Wer mit dem Bogen herumstümpert, wer nicht mit ganzem Herzen an der Verbesserung seiner Technik und damit seiner Treffergebnisse arbeitet, wird niemals wirkliche "geistige" Erfahrungen machen. Die japanischen Übungswege beruhen auf körperlichen Erfahrungen und haben strenge Kriterien für das Gelingen und Nichtgelingen der Übung.
Alle Übungswege, nennen wir sie der Einfachheit halber Schulen arbeiten mit Disziplin, auf die das Wort "Übung" ja bereits hinweist, sind nur solche, wenn ein Lehrer das Wissen vermittelt. Was aber, wenn du keinen Lehrer findest, oder nicht bereit bist einen zu suchen und mit deiner hauseigenen "Technik" gute Treffer erzielst? Allzu schwer scheint es ja nicht zu sein, das Bogenschiessen - es ist ja fast schon angeboren, oder eine dem Menschen naturgemäße Handlung, so wie Essen und Trinken.

Es gibt nun aber solche, die sagen wirkliche "geistige" Erfahrung - ist das eine etwas hölzerne Umschreibung für das alte Wort Segen? - machst Du nur, wenn du mit Messer und Gabel essen kannst und das in einem Feinschmeckerlokal. Wohingegen andere behaupten, nein es sei durchaus zielführend mit den Händen zu Essen und nur der Hunger entscheide über die Menge der segensreichen Sättigungen.

Für mich ist Technik nie Selbstzweck und in mir keimt der Verdacht auf, als verstünden das Japaner anders, sondern ein Mittel, um eine bestimmte Sportart auszuüben. Wenn ich mich für diese Sportart entschieden habe und darin erfolgreich sein will, muss ich die bewährte Technik erlernen und das am besten mit einem erfahrenen Lehrer. Will ich das nicht, darf ich das tun, wonach mir der Sinn steht, mich ausprobieren.

Der Segen ("geistige" Erfahrungen) aber, der von der Sportart des Bogenschiessens ausgeht, erlebt der Schüler einer Bognerschule ebenso, wie der Selfmade Man. Das liegt an diesem Sport selbst und ist vielleicht sein größtes Geheimnis.

Christian
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Kyujin
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RE: @kyujin - was für Antworten....

Beitrag von Kyujin »

Original geschrieben von Der Steppenreiter
Sie sind so formuliert, als gelte es letzte Wahrheiten zu postulieren.
Ist das eine euphemistische Form mir zu sagen, ich sei unhöflich oder grob? :o Dass ich zu einigen Punkten starke, aus langer Arbeit gewachsene Überzeugungen habe und die auch gegebenenfalls apodiktisch formuliere, ist mir allerdings bewusst. Zu letzten Wahrheiten jedoch habe ich keine Neigungen, da ich "Wahrheit" ohnehin als normative Idee auffasse, in deren "Besitz" niemand sein kann, die man um des sinnvollen Sprechens willen aber dennoch in Anspruch nehmen muss.
Original geschrieben von Der Steppenreiter
Sicher hast Du Recht, wenn Du sagst:
Wer mit dem Bogen herumstümpert,
...
strenge Kriterien für das Gelingen und Nichtgelingen der Übung.
Da wären wir ja schon mal an einem wesentlichen Punkt einig!
Original geschrieben von Der Steppenreiter
Alle Übungswege, nennen wir sie der Einfachheit halber Schulen arbeiten mit Disziplin, auf die das Wort "Übung" ja bereits hinweist, sind nur solche, wenn ein Lehrer das Wissen vermittelt. Was aber, wenn du keinen Lehrer findest, oder nicht bereit bist einen zu suchen und mit deiner hauseigenen "Technik" gute Treffer erzielst? Allzu schwer scheint es ja nicht zu sein, das Bogenschiessen - es ist ja fast schon angeboren, oder eine dem Menschen naturgemäße Handlung, so wie Essen und Trinken.
"Bogenschiessen" ist womöglich nicht schwer. Aber treffsicheres, ausdauerndes Schiessen, über Jahre und Jahrzehnte hinweg bis ins höchste Alter - ist das leicht?
Original geschrieben von Der Steppenreiter
Es gibt nun aber solche, die sagen wirkliche "geistige" Erfahrung - ist das eine etwas hölzerne Umschreibung für das alte Wort Segen? - machst Du nur, wenn du mit Messer und Gabel essen kannst und das in einem Feinschmeckerlokal. Wohingegen andere behaupten, nein es sei durchaus zielführend mit den Händen zu Essen und nur der Hunger entscheide über die Menge der segensreichen Sättigungen.
Zum "Segen" habe ich mangels theistischer Religion keine besondere Beziehung. Ich rede von konkreten Erfahrungen, die man sich durch hartnäckige, lange Übung selbst erarbeitet. Im Falle des Hungers bin wohl einer, der einen qualitativen Unterschied zwischen Fastfood ("beinahe Essen") und richtiger Nahrung sieht. Und mir käme es weniger auf edles Besteck als auf die gekonnte (!) Zubereitung an.
Original geschrieben von Der Steppenreiter
Für mich ist Technik nie Selbstzweck und in mir keimt der Verdacht auf, als verstünden das Japaner anders, sondern ein Mittel, um eine bestimmte Sportart auszuüben.
Hier bin ich nicht sicher, ob ich dich recht verstehe? Was meinst du verstehen die Japaner anders?
Original geschrieben von Der Steppenreiter
Wenn ich mich für diese Sportart entschieden habe und darin erfolgreich sein will, muss ich die bewährte Technik erlernen und das am besten mit einem erfahrenen Lehrer. Will ich das nicht, darf ich das tun, wonach mir der Sinn steht, mich ausprobieren.


