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Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 08:56
von Joe Taiga
Granjow hat geschrieben:
Was wichtiger ist? Die Energie. Wegen E=1/2 mv² wäre dann:
E1 = 1/2 2m v² = mv²
E2 = 1/2 m (2v)² = 2mv²
Der halb so schwere mit doppelter Geschwindigkeit hat also höhere Durchschlagskraft. (Allerdings heisst doppelte Energie nicht einfach doppelt so tief ins Ziel.)
Das kann man so nicht betrachten. Wenn ich den Durchschlag eines Pfeils beurteilen will, muss ich als Randbedingung den selben Bogen mit dem gleichen Auszug heranziehen. In dem Fall gehst du von der gleichen Energie aus, die im Bogen beim Auszug gespeichert wird. Der Durchschlag hängt dann von folgenden Freiheitsgraden ab:
- der Effizienz des Energieübertrags auf den Pfeil
- der Form der Pfeilspitze
- dem elastischen Anteil am Stoß auf das Ziel
- dem Energieverlust durch Luftreibung auf dem Flug
Die Form der Pfeilspitze ist mit die wichtigste Komponente finde ich. Ob der Pfeil ein paar Joule mehr oder weniger mitbekommt, macht zwar auch etwas aus, aber ohne die richtige Spitze geht gar nichts.
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 09:28
von the_Toaster (✝)
@ Granjow: Genau.
@ Joe Taiga: Nicht ganz...
Die Durchschlagskraft ergibt sich aus der Aufprallenergie pro Flächeneinheit.
Die Eigenschaften des Bogens sind dabei völlig irrelevant.
Ob die Abstimmung von Pfeil und Bogen optimal oder grottenschlecht ist, ist für die Aufprallgeschwindigkeit völlig schnuppe.
Es kommt nicht darauf an, welche Geschwindigkeit der Pfeil hat, wenn er die Sehne verlässt, sondern welche Geschwindigkeit er im Aufprallmoment hat und die kann ich im Endeffekt auch mit einem Bogen erreichen, der mir beim Schuss die Knochen bricht.
Ist das Projektil dann nicht mehr AUF sondern IM Ziel kommen noch die Reibung und wellendynamische Effekte hinzu.
Und beim Thema Reibung und vor allem der Wellendynamik wirds dann mal so richtig spannend.
Da wirken sich dann die Spitzenform, die Härte und Zähigkeit von Spitze und Ziel, die Härte und damit Schwingungsneigung und die Reibungskoeffizienten des Pfeilschaftes und des Ziels aus.
Und da etwas ohne konkrete nachvollziehbare Messungen und Simluationen vorherzusagen halte ich für ziemlich gewagt.
Mike Loades hat für seine Dokumentation "Weapons that made Britain - the Longbow" Dopplerradarmessungen mit einem 150# Bogen machen lassen und basierend auf diesen Messungen Penetrationstests auf einen Eisenharnisch durchgeführt. Dabei kam dann raus, dass die Pfeile der englischen Bogenschützen erst bei einer Entfernung von 20 Metern die Rüstung eines Ritters sicher durchschlugen.
Die genauen technischen Eigenschaften des Pfeils (also Gewicht, Spine, Spitzengewicht, usw.) wurden allerdings nicht genannt.
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 09:32
von mbf
@Granjow
Warum ist die Energie wichtiger? (wichtiger als was?) Warum wird beispielsweise nicht der Impuls betrachtet?
@Joe Taiga
In der Ausgangsfrage wurde explizit darauf hingewiesen, dass die gleiche Pfeilspitze verwendet wird. Es war nicht die Frage, welche Pfeilspitze die größte Durchschlagsfähigkeit mit sich bringt - das ist eine andere Frage. Wieder eine Variable weniger.
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 09:57
von ukw
Weil der Bogen und die Pfeilspitze nicht gefragt ist - ist die Lösung einfach:
Die Pfeilgeschwindigkeit ist wichtiger für die Durchschlagskraft.
Erst wenn ich die Pfeil Geschwindigkeit nicht mehr steigern kann, lautet das Ziel: Pfeil Geschwindigkeit
halten bei höherem Pfeil Gewicht.
nicht ohne Grund gibt es Hochgeschwindigkeits Munition und Hgs-Gewehre beim Militär =>
http://www.ask1.org/fortopic4952.html
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 10:24
von mbf
Gedankenexperiment: wenn wir 2 Pfeile nehmen mit gleicher Energie, aber unterschiedlicher Masse (und demzufolge unterschiedlicher Geschwindigkeit), welcher von beiden wird durchschlagender wirken? Wenn die Energie das Wichtigste ist, sollten beide das gleiche Penetrationsvermögen aufweisen. Tun sie es?
