@medicinewheel
Hallo Frank!
Wir sind uns wohl noch nicht vorgestellt worden, also erstmal willkommen im FC!
Original geschrieben von medicinewheel
nein, viel weiß ich nicht über die geschichte des japanischen bogens, den japaner und unwissende nicht-kyudoka schomma gerne als yumi bezeichnen, doch meine ich gehört zu haben, daß dieser in seinem heutigen, uns bekannten aufbau (bambus auf back und belly, hartholz- und vertikale bambusstreifen als core) vor vielen hundert jahren von einem meisterschützen entwickelt wurde. Nun, mag sein, daß ich mich da irre...
Meine Anmerkung zu
yumi vs. Bogen erläuterte den in unserer Szene mangels Verwechslungsgefahr üblichen Sprachgebrauch, nicht mehr. Natürlich ist
yumi völlig korrekt. Wir sagen übrigens auch Pfeil und nicht
Ya (außer in spezifischen Bezeichnungen wie
Haya oder
Koshiya), meistens Handschuh und selten
Yugake, Sehne statt
Tsuru - aber meist
nakashikake und nicht Nockpunktverstärkung. Reine Konvention.
Zur Geschichte des japanischen Bogens läßt sich recht genau angeben, wie die Entwicklung mindestens seit dem 3. Jahrhundert von einem hölzernen Selfbow über zwei- und mehrschichtige Bambuslaminate zunehmender Komplexität und verschiedenen Querschnitts gelaufen ist. Einen einzigen Erfinder angeben zu wollen, ist da natürlich unmöglich, auch wenn sich um solche Dinge gerne Legenden ranken. Die heute übliche Standardkonstruktion geht auf das 16. Jahrhundert zurück, die letzten Modifikationen (im wesentlichen die Anzahl der Bambusstreifen im Kern) geschahen wohl noch im 17. Jahrhundert. Aufgrund der sehr stark geänderten Gebrauchsbedingungen (Aufkommen überdachter Dojo, Wegfall von praktischem Gebrauch im Regen) ist die wasserabweisende Lackierung heute nicht mehr üblich (genauer gesagt: eine kostspielige Luxusausgabe für sehr formelle Gelegenheiten wie das
Kagami Biraki), auch die Anzahl der ursprünglich stabilisierenden Wicklungen ist bei der üblichen Normalausgabe stark reduziert. Naturleim wird bei teureren Bögen noch verwendet, wenn auch synthetische Leime üblich geworden sind. Das selbe gilt für Sehnen aus Hanf oder Kunststoffen, für Schäfte aus Aluminium/Carbon oder Bambus, Federn vom Truthahn oder Adler etc. Wie so oft eine Frage des Anspruchs, Geschmacks und Geldbeutels. Bambusbogen und -pfeile sind übrigens erst ab der Prüfung zum 5. Dan vorgeschrieben, und das dauert auch in Japan durchaus ein paar Jahre.
NICHT irren tue ich mich an dem punkt, daß es in der entwicklung der musikinstrumente IMMER WIEDER virtuosen gab, die instrumente bauten: ein