Klar darf ich, das wäre ja noch schöner! Aber ich darf dann nicht in Anspruch nehmen, das selbe zu tun, wie der, der sich mit einem Lehrer eine definierte Technik erarbeitet.
Original geschrieben von Der Steppenreiter
Der Segen ("geistige" Erfahrungen) aber, der von der Sportart des Bogenschiessens ausgeht, erlebt der Schüler einer Bognerschule ebenso, wie der Selfmade Man. Das liegt an diesem Sport selbst und ist vielleicht sein größtes Geheimnis.
Hierhin mag ich dir nicht folgen. Wenn die Übungswege mit ihrer Betonung des jahrelangen, disziplinierten Lernens nach genauen Kriterien eine Berechtigung haben (und darüber waren wir uns doch eingangs einig?), kann das Selberausprobieren aufs geradewohl doch nicht die selben Resultate zeitigen?
Johannes Kolltveit Ibel
Oslo Kyūdō Kyōkai オスロ弓道協会
Der Steppenreiter

Das Gleiche und dasselbe

Beitrag von Der Steppenreiter »

Hallo kyujin,
Zum "Segen" habe ich mangels theistischer Religion keine besondere Beziehung. Ich rede von konkreten Erfahrungen, die man sich durch hartnäckige, lange Übung selbst erarbeitet.
Segen ist diese spirituelle Öffnung, die uns erreicht, wenn wir das Rechte tun. Ob es dazu eines theistischen Religionsverständnis braucht, weiß ich nicht, es hilft das Verstehen darum zu erleichtern. Das Rechte tun kennt aber auch derjenige, der nicht ausdrücklich dem semitischen Religionsverständnis folgt.

Im Bogenschiessen kulminiert das Rechte tun in seiner unmittelbarsten Form. Seine direkte Folge ist dessen letzter Ausdruck, ein schön fliegender Pfeil ins Ziel. Die Kunst das zu erreichen ist so vielschichtig und fein, dass es wie mir scheint keine Vollkommenheit darin gibt. Und damit nur unser Bemühen und als Folge werden wir mit "geistigen" Erfahrungen, Segen eben, belohnt.

Ob nun die Belohnung eines Meisters die gleiche ist, wie die eines Anfängers, wer mag das beurteilen? Und welchen Sinn soll es haben, ausser wir versprechen uns durch harte Entbehrungen unseren Anspruch auf noch mehr und größere geistige Erfahrungen zu sichern.

Technik ist also nie Selbstzweck, sondern allenfalls ein Geländer, mit dem wir laufen lernen.

Und dann kommt einer daher mit größter Gelassenheit und Frieden und schießt einen Pfeil schöner als den anderen und ist doch erst seit kurzem dabei. Was dann?

Christian
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shewolf
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Instinkt versus Kultur

Beitrag von shewolf »

Ein kleiner Ausflug ins Tierreich. Unsere nächsten Verwandten (wir teilen uns gemeinsame Vorfahren), die Schimpansen, gehen auf die Jagd. Sie werfen mit Steinen und Stöcken und das - nach einiger Übung - mit Präzision.

Eine weitere hochentwickelte Primatengruppe, die Gorillas, tut das nicht. Zwar verwenden sie auch Stöcke z.B. als Werkzeuge, aber nicht als Waffen gegen Beutetiere und Artgenossen (!) wie die Schimpansen.

Ist das bei den Schimpansen nun Instinkt, oder schon schimpansenspezifische Kultur? Zwar jagen alle Schimpansen wenn sie können, aber einige Schimpansengruppen arbeiten überwiegend mit Stöcken, andere sind mehr auf Steine spezialisiert...

Definieren wir also das Jagen als Instinkt, die Steine & Stöcke als gruppenspezifische Kultur... dann würde das für uns Menschen auch gelten.

Also wäre der Jagdtrieb instinktiv, das verwenden von Werkzeugen, Augenmaß und Intuition kulturell - dito auch der Gebrauch von Pfeil und Bogen.

