@benzi
mit "Einfluss" hab ich kein Problem
Viele Elemente des heutigen Kyudo stammen aus China.
Daumentechnik sicherlich, Bogenaufbau, auch Etiquette und Form wurden teils aus China übernommen.
Wo unsere Meinungen auseinander gehen ist rein im Wort "Ursprünge".
Die Ursprünge des japanischen Bogenschiessens liegen in Japan denke ich.
Der chinesische Einfluss ist zwar unverkennbar aber chinesische Elemente wurden alsbald in die bestehende indigene Bogenkultur assimiliert.
Man schiest eben z.B. nicht mit Reiterbogen oder Daumenring sondern mit dem japanischen Bogen und Handschuh. Der Handschuh hat auch erst seit kurzer Zeit den eingebauten Daumenring, davor war es einfach ein Handschuh - im Yabusame/Kasagake ist er es noch.
Pinch Grip mag vor 600 eine gängige Art zu ziehen gewesen sein, dann waren die Bögen aber wohl eher schwach damals...
Ich denke die These einer "Ankunft" der Daumentechnik um 600 bedingt ein "davor"... dass das "davor" einzig der Pinch-Grip war ist nicht unbedingt plausibel... aber naja...
Onuma Sensei war ein sehr bedeutender Schütze und Lehrer und auch die Herrschaften DeProspero sind sehr erfahrene Schützen und Lehrer. Ich würde die Aussage nicht anzweifeln dass der Daumen-Release in 7. JHD in Japan verbreitet wurde.
Es ging sicher mit einem sehr starken allgemein-kulturellen Einfluss einher und man liesst ja dass zu der Zeit Bogenschiessen im chinesischen Stil bei Hofe en vogue war - daher wohl die Verbreitung der Daumentechnik als Standardform.
Aber es ist halt auch wieder so dass es auch davor schon höfische Bogenriten gab und auch später wieder und bis heute hou-sha dargeboten wird. Es war ein Einfluss... der kam und assimiliert wurde.
Mich interessiert in dem Zusammenhang auch DePropspero's/Onuma's Aussage (Seite 13) dass das zeremonielle Bogenschiessen sich in Japan eben noch lang weiterentwickelte... "lang nachdem es in China ausgestorben war".
Demnach ist die Schiessform des Herrn Lee offenbar doch eine Wiedererfindung.
In China war die Tradition ausgestorben, in Japan wurde und wird sie noch lebendig weitergereicht.
Daher wohl der starke japanische Einfluss im Schiesstil des Herrn Lee
Ist doch interessant wie sich der Kreis schliesst...
der starke historische chinesische Einfluss fliesst heute zurück nach China...
Ich stimme Dir absolut zu dass es einen starken chinesischen Einfluss gab.
Es war aber halt ein Einfluss der in die indigene Bogenkultur einfloss und in jahrhunderte langer autonomer Entwicklung zum heutigen Kyudo wurde. Es war nicht die Gründung der japanischen Bogenkultur, es war ein Einfluss.
Um zum chinesischen Bogenschiessen zurück zu kehren... das was Herr Lee hier zeigt, ist das nun lebendige chinesische Tradition oder quasi Re-enactment? ...oder ganz was anderes?
Wenn man Onuma Sensei Glauben schenken darf gibt es keine lebendige chinesische Tradition.
Demnach ist das was Herr Lee hier zeigt Resultat seiner Forschungsarbeit (er wird auch als "archery researcher" betitelt) und nicht tradierte Form. Wenn zeremonielles Bogenschiessen ausgestorben war dann kann die hier gezeigte Form nicht direkt und persönlich tradiert sein sondern stammt aus Literarischen- oder Bildquellen.
Entweder hatte Herr Lee einen Lehrer... und der hatte auch wieder Lehrer... usw... so wie Onuma Sensei in der 15. Generation Grossmeister der Heki Ryu Sekka Ha war...
oder er hat es aus Büchern, Bildern...
oder er hat einfach beim Herrn Naito im UIC ins Dojo geschaut...
Markus hatte gefragt ob man die Aussage Herr Lee zeige klassische Song Schiessformen und Urform des heutigen Kyudo auch begründen kann... da haben wir noch nix dazu gehört.
Onuma Sensei und die Verbreitung der Daumentechnik in Japan im 7. JHD macht Herrn Lee's Schiess-stil weder authentisch noch belegten sie Deinen Anspruch in ihm die Ursprünge des japanischen Bogenschiessens wieder-gefunden zu haben.
Liebe Grüsse,
Mark