benz hat geschrieben:
... geht es eigentlich auch nicht um Authensität, sondern um Tradition. Weder die Ungarn (Kassai) noch die Mongolen, noch die Koreaner und die Japaner auch nicht, reiten in authentischem Outfit einer bestimmten Epoche. Sie reiten in traditioneller Kleidung, ich lass es mal dahin gestellt, wer diese Tradtion wo ausgegraben hat oder wann fortgeführt hat.
Diese Kleidung ist vom Material, vom Schnitt, von allem her, keine Nachbildung eines historischen Vorbildes, sondern entspricht einer langen oder eben sehr kurzen Tradition.
Bei Kassai eben ein Kaftan mit Farben sortiert nach Leistungsgrad.
Letzteres verhindert z.b. dass Leistung und Outfit nicht zusammen passen. Es löst aber auch die ethnologische Herkunft der Teilnehmer auf, denn der Kaftan mit der entsprechenden Farbe wird nach dem Grad der Leistung getragen nicht nach Herkunft.
Ich werde der Bogenreiterszene keine Ratschläge geben, aber wenn "die Japaner" als Exempel herangezogen werden, sind doch Präzisierungen am Platze:
Berittenes Bogenschießen (
kisha) wird in Japan meines Wissens nur von zwei sehr kleinen und sehr exklusiven Gruppen ausgeübt: Der Takeda
ryū und der Ogasawara
ryū. Beides sind eher Familientraditionen (etwas völlig anderes als Sportvereine!) und wenn die heutige Ogasawara
ryū wahrscheinlich auch nicht ganz so alt ist, wie sie selber gerne darstellt (sie wurde wohl erst um 1700 wiederbelebt), so sind beide ganz eindeutig
koryū, also "alte Schulen" aus der Zeit vor der Meiji-Restauration 1867 (Abschaffung des Shogunats und des Samuraistandes).
Diese Gruppen treten bei ihren öffentlichen Demonstrationen (auch wenn die Treffer beim
yabusame gezählt werden, ist das kein Wettkampf!) in historischer Bekleidung, nämlich einem formellen Jagdkostüm der Kamakurazeit (grob das 13. Jahrhundert) - keine militärische Kleidung (Uniform ist ohnehin etwas eher modernes).
Man denke sich englische Fuchsjagd im mittelalterlichen Japan... Das ist sowohl authentisch, weil aus dieser Periode unverändert übernommen, als auch traditionell, weil es beim
yabusame schon immer so gemacht wurde. Während die Takeda
ryū nur
yabusame und
kasagake, also beritten schießt, war die Ogasawara
ryū historisch auch für höfische Etikette verantwortlich und übt auch noch Bogenschießen zu Fuß aus, bei öffentlichen Demonstrationen wiederum in historischer Kleidung:
Ihre magischen Shinto-Praktiken wurden in der aktuellen ARTE-Doku ja ausführlich gezeigt, dabei werden priesterliche weiße Gewänder getragen:
Es gibt entsprechende
koryū auch für das kriegerische Schießen zu Fuß, die Heki
ryū trägt bei entsprechenden Demonstrationen gerne Rüstung:
Beides ist sehr exklusiv, sowohl gesellschaftlich wie finanziell und nicht zuletzt muß man VIEL trainieren.
Das moderne Kyudo, das als
gendai budō = "moderne Kampfkunst" erst in den 50er Jahren auf der Basis verschiedener Schulen neu standardisiert wurde, benutzt völlig andere Kleidung. Die Standardversion weißes Oberteil, schwarzer
hakama, weiße
tabi ist eine moderne Sportbekleidung, die zwar auf japanischen Kleidungstraditionen basiert, aber so vor den 50ern nicht existierte.
Das ist im übrigen typisch für alle
gendai budō, auch die weißen
dōgi im
jūdō (wo sie erfunden wurden) sind wie das Graduierungssystem mit
kyū und
dan Neuschöpfungen um 1900.
Als
karate in den 20ern nach Japan importiert wurde, übernahm man auch da den modernen Standard, samt den Gürteln als Zeichen von Graduierung.
Selbst wenn man als Fortgeschrittener
kyūdōka zeremonielle Demonstrationen in
kimono (bzw.
montsuki mt weißen Wappen) und gestreiftem
hakama zeigt
trägt man "moderne" Kleidung, denn das ist ziemlich genau die japanische Entsprechung zum schwarzen Anzug (oder Smoking) - bei einer japanischen Hochzeit ist man damit (plus einer passenden Überjacke) immer noch korrekt angezogen.
Samurai der Edo-Zeit (ab 1600) trugen historisch ganz andere Varianten, zB. so etwas:
Sehr selten sieht man auch außerhalb der Ogasawara
ryū noch Demonstrationen hoch graduierter Lehrer anderer
koryū im "großen Ornat", Kimono und Hakama im selben, typisch großgemusterten Stoff, der dann wieder historisch authentisch ist, hier Kamogawa
sensei bei der Demonstration einer Zeremonieform aus der Heki
ryū Sekka
ha:
Ich würde nicht auf die Idee kommen, so etwas zu tragen, auch wenn es historisch ist und der Tradition entspricht. Mal ganz abgeshen vom Preis - das ist dann schon den großen alten Männern vorbehalten. Wenn es hoch kommt, trage ich zu besonderen Gelegenheiten einen schwarzen
kimono und gestreiften
hakama.
Kassai hat sich bei seiner Neuschöpfung ganz offenbar an japanischen Kampfkünsten orientiert, er hat sich bekanntlich beim
yabusame umgesehen und klare Anleihen auch in der Struktur und Hierarchie japanischer Kampfkünste gemacht. Aber: Was er erfunden hat, ist die ungarische Entsprechung zu etwas, was es in Japan überhaupt nicht gibt, nämlich die moderne (
gendai budō) Form des berittenen Bogenschießens. D.h. er hat mit dem farbigen Kaftan eine ungarische Variante eines modernen (nicht historischen)
dōgi samt Gürteln und Gradsystem konstruiert, die dem
jūdō viel näher stehen als der Ogasawara
ryū.
Soviel zu historischer Bekleidung im japanischen Bogenschießen. Was ihr wollt, müßt ihr selbst herausfinden.