Insofern bezeichnet der Begriff "Intuitives (nämlich nach Gefühl) Bogenschießen" die Sache korrekt.

Und was ist mit den Instinkten? Die sind genetisch programmiert, angelegt in unseren Hirnteilen aus verschiedenen Evolutionsstufen, millionen von Jahren älter als der erste Gebrauch von Pfeil und Bogen.

Zum Abschluß noch ein nettes Beispiel, wie "wach" unsere Instinkte doch sind: in unserer Schrebergartenanlage hat jemand an seiner Einfahrt eine Betonlöwin modelliert. Schon etwas schief steht sie da, und schaut allen entgegen, die die Einfahrt hochfahren. Und jeder - mich eingeschlossen - zuckte beim ersten überraschenden Anblick zusammen! Das ist Instinkt pur, bis dann der Verstand übernimmt und sagt "Das Tier ist aus Beton, und in Deutschland gibt es keine Löwen".

Hätte ich einen Stein, würde ich den Werfen. Hätte ich einen bogen, würde ich einen Pfeil abschießen. Aber das ist schon bewußte Handlung, trainierbar und abrufbar.
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Tiga
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RE: RE: @kyujin - was für Antworten....

Beitrag von Tiga »

Original geschrieben von Kyujin
Hierhin mag ich dir nicht folgen. Wenn die Übungswege mit ihrer Betonung des jahrelangen, disziplinierten Lernens nach genauen Kriterien eine Berechtigung haben (und darüber waren wir uns doch eingangs einig?), kann das Selberausprobieren aufs geradewohl doch nicht die selben Resultate zeitigen?
Nein, natürlich nicht. Aber der "Segen" (schönes Wort, danke Steppenreiter!) ist ja nicht das einzige Resultat.
Sicher wirst Du reproduzierbare, zieltreffende, auch für den/die Schützen/in gesundheitlich unschädliche oder sogar nützliche Schüsse eher mit viel Übung nach einer guten Schule mit einem/r guten Lehrer/in erreichen als ohne.

Aber ein "Segen", eine spirituelle Bereicherung durch das Bogenschiessen kann sich auch beim Selbstherumprobieren einstellen - und beim o.g. disziplinierten Schiessen ausbleiben.


Dass man besser schiesst, wenn man ordentlich übt, ist klar.
Dass man nur nach viel Übung eine geistig/spirituelle/segensreiche Erfahrung machen kann, würde ich bestreiten.

Gruss
Susanne
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Beitrag von Uli »

@shewolf
Besser kann man es nicht sagen. Mir fehlten bis jetzt nur die richtigen Worte.

Uli
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Kyujin
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RE: RE: RE: @kyujin - was für Antworten....

Beitrag von Kyujin »

Original geschrieben von Tiga
Aber ein "Segen", eine spirituelle Bereicherung durch das Bogenschiessen kann sich auch beim Selbstherumprobieren einstellen - und beim o.g. disziplinierten Schiessen ausbleiben.

Dass man besser schiesst, wenn man ordentlich übt, ist klar.
Dass man nur nach viel Übung eine geistig/spirituelle/segensreiche Erfahrung machen kann, würde ich bestreiten.
Wenn die mentalen Erfahrungen nicht in Zusammenhang mit der technischen Übung stehen, würden sich also die Schüler aller Übungswege ganz umsonst abplagen, denn ein solches Ergebnis ist ja das, was einen Übungsweg ausmacht. Spricht hier die Theologin, die allen Arbeitern im Weinberg den gleichen Lohn versprechen möchte, egal, wie lange sie geschwitzt haben? ;-)

Die japanischen Übungswege basieren auf einem anderen Verständnis davon, wie die Welt (oder auch nur: unser Bewusstsein) funktioniert.

In unserer Tradition wird die kyudospezifische Erfahrung eben als Produkt langjährigen Übens auf hohem technischen Niveau angesehen, genauer gesagt als "Lösung" von Problemen, die sich überhaupt erst dort stellen. Dazu gibt es übrigens interessante Parallelen in westlicher Motivationspsychologie, vgl. "Flow" von Mihaly Csikszentmihalyi.
Johannes Kolltveit Ibel
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RE: RE: RE: RE: @kyujin - was für Antworten....

Beitrag von Tiga »

Original geschrieben von Kyujin
In unserer Tradition wird die kyudospezifische Erfahrung eben als Produkt langjährigen Übens auf hohem technischen Niveau angesehen
Ok, dass man eine kyudospezifische Erfahrung nur nach im Kyudo spezifizierten Übungen machen kann, will ich Dir gerne glauben.

Aber die kyudospezifische Erfahrung ist nicht die einzige geistig/spirituell/segensreiche Erfahrung, die man/frau beim Bogenschiessen machen kann.

