Den asymmetrischen, extrem langen Bogen, gab es seit dem Altertum - 3-lagige, Bambus-laminierte Bögen können wir ab 1200 ca belegen. Da sind wir also sicher schon gut voran auf dem Weg zum Yumi in der bekannten Form...
Auch haben wir z.B. reichlich Bilder, die historische Krieger mit der uns heute noch bekannten Sehnenrolle (Tsurumaki) an der Seite zeigen. Die Dimensionen der Rolle scheinen sich über die Jahrhunderte kaum verändert zu haben. Auch das würde eigentlich die Vermutung nahelegen, dass auch historisch nicht "gepolsterte" Sehnen geschossen wurden. Was wäre auch der Sinn einer Umwicklung die die Leistung eher senkt als steigert…?
Man schoss historisch (und tut es heute noch im Yabusame etc) mit einem weichen Handschuh mit Leder-verstärktem Daumen.
Aber da sind wir dann auch schon wieder zu nah am heutigen Bogenschiessen und Kyudo - da müsste man sich dann ja im Üben an die Takeda, Ogasawrara, Satsuma Heki Ryu halten um die Technik zu lernen...
Da fantasiert man sich doch lieber aus dem eigenen Wuschdenken dann die entsprechende Technik und Geschichte zusammen…
Man möchte z.B. ohne Handschuh auskommen, dann fantasiert man sich eine dicke Sehne die nicht belegt ist,… dazu dann den Bogen, den man auch nur vermuten kann… und schon hat man dann sein ganz eigenes persönliches Kyujutsu.
So wie hier im Clip eben…
Dabei haben wir doch gute historische Aufzeichnungen - auch zu Sehne, Nockpunkt, Schiesstechnik, Techniken für’s Schlachtfeld usw… Wir haben Bögen, Pfeile mit messbaren Nocken...
Wir können annehmen, dass sich die Technik über lange Zeit entwickelt hatte, also auch lange schon in etwa ähnlich war. Für den Bogen gilt das Gleiche.
Das ist das einzig Logische wenn keine einschneidende Veränderung in der Gesellschaft (fremde Eroberung z.B.) vorliegt.
Das war z.B. um 6-700 AD, glaube ich, der Fall… da kam Japan stark unter chinesischen Einfluss. Der chinesische Bogen war dann z.B. eben auch bei Hofe eine Zeit lang in Mode. Viele der formellen Aspekte des späteren Kyu-Do stammen schon aus dieser Zeit (eben aus China) und auch die reflexe Kompositbauweise wurde in den Bau indigener Bögen übertragen…
Und mit Korea hatte man in dieser Zeit auch längst Kontakt gehabt… same story... Kompositbogen, Daumenring, formelles Schiessen,...
Aber in Japan schoss man mit der blossen Hand... offensichtlich...
Wie weit wollen wir also zurück mit unserem Kyujutsu, wenn wir eine Zeit suchen müssen in der Handschuh oder Daumenring in Japan unbekannt waren…?
Kann schon sein es war einmal üblich ohne Ring oder Handschuh zu schiessen… belegt ist da aber wohl nix …und auch wenig wahrscheinlich. Da ist dann fast wahrscheinlicher man schoss mediterran...
Man könnte also Kyujutsu auch mit einem nicht-recurven Selfbow und mediterraner Technik machen...
Ja, nur würd's dann keiner kaufen - ohne den Yumi und sonstiges Brimborium.
Naja, von wann ist nun dieses Kyujutsu nochmal genau...? Vor 1400... vor 900... vor 600AD?
Welche Epochen interessieren uns denn analog im Schwertkampf, Kendo,... von Aikido usw ganz zu schweigen?
Interessieren uns im Bogenschiessen ähnliche Epochen... eher weniger, oder...
Im Bogenschiessen gehen wir lieber in die "düsterste Vorzeit" zurück, wo man nix Konkretes mehr weiss, um uns von der Wirklichkeit einer konkret noch existierenden Bogentradition zu befreien,...
Warum, fragt man sich... wohl weil die manchen zu formell mühsam ist zu erlernen...?
Dabei gäbe es sogar Leute in Japan, die sich ernsthaft mit der alten Bogenkultur und "Kyujutsu" befassen...
Die kommen aber zu etwas anderen Ergebnissen als unsere europäischen Herrschaften hier. Die schiessen historisch belegbare Stile und waren trotz "Kyujutsu" die Formen und Riten...
Hier einfach mal eine Seite einer solchen Gruppe die historisches Kyujutsu versucht nach zu empfinden…
http://www5b.biglobe.ne.jp/~fes/kanrinin.htm#tea
Kann man sich mal durchclicken...
Beim Kriegsschiessen wird da eben nicht in V-Formation, breit frontal stehend geschossen…
Wenn der Feind in Reichweite ist, dann bin ich es für ihn auch - wie im Schwert- oder Faustkampf. Also stehe ich Schmalseite und gepanzerte Schulter zum Gegner, und möglichst im Kniestand. Ich präsentiere ein kleines Ziel...
Wenn ich mich bewege, dann nicht joggend sondern "schiebend" mit Bodenkontakt und seitwärts. So bin ich stabil und immer schussbereit. Und so weiter und so fort…
Es verlangt kein Mensch, dass hier Kyudo gemacht wird, nur dass es Sinn macht.
In anderen Disziplinen achtet man ja auch auf Technik, gibt sich keine Blösse, gibt die Erdung nie auf, senkt die Waffe nicht und joggt umher…
In den Clips joggen Leute mit Bogen horizontal durch’s Dojo… versuch’ das mal einer wenn auf 28m einer steht der auch ‘nen Bogen in der Hand hat.
Macht das für Euch hier keinen Sinn…? Und hat das was mit Kyudo zu tun…?
Wenn ich Bogenschiessen als "Kampfsport" betreibe, dann schiesst da potentiell einer zurück wenn ich schiesse. Genau so wie im Schwertkampf oder Mano-a-Mano…
Wenn ich nicht übe als hätte ich ‘nen Gegner, was übe ich dann? Dann fuchtle ich doch nur mit dem Schwert herum - und im Ernstfall fegt mich jeder geübte Kämpfer in 1,5 Sekunden um.
Genau das ist hier der Fall…
Da wird geschossen als sei gegenüber keiner…
…ja was schiesse ich dann überhaupt wenn da gar keiner mehr ist?
Ohne Gegner mach' ich Kyudo…
Naja, wie gesagt, Sport ist immer gut, auch die "sozialisierenden" Aspekte im Kampfsport sind für viele sehr gut und wenn’s Spass macht, nur zu…
Alles ok und super...
Einzig mit “historisch” usw hab’ ich eben ein Problem… es wirkt mir nicht authentisch sondern erfunden.
Mehr hab’ ich nicht gesagt und das bringt mich zum Grund wieso ich hier überhaupt nochmal schreibe…
@arquerine
wenn man mir hier Römerbriefe an den Kopf wirft, dann werde ich langsam kantig…
da werfe ich nämlich mit Chaucer zurück…
"Menschen in Glas Häusern..."usw
Wir hatten hier nämlich kürzlich mal den Herrn Wiethase mit "altem wiederentdeckten indischen Bogenschiessen"…
da war Arquerine schon so frei und hat für sich ein Urteil bezüglich Authentizität gefällt und dieses auch mit uns hier geteilt.
Wenn ich hier nun selbiges tue, nämlich zu urteilen, dass dieses Kyujutsu mir halt als erfunden erscheint…
WOW! Nicht nur bekomme ich dann die Römer serviert, ich krieg die ganze Litanei wie borniert und befangen doch die Kyudoka sind, dass ich das hier nicht gelten lasse...
Da wird alle Kritik nur an meinem Kyudo aufgehängt und wir halten doch eh alles für Unfug was nicht offiziell Kyudo ist weil wir halt bornierte Kyudoka sind und so weiter und bla bla...
Da sieht man mal wie das mit dem Urteilen und der Toleranz dann in die andere Richtung schneidet…
Lies Dir also vielleicht die Römer nochmal selbst durch, und auch das was Du im Wiethase Thread bez oberflächlicher Toleranz geschrieben hast wenn hier jede Kritik mit "ist doch nicht Kyudo" entwertet wird.
Es hat niemand verlangt, dass es Kyudo sein soll... wir hätten nur gesagt, dass es gegenüber dem was wir historisch bis mindestens 1400 belegt haben keinen Sinn macht...
Aber damit braucht man sich ja gar nicht erst auseinandersetzen wenn die Meinung von irgend so 'nem Kyudo-Fritzen kommt.Was wissen die schon vom japanischen Bogenschiessen...