Hallo Gali,
das ist einer der Gründe warum ich nie, nie, niemals auf die Idee kommen würde mir aus HSS ein Messer zu machen. Du könntest mir das Zeug schenken, es würde bei mir im Keller verstauben oder Schimmel ansetzen.
Was sind meine Gründe?
1.) HSS Stahl zeichnet sich aus durch große Härte, Anlassbeständigkeit, Verschleißfestigkeit und eine Warmfestigkeit bis 600 °C aus. Außer Härte und Verschleißfestigkeit Eigenschaften die Du für ein Messer eigentlich nicht brauchst. Diese Eigenschaften werden erreicht durch den Zusatz von vielen Legierungselementen welche durch spezielle Wärmebehandlung in Sonderkarbide umgewandelt werden (Sehr vereinfacht ausgerückt, mehr Details im WWW und ich glaube ich muss das hier nicht abschreiben) Karbide haben i.d.R eine grobe Kornstruktur welche feine Schneiden eigentlich ausschließt. Wobei es schon Messeranwendungen gibt bei der Du keine feine Schneide benötigst. Aber als Laie bekommst Du ungehärteten HSS nur schwer und die Wärmebehandlung ist wirklich was für Profis. Also machst Du Deine ganzen Arbeitsschritte mit einem harten Werkstoff.
2.) Die Härte. Warum soll ich mir das Bearbeiten eines gehärteten Stahlrohlings mit u.U. über 60 HRc antun. Du hast das schön beschrieben 6h nur um die Schneide grob auszuarbeiten geschweige denn schon das Finish zu haben.
Nur als Vergleich für dieses Küchenmesser habe ich folgende Zeiten gebraucht:
- Ausarbeiten des Klingenumrisses (Bohren, sägen, feilen und schleifen): ca. 30 Minuten

- Schablone und Stahlrohling

- "Konvexe" Seite vorgebohrt. Früher habe ich Mangels Bandsäge dies mit der Stichsäge gemacht. Vorbohren geht schneller.

- Umrisse fertig. Mit Bandschleifer und Feile. Bis zur schwarzen Linie wollte ich noch nacharbeiten
Bis hier wie gesagt ca. 30 Minuten
- Vorschleifen der Klingengeometrie: ca 2 - 2.5 Stunden
Anschleifen der Klinge und des Ricassos. Da gehe ich mit Sorgfalt vor und achte auf Symmetrie und Mittenverlauf der Schneide. Ich schleife die Schneide bis zur eine Dicke von 0,3 - 0,5 mm vor. Weniger mach ich nicht damit kann ich später evtl. Härteverzug ausgleichen.

- Klinge geformt, Bohrungen für Pins angebracht
Die Klinge ist jetzt bereit zum härten. Davor finishe ich alle Oberflächen, bei denen ich später nichts mehr abtrage, mindestens bis zu 320 Körnung. d.H. ich entferne alle tiefen Schleifspuren und Kratzer. Dies geht bei ungehärtetem Stahl naturgemäß leichter. (Das obige Bild zeigt diesen Schritt nicht)
- Härten. Lasse ich für große Klingen mache (bei Wolf Borger) kostet nicht die Welt und das Ergebnis passt dann auch. Kleine Klingen härte ich in der Flamme selbst (wie schon hier irgendwo mal erwähnt, ich habe mal Werkzeugmacher gelernt. Das ist zwar schon lange her, aber gewisse Grundlagen verlernt man nicht).

- So kam die Klinge vom härten zurück
- Fertig schleifen. Dafür brauche ich ca. 2 - 2,5 Stunden
Ich muss ja nur noch 0,3 - 0,5 mm zur Endschärfe abnehmen, hier gehe ich einfach meine Bänder durch. Mit Körnung 60 mach ich den meisten Abtrag, dann gehe ich 80, 120, 150, 240, 320 und zum Schluss meistens mein Satinierband. Wichtig ist die Bandgeschwindigkeit runter zu nehmen und immer wieder zu kühlen. Ich schleife ohne Handschuhe, ich habe da mehr Gefühl in den Händen und spüre sofort die Wärme.
Jetzt siehst Du in obigen Bild eine Besonderheit. Die Klinge hat sich beim härten Verzogen und Wolf Borger hat diese dann mit dem Kerbhammer gerichtet. Die dadurch entstandenen Macke sind deutlich sichtbar und tief. Dadurch hat das ausschleifen hier 2,5 Stunden gedauert.
Du könntest jetzt hier von Hand die Oberfläche weiter verfeinern indem Du mit Körnung 400, 600, 800 und 1000 weitermachst (u.U. mit Öl) Ich schenke mir das meist. Das ist was für Oberflächenfetischisten.
- So bis hierher habe ich ca. 5 Stunden an Arbeit investiert und kann schon meinen Griff montieren. Hier noch ein Bild der Griffmontage

- Die Griffschalen geklebt und verstiftet
Weitere Bilder schenke ich mir sind ja oben gepostet.
Als letzten Schritt bringe ich die Endschärfe an. Das mach ich von Hand je nach Stahl und Stimmung entweder auf meinen Wassersteinen oder mit einem Lansky Set.
So das ist jetzt schon keine Antwort mehr eher eine längere Ausführung geworden die erklärt was ich tue und warum. So ich glaube Deine Unlust kam durch die falsche Materialwahl -> HSS. Ja ich schleife auch viel aber meine doch, dass mein Arbeitsablauf mehr Abwechslung in den Prozess bringt.
Gruß
Roland
P.S. Eine gute Lektüre Roman Landes; Messerklingen und Stahl. Verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Einsatz eines Messers, de Klingengeometrie und der Stahlwahl.