Solche "Segenserfahrungen" können tatsächlich genauso "unverdient" gemacht werden wie der Lohn im Weinberg. :engel

Und einen Größenvergleich segensreicher Erfahrungen wollen wir doch nicht anstellen,oder? :tsktsk :-)

Gruss
Susanne
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shewolf
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RE: Austausch von ansichten

Beitrag von shewolf »

Original geschrieben von Schattenwolf
Doch ob man nur körperlich und/oder auch mental zu "Erfolg" kommt.......und worin dieser persönliche Erfolg nun besteht ist doch was ganz anderes.

FREUDE ist es die uns dabei hält...oder Ehrgeiz......einwenig von beidem.......doch ist der Mittelweg meiste der vielversprechendste für den Menschen an sich......dort wo er "segen" erfahren kann......wo er eins wird mit sich selbst...der Natur und natürlich den Menschen die ihm auf seinen Weg begleiten.
Na zum Glück! Stell Dir vor, alle Menschen hätten das gleiche (unseres?) Hobby, welch Gedrängel - ein gräßlicher Gedanke *lach* Aber mal im Ernst, ich verstehe was Du meinst: jedem Tierchen sein Pläsierchen, oder was dem einen sein Uhl, ist dem anderen sein Nachtigall nennt es der Volksmund. Und ich denke, da widerspricht Dir auch niemand. ;-)

@Tiga: das mit dem Weinberg, schon so alt ist dieses Gleichnis doch immer noch schwer nachzuvollziehen, wo die Gerechtigkeit liegt...

Was bleibt uns da? Sich mit bedacht den Weg zu wählen, der zu einem paßt. Viel Technik und lange Lehrzeit oder weniger Aufwand, weil der Schwerpunkt z.B. mehr auf dem Naturerlebnis liegt... jedem das seine. Ich finde es toll, das Ihr alle so unterschiedlich seid, und das man soviel aus Euren Beiträgen lernen kann! :fcsmilie
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Kyujin
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@kyujin - was für Antworten....

Beitrag von Kyujin »

Original geschrieben von Tiga
Aber die kyudospezifische Erfahrung ist nicht die einzige geistig/spirituell/segensreiche Erfahrung, die man/frau beim Bogenschiessen machen kann.
Nun ist ja meines Wissens Kyudo die einzige Form des Bogenschiessens, die als traditioneller Übungsweg überhaupt mit solchen Erfahrungen verbunden wird. Und wir haben alle Hände voll zu tun, übertriebene Erwartungen zu dämpfen, denn die Erwartungshaltungen, die typischerweise ohne konkrete Übungserfahrung nur auf der Basis von mehr oder weniger esoterischer Lektüre an uns herangetragen werden, sind eben reine Phantasie. Ich bin oft versucht mit Churchill zu sagen: "I have nothing to offer but blood, toil, tears and sweat." (Jetzt kommt mir natürlich Blood, Sweat and Tears in den Sinn: "I swear there ain't no heaven but I pray there ain't no hell"?) Das ist latürnich übertrieben, denn das Üben selbst ist ja das schöne, in einem bestimmten Sinne gibt es gar keinen Unterschied zwischen Praxis und Resultat der Praxis (das formuliert man dann manchmal als "Der Weg ist das Ziel"). Aber ohne hingebungsvolle Praxis gibt es nichts, und für die gibt es eben recht anspruchsvolle Kriterien.
Original geschrieben von Tiga
Solche "Segenserfahrungen" können tatsächlich genauso "unverdient" gemacht werden wie der Lohn im Weinberg. :engel
Das wäre ja allen Ernstes schön, aber: Ist das durch Erfahrung verbürgt oder frommer Wunsch? Ich erlebe immer wieder begeisterte Anfänger, die kaum das Schwert oder den Bogen in der Hand haben und schon "die Kraft" fühlen. Keiner von denen kommt mehr als ein paarmal. Haben die nun das wesentliche schon erkannt oder betrügen die sich nicht doch selbst - um das Beste?
Original geschrieben von Tiga
Und einen Größenvergleich segensreicher Erfahrungen wollen wir doch nicht anstellen,oder? :tsktsk :-)
Und so sehr ich vor der voreiligen Verwechslung von authentischem Kyudo mit sogenanntem "Zenbogenschiessen" warne:
Hier greife ich dann wirklich mal auf den Zenbuddhismus zurück: Da ist es nämlich absolut üblich, Erfahrungen des Erwachens (vulgo: "Erleuchtung") in ihrer Tiefe und Nachhaltigkeit zu bewerten. Und ein solche Erfahrung, wie authentisch auch immer, befreit nicht von der Notwendigkeit weiterer vertiefender Übung. Warum sollte das in der konkreten Übung des Bogenschiessens anders sein?
Johannes Kolltveit Ibel
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