@Toaster
Schön ausgeführt!
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 13:41
von the_Toaster (✝)
Auch wenn ich es gewagt finde eine Vorhersage zu machen (siehe oben), möchte ich doch eine Vermutung in die Runde werfen.
Ich sage, dass der schnellere und leichtere Pfeil weniger weit eindringen wird als der langsame, obwohl beide die gleiche Energie aufbringen.
Begründung ist der stärker wirkende Reibungskoeffizient und der damit erhöhte Umsatz der eingebrachten Energie in Wärme. Ferner wird das penetrierte Material dem auftreffenden Pfeil mit steigender Geschwindigkeit auf Grund seiner eigenen Massenträgheit einen erhöhten Widerstand entgegensetzen, weil es dem Pfeil nicht so schnell ausweichen kann, wie es müsste um ihn eindringen zu lassen. Die Wirkung ist ähnlich wie bei Wasser, das für den auftreffenden Gegenstand mit steigender Geschwindigkeit immer härter erscheint und irgendwann "hart wie Beton" wird, um diesen berühmten Satz mal zu zitieren.
Um das mal mit Hausmitteln auszuprobieren kann man mal folgenden Versuch aufbauen:
Man mische sich einen möglichst zähen Teig aus Mehl und etwas Wasser an. Er sollte etwa die Konsistenz von Knete erhalten. Den Teig verteilt man in eine genügend tiefe Kunststoffschale.
Dann nehme man sich eine recht schwere Kugel und eine leichte Kugel gleichen Durchmessers.
Nun misst man diese aus, so dass man die genauen Gewichte hat.
Die schwere Kugel soll nun der schwere und langsame Pfeil sein.
Die leichte dann natürlich der schnelle Pfeil.
Jetzt folgt ein wenig Rechnerei.
Man muss nun für beide Kugeln eine Abwurfhöhe ausrechnen, so dass beide die gleiche Energie beim Aufschlag in den Teig erhalten.
Dann lässt man sie schlicht aus der jeweiligen Höhe fallen und misst die Eindringtiefe.
Das Ergebnis bei diesem Experiment wird auch für die Pfeile gelten, ist aber wesentlich einfacher zu ermitteln.
Es kann sogar sein, dass die leichte und schnelle Kugel vom Teig abprallt und nur die schwere und langsame Kugel in den Teig eindringt.
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 13:43
von Ravenheart
ravenheart hat geschrieben:
...man muss sich doch nur mal einen Golfball und (mit doppelter Geschwindigkeit) einen Tischtennisball an den Kopf schmeißen lassen, und die Frage ist beantwortet...
q.e.d.
Rabe
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 13:57
von mbf
Darauf wollte ich hinaus. Also ist die Energie des Flugkörpers nicht das relevante Kriterium für die Durchschlagskraft.
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 14:07
von the_Toaster (✝)
ravenheart hat geschrieben:
[...]
q.e.d.
Rabe
Haste nen Selbstversuch gemacht?
@ mbf:
Kommt drauf an in welchen Bereichen Du dich bewegst.
Die Energie ist auf jeden Fall EIN Faktor sogar ein wesentlicher, aber nicht der einzige.
Physik funktioniert ja in weiten Bereichen recht einfach und vorhersagbar.
Je weniger die Parameter geändert werden, desto einfacher sind die Verhältnisse, die in die Berechnung einbezogen werden müssen.
Erreichst Du Grenzbereiche, wirds erst spannend.
So läßt sich die Umlaufbahn eines Planenten in weiten Bereichen mit den kepplerschen Gesetzen recht einfach berechnen. Beim Planeten Merkur funktioniert das aber nicht mehr, weil er der Sonne so nahe ist, das ihre Schwerkraft für relativistische Effekte sorgt, wo dann der liebe Einstein in die Berechnung einbezogen werden muss.
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 16:17
von Wilfrid (✝)
Also, definitiv:
52g gehen weiter rein als 28g bei gleichem Bogen und gleichem Zielsack
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 16:54
von the_Toaster (✝)
Ja genau.
Hier bewegen wir uns im leicht vorhersagbaren und berechenbaren Bereich.
