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Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 27.01.2009, 23:42
von Angela
Al-Gamal hat geschrieben: @Mone DD:  Der gute van Gogh soll sich nach einem Streit mit Gauguin einen Teil seines linken Ohres (nach anderer Darstellung: das gesamte Ohr) abgeschnitten haben, wie Paul Gauguin berichtete.
Oder er hat seinen Reiterbogen mit 34" Auszug etwas zu nah am Ohr geankert...  ;)

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 27.01.2009, 23:51
von Al-Gamal
Ich lach mich schlapp, genau...aber bei den Ohren waren es wohl über 60#! :D
Gamal

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 09:01
von Seagull
benz hat geschrieben: Wenn ich genau drüber nachdenke und das tue ich die letzten Tagen durchaus  ;D, dann geht es eigentlich auch nicht um Authensität, sondern um Tradition.
Meiner Meinung nach wird da einiges verwürfelt was nicht zusammen gehört. Das Outfit bei Kassai ähnelt eher einer Uniform als einer Tradition. Vielleicht ist es eine traditionelle Uniform... ??? Echte Tradition hat hingegen immer etwas mit Historie und Ursprung zu tun. Egal was bei dem Versuch einer Nachbildung auch herauskommt, es basiert auf Wurzeln. Und hier bleibe ich dabei, manche Leute scheinen eben selbst keine Wurzeln zu haben.

Uwe

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 09:26
von Archiv
kra hat geschrieben: Zur Pferdetradition brauchst du nur nach Ellwangen zu kommen....
Kra, das mit Ellwangen wusste ich nicht, aber ich habe ja auch keine Zweifel an der Reitertradition in Deutschland. Vielleicht solltest du Benzi dazu einladen.
Wenn du von langer Tradition sprichst, dann haben die Reiterföfe sicher auch schon ihr 250tes oder 375tes jährliches Ringreiten hinter sich, oder?

Seagull, ja Traditionen wurzeln auf Vergangenheit, doch es muss keine jahrhunderte alte Tradition sein. Tradition kann sich auch in wenigen Jahren herausbilden.

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 11:04
von Kyujin
benz hat geschrieben: ... geht es eigentlich auch nicht um Authensität, sondern um Tradition. Weder die Ungarn (Kassai) noch die Mongolen, noch die Koreaner und die Japaner auch nicht, reiten in authentischem Outfit einer bestimmten Epoche. Sie reiten in traditioneller Kleidung, ich lass es mal dahin gestellt, wer diese Tradtion wo ausgegraben hat oder wann fortgeführt hat.

Diese Kleidung ist vom Material, vom Schnitt, von allem her, keine Nachbildung eines historischen Vorbildes, sondern entspricht einer langen oder eben sehr kurzen Tradition.

Bei Kassai eben ein Kaftan mit Farben sortiert nach Leistungsgrad.

Letzteres verhindert z.b. dass Leistung und Outfit nicht zusammen passen. Es löst aber auch die ethnologische Herkunft der Teilnehmer auf, denn der Kaftan mit der entsprechenden Farbe wird nach dem Grad der Leistung getragen nicht nach Herkunft.
Ich werde  der Bogenreiterszene keine Ratschläge geben, aber wenn "die Japaner" als Exempel herangezogen werden, sind doch Präzisierungen am Platze:

Berittenes Bogenschießen (kisha) wird in Japan meines Wissens nur von zwei sehr kleinen und sehr exklusiven Gruppen ausgeübt: Der Takeda ryū und der Ogasawara ryū. Beides sind eher Familientraditionen (etwas völlig anderes als Sportvereine!) und wenn die heutige Ogasawara ryū wahrscheinlich auch nicht ganz so alt ist, wie sie selber gerne darstellt (sie wurde wohl erst um 1700 wiederbelebt), so sind beide ganz eindeutig koryū, also "alte Schulen" aus der Zeit vor der Meiji-Restauration 1867 (Abschaffung des Shogunats und des Samuraistandes).

Diese Gruppen treten bei ihren öffentlichen Demonstrationen (auch wenn die Treffer beim yabusame gezählt werden, ist das kein Wettkampf!) in historischer Bekleidung, nämlich einem formellen Jagdkostüm der Kamakurazeit (grob das 13. Jahrhundert) - keine militärische Kleidung (Uniform ist ohnehin etwas eher modernes).

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Man denke sich englische Fuchsjagd im mittelalterlichen Japan... Das ist sowohl authentisch, weil aus dieser Periode unverändert übernommen, als auch traditionell, weil es beim yabusame schon immer so gemacht wurde. Während die Takeda ryū nur yabusame und kasagake, also beritten schießt, war die Ogasawara ryū historisch auch für höfische Etikette verantwortlich und übt auch noch Bogenschießen zu Fuß aus, bei öffentlichen Demonstrationen wiederum in historischer Kleidung:

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Ihre magischen Shinto-Praktiken wurden in der aktuellen ARTE-Doku ja ausführlich gezeigt, dabei werden priesterliche weiße Gewänder getragen:

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Es gibt entsprechende koryū auch für das kriegerische Schießen zu Fuß, die Heki ryū trägt bei entsprechenden Demonstrationen gerne Rüstung:

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Beides ist sehr exklusiv, sowohl gesellschaftlich wie finanziell und nicht zuletzt muß man VIEL trainieren.

Das moderne Kyudo, das als gendai budō = "moderne Kampfkunst" erst in den 50er Jahren auf der Basis verschiedener Schulen neu standardisiert wurde, benutzt völlig andere Kleidung. Die Standardversion weißes Oberteil, schwarzer hakama, weiße tabi ist eine moderne Sportbekleidung, die zwar auf japanischen Kleidungstraditionen basiert, aber so vor den 50ern nicht existierte.

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Das ist im übrigen typisch für alle gendai budō, auch die weißen dōgi im jūdō (wo sie erfunden wurden) sind wie das Graduierungssystem mit kyū und dan Neuschöpfungen um 1900.

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Als karate in den 20ern nach Japan importiert wurde, übernahm man auch da den modernen Standard, samt den Gürteln als Zeichen von Graduierung.

Selbst wenn man als Fortgeschrittener kyūdōka zeremonielle Demonstrationen in kimono (bzw. montsuki mt weißen Wappen) und gestreiftem hakama zeigt

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trägt man "moderne" Kleidung, denn das ist ziemlich genau die japanische Entsprechung zum schwarzen Anzug (oder Smoking) - bei einer japanischen Hochzeit ist man damit (plus einer passenden Überjacke) immer noch korrekt angezogen.

Samurai der Edo-Zeit (ab 1600) trugen historisch ganz andere Varianten, zB. so etwas:

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Sehr selten sieht man auch außerhalb der Ogasawara ryū  noch Demonstrationen hoch graduierter Lehrer anderer koryū im "großen Ornat", Kimono und Hakama im selben, typisch großgemusterten Stoff, der dann wieder historisch authentisch ist, hier Kamogawa sensei bei der Demonstration einer Zeremonieform aus der Heki ryū Sekka ha:

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Ich würde nicht auf die Idee kommen, so etwas zu tragen, auch wenn es historisch ist und der Tradition entspricht. Mal ganz abgeshen vom Preis - das ist dann schon den großen alten Männern vorbehalten. Wenn es hoch kommt, trage ich zu besonderen Gelegenheiten einen schwarzen kimono und gestreiften hakama.

Kassai hat sich bei seiner Neuschöpfung ganz offenbar an japanischen Kampfkünsten orientiert, er hat sich bekanntlich beim yabusame umgesehen und klare Anleihen auch in der Struktur und Hierarchie japanischer Kampfkünste gemacht. Aber: Was er erfunden hat, ist die ungarische Entsprechung zu etwas, was es in Japan überhaupt nicht gibt, nämlich die moderne (gendai budō) Form des berittenen Bogenschießens. D.h. er hat mit dem farbigen Kaftan eine ungarische Variante eines modernen (nicht historischen) dōgi samt Gürteln und Gradsystem konstruiert, die dem jūdō viel näher stehen als der Ogasawara ryū.

Soviel zu historischer Bekleidung im japanischen Bogenschießen. Was ihr wollt, müßt ihr selbst herausfinden.

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 11:13
von Steppenreiter
Vielen Dank Kyujin für deine interessanten Ausführungen. Wenn ich es so lese, werde ich den Verdacht nicht los, dass es viel einfacher ist sich in Bestehendes einzufügen, als etwas Altes wieder (neu) zu beleben.

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 11:22
von Rena
Wir Deutschen sind ja aus der Vermischung verschiedener Völker entstanden,hier im Norden durch Vermischung mit den Westslawen.Die treuesten Anhänger Attilas waren übrigens Germanen(auch wenn ihn seine Burgundische Prinzessin nicht heiraten wollte).Also wir sind sozusagen multikulturell,die Völkerwanderung(damals wie heute )machts möglich.

Aber ich glaube solches ist im Eröffnungsbeitrag dieses Threads von Steppenreiter mit authentisch  gar nicht gemeint.

Sondern eher eine Anregung, darüber zu reden was Bogenreitvölkern mit den Pferden und den Bögen die sie hatten,einschließlich der bekannten Techniken und den Zielen die ihr Tun hatte, möglich war und ob uns die Beschäftigung mit diesem Wissen weiterbringt.

Natürlich ist es schon interessant sich auch mit der Historie von Pferd und Bogen bei den alten Germanen zu befassen,aber ich glaube sie warfen nur Lanzen vom (ungesattelten)Pferd,auf dem sie nackt saßen.Mit Pfeil und Bogen schossen sie eher zu Fuß.

Aber gewiß wäre es sehr erbaulich für uns ,wenn mal jemand-Schattenwolf,du vielleicht-einen solchen Auftritt ,nackt auf dem blanken Pferderücken mit Warägerbogen hinlegt.Ich kriege hier keine Smilies rein,das meine ich sowohl ernst als auch nett,ich stelle auch mein Fjordi zum Üben zur Verfügung.

Laut römischen Geschichtsschreiben,um das Bild authentisch abzurunden,waren sie mit roter Farbe bemalt und stießen beim Angriff den Namen ihres Stammes aus.

Ich gehe jetzt sticken,Danke für den Link Steppenreiter,schöne Muster.

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 11:50
von Schattenwolf
Aber gewiß wäre es sehr erbaulich für uns ,wenn mal jemand-Schattenwolf,du vielleicht-einen solchen Auftritt ,nackt auf dem blanken Pferderücken mit Warägerbogen hinlegt.Ich kriege hier keine Smilies rein,das meine ich sowohl ernst als auch nett,ich stelle auch mein Fjordi zum Üben zur Verfügung.

;D Na den Anblick erspar ich der breiten Masse lieber. ;D
Aber vielleicht komm ich ja mal zum "üben" vorbei.... :-*

Aber mal zur Klärung, bezüglich der Waräger.

Um 850 hatten schwedische Wikinger in Nowgorod und Kiew eigene Fürstentümer errichtet. Die Slawen nannten die Nordmänner "Rus", und bald wurde dieser Name für das gesamte unter der Führung Kiews vereinte Reich benutzt. Oft wurde jedoch auch die Bezeichnung "Waräger" verwendet, womit entweder ein Fremder, der Kriegsdienst genommen hat, gemeint war, oder  ein Mann, der zu einer Vereinigung von Händlern oder Kriegern gehörte. Manchmal wurden zwar beide Begriffe synonym verwendet. Mit der Zeit bezeichnete man mit Rus jedoch die fest ansässige Adelsschicht, die sowohl skandinavische wie auch slawische Wurzeln hatte, und mit Waräger die aus Skandinavien stammen Krieger, die weiterhin ins Land kamen, um Handel zu treiben, oder ihre Schwerter an die Rus zu vermieten.

Die Warägergarde entstand im Jahre 988, als der Kiewer Großfürst Wladimir I. 6.000 Wikinger an den byzantinischen Kaiser Basileios II. schickte, der mit ihrer Hilfe seinen Thron verteidigen konnte. In dieser Position blieben sie bis zur Eroberung von Konstantinopel durch die Kreuzfahrer 1204, bei der sie als einzige byzantinische Militäreinheit effektiven Widerstand leisteten.

Die Waräger hatten also sowohl Kontakt zu den "RUS"sischen Steppenvölkern als auch zu den berittenen Bogenschützen der "Türken". Ich Kiew wurde sogar einige Bhudha Staturen gefunden, die wahrscheinlich um das Jahr 1000 rum, dort "verschütt" gingen. Es gab also über Kiew kontakte bis tief nach Asien hinein.
Warum also sollten sich einzelne Waräger nicht im beritten bogenschiessen geübt haben?


Übersichtskarte der "Reisen der Wikinger" 8. - 10. Jahrhundert in Großansicht.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/3/3a/WikingerKarte.jpg

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 12:21
von Rena
Genau,zumal sich auf diesen Handelswegen auch arabische Kaufleute herumtrieben,die übrigens bis zur Ostsee vordrangen,und da sich all diese Herren hin und wieder auch überfielen ,wäre eine Bedienung bei Kampftechniken durchaus denkbar.

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 14:11
von Kyujin
@ Benz: Das ist zunächst einmal sehr formelle höfische Kleidung und wir so (mit entblößter linker Schulter) nur zum stehenden Schießen getragen.

Die komplette Jagdbekleidung wird nur zu Pferde getragen, dabei zieht man einen Ärmelschoner über den linken Kimonoarm und trägt typischerweise noch Beinschoner aus Rehfell samt Schwert mit fellbezogener Scheide und Kopfbedeckung.

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und

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Wenn ich mich nicht täusche, ist das obere Ogasawara ryū und das untere Takeda ryū, die Traditionen weichen  auch in Bekleidungsdetails voneinander ab.

Die restlichen deiner Bilder kann ich nicht recht einordnen, da ist manches, was mir merkwürdig vorkommt - oder einfach unbekannt ist.

Ich kenne Bilder von einem Auftritt der Takeda ryū in Deutschland (Polo Club Maspe), die Jungs sind nicht wenig eitel...

Bild

Bild

Ich bin immer wieder erstaunt, wie macho man in einem weiten rosa Kimono mit üppigem Blumenmuster wirken kann...  ;D

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 14:31
von Kyujin
Ich kann deine Bilder auch nur in einem neuen Fenster öffnen, aber nicht im Beitrag sehen

Probier mal direkt

http://www.kyudo.oslo.no/takeda1.jpg

http://www.kyudo.oslo.no/takeda2.jpg

Das zweite Bild zeigt nicht das eher formelle yabusame, sondern das mehr anwendungsorientierte kasagake, bei dem auch (immer mit dem Bogen in der linken Hand) nach rechts geschossen wird. Das Original dieses Bildes (unter http://www.polo-in-maspe.de/index.php?presse_archiv herunterladbar) ist übrigens spiegelverkehrt, wahrscheinlich eine künsterische Freiheit des Photographen, um das Pferd dynamisch in Leserichtung von links nach rechts gallopieren zu lassen. Der Bogenarm MUSS aber der linke sein, wie im oberen Bild ja auch richtig zu sehen.

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 14:44
von Kyujin
Hmmm... ich habe auch etwas Probleme beim Öffnen und Lagern der Dateien.

Die Originale (hohe Auflösung) liegen jedenfalls öffentlich unter http://www.polo-in-maspe.de/index.php?presse_archiv

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 15:34
von Kyujin
Jetzt besser? Ich bin noch mal mit Grafic Converter über die Bilder gegangen und habe das Farbprofil webfähig eingestellt. Hier klappt's jetzt mit dem Japaner.

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 16:56
von Steppenreiter
Hier Kyujin die osmanische Variante des Bogensports, gewissermassen das Gegenstück zum Bogenschiessen mit dem längsten Bogen, hier diejenigen, die mit dem Kürzesten geschossen haben.  http://www.turkisharchery.info/?p=training


 

Re: Authentisch... historisch belegbar

Verfasst: 28.01.2009, 17:23
von Kyujin
DAS hier

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ist interessant! Wir würden das makiwara- Training nennen und das gibt es nicht nur stehend im normalen Kyudo

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sondern auch (dann sitzend) mit nach oben gerichtetem Pfeil für dōsha, die historische 120-meter Disziplin auf der Veranda des Sanjusangendo:

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