benzi hat geschrieben:mh...... der eine Römerspezialist schreibt es gäbe keinen römischen Bogen und der andere rekonstruiert ihn... sehe ich das richtig?
Was ist denn ein "römischer" Bogen?
Eine spezifische Bogenform, die primär im Imperium Romanum für militärische Zwecke Verwendung fand (Jagd klammere ich mal der Einfachheit halber aus)?
Oder einfach Bögen, die von den Streitkräften des Imperium Romanum "en masse" verwendet wurden? Eventuell sogar für diesen Zweck auf dem Territorium des Imperiums "en masse" für diesen Zweck hergestellt wurden?
Es mögen Berufenere entscheiden, ob sich aus den Funden und Abbildungen ein spezifisch römischer Bogentyp rekonstruieren läßt, aber gemäß der zweiten Definition können wir durchaus einen "römischen Bogen" annehmen. Dafür sprechen die Vielzahl und breite geographische Streuung von Bodenfunden (Bogenbeschlägen) an Truppenstandorten, bildliche Darstellungen und die antiken Quellen.
Und dieser Bogen wurde nicht einfach importiert:
vergl. Shokunins Vegetius-Zitat:
"Habebant etiam fabricas scutarias loricarias arcuarias, in quibus sagittae missibilia cassides omniaque armorum genera formabantur."
"Sie hatten auch mitziehende Werkstätten in denen Schilde, Panzer, Bögen, Pfeile, Speere und allgemeine Waffen jeder Art gefertigt wurden."
Stationäre Manufakturen gab es zumindest in der Spätantike auch:
"fabricae infrascriptae Ticenensis arcuaria" und "(fabrica) Concordensis sagittaria".
Da die Veränderung der römischen Armee im Lauf der langen Geschichte des Imperiums m.E. die Diskussion ziemlich erschwert, unterscheide ich hier mal ganz grob 4 Phasen:
1. Archaische Armee (vor Einführung der römischen Variante des Bürgerheeres schwer bewaffneter Infanterie)
2. Republikanisches Bürgerheer
3. Klassische Berufsarmee (ab der marianischen Heeresreform)
4. Armee der Spätantike (ab der Diokletianischen Heeresreform)
Die Bedeutung der Waffengattungen, Art der Ausrüstung, Kampftaktik, ethnische und soziale Zusammensetzung der römischen Armee ist in diesen vier Phasen recht verschieden.
Ergo variert auch die Häufigkeit der Verwendung des Bogens - von "nicht vorhanden" im republikanischen Bürgerheer vor dem 2. Punischen Krieg, über "Waffe ergänzender Hilfstruppenteile" in der klassischen Berufsarmee der Hohen Kaiserzeit bis hin zu
der großen Bedeutung, die berittenen Bogenschützen in den koombinierten Kavallerieeinheiten im Stratikon des Maurikios (später 6. Jahrhundert; ist also streng genommen Byzanz und nicht Rom!) zugesprochen wird.
Gefallen haben mir die Ausführungen von Ahenobarbus! Im Gegensatz zum Osten hatte der Bogen in der westlichen mediterranen Welt (und den angrenzenden nördlichen Gebieten) nie ein hohes Sozialprestige! Sassanidische Herrscher werden als berittene Bogenschützen dargestellt, römische Cäsaren nicht! Spätere westliche Herrscher tragen ein Reichsschwert, keinen "Reichsbogen". In spätantik/frühmittelalterlichen Heeresaufgeboten dienen nur Loser, die sich keine anständige Waffe leisten können, als Bogenschützen.
Denn interessanterweise übernahmen selbst Völker wie die Ostgoten, die im engsten Kontakt zu den Hunnen standen (bei denen der Bogen wohl nicht nur wesentliche Waffe sondern auch Herrschaftssymbol war) keine berittenen Bogenschützen.
Es gab zwar eine schlagkräftige schwere gotische Kavallerie, aber nur Bogenschützen zu Fuß! Und das machte in der Schlacht bei Busta Gallorum (552 u.Z., entscheidende Niederlage der Ostgoten unter Totila) den kriegsentscheidenden Unterschied! Die gotischen Reiter sterben im Pfeilhagel der byzantinischen Reiterbogner, die ostgotischen Bogenschützen stehen weit vom Schuß in der Pampa rum.
Versuch eines Fazits (nur für mich selbst): Die klassische römische Armee ist der bewaffnete Arm eines die ganze Mittelmeerwelt umfassenden politischen Gebildes in der zunehmend östliche (Kataphrakten, Bogenschützen) und westliche Traditionen (schwere Infanterie) verschmolzen wurden.
Mit dem Zerfall des Imperiums verschwinden (vorübergehend) im Westen die "östlichen" Einflüsse.
Was aber auch heißt, das es trotz der Existenz eines "römischen" Kompositbogens nie gelungen ist, diese Waffe und die zugehörigen Techniken in den westlichen Reichshälften "einzubürgern". Zumindest für die Reiterei.
Deshalb ham mir blos einen Robin Hood und keinen Bahram Gur.
Voll lustige Grüße
K02/P.