Der gleiche Bogen kann beiden Pfeilen nicht die gleiche Energie mitgeben, schon gar nicht am Aufschlagpunkt.
Um vergleichbare Ergebnisse zu bekommen müsste man von den jeweiligen Pfeilen Flugkurven aufnehmen, bei der die Geschwindigkeit und die Entfernung aufgenommen wird.
Das kann man entweder kontinuierlich mit einem Dopplerradar oder punktuell mit mehreren abgeglichenen Geschwindigkeitsmessern an der Schiesslinie, irgendwo mittendrin und am Ziel durchführen. Zwischen den Messpunkten müsste die Kurve dann interpoliert werden.
Daraus lässt sich dann die Energiekurve für die jeweiligen Pfeile bei den jeweiligen Entfernungen errechnen.
Daraus lässt sich dann ermitteln, bei welcher Entfernung die jeweiligen Pfeile die gleiche Energie am Aufschlagpunkt enthalten. An diesen Stellen müsste dann für den jeweiligen Pfeil ein Ziel mit möglichst homogenen Materialeigenschaften aufgestellt werden. Dann kann die Penetration ermittelt werden.
Die Messungen sollte man mehrfach, sagen wir mindestens zehn mal durchführen, um repräsentative Ergebnisse zu haben. Daraus lässt sich dann statistisch die wahrscheinliche Eindringtiefe der jeweiligen Pfeile nach der gaußschen Normalverteilung ermitteln.
Genauere Ergebnisse erhält man mit einer Pressluftkanone mit der die Pfeile abgeschossen werden, das vermeidet Streuung durch z.B. Releasefehler.
Die Frage ist nun wer hat die Geräte und die Muße das zu machen?
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 17:14
von Kyujin
Ich vermute ja immer noch, daß für diese Betrachtungen der Impuls
http://de.wikipedia.org/wiki/Impuls die relevante Größe ist, und da gehen Masse und Geschwindigkeit als gleichwertige Faktoren ein.
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 17:48
von skerm
@Kyujin: Ich denke auch, daß der Impuls da mehr betrachtet werden sollte. Snake-Jo hat in einem anderen thread mal was zu einer Formel für die Eindringtiefe gesagt, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wo das war.
Was den Golf- und Tischtennisball angeht, würde ich mich nicht festlegen. Bei Karbonfaserkunststoffen ist z.B. rausgekommen, daß bei einem Aufprall von Kugeln mit gleicher Energie die Kugel mit der höheren Geschwindigkeit (niedrigere Masse und niedrigerer Impuls als die langsamere) größeren Schaden verursacht. Die Kugeln haben die Karbonfaserplatten aber nicht durchschlagen, es kann gut sein, daß es sich beim Durchstoß anders verhält.
Gruß,
Daniel
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 18:09
von Blind Guardian
mbf hat geschrieben:
[OT]
@Bild Guardian
Hast Du eine Quelle für den Wirkungsgrad Compound?
[/OT]
mit bild hab ich ja mal garnichts zu tun ;-)
ich hatte mal durch zufall eine tabelle gefunden wo bögen verglichen wurden. da wurde beschrieben das die meisten compounds um die 60-70% wirkungsgrad haben. bedingt durch die cams und die 2 zusätzlichen "sehnen".
abgesehen gab es da auch schon mal eine diskusion auf fa zu.
Re: Durchschlagskraft: Geschwindigkeit oder Gewicht?
Verfasst: 18.08.2009, 23:56
von ossy65
Hi Leut...verfolg mit Interesse eure Beiträge...lerne viel dabei...möcht aber nochmal meinen Versuch auf dem Grundstück in Erinnerung rufen.
Hab meinen Eschebogen mit 45 lbs genommen, hab Fichte- Kiefer- Zeder- und Eschepfeile geschossen auf 20 Meter.
Also die leichten Fichtepfeile sind nun mal nicht doppelt so schnell wie die Eschepfeile, obwohl sie nur (ca) die Hälfte wiegen.
Definitiv hauen mir die Eschepfeile auf meiner selbstgebastelten Zielscheibe alles kaputt und die anderen, die richtig zischen beim Abschuss

, nun mal nicht. Also, all die Formeln zu den einzelnen Aspekten, die sicherlich richtig sind, beschreiben anscheinend nicht exakt die Realität

Bin ja mal gespannt ob ihr doch noch auf einen Konsens kommt
Laßt Pfeile fliegen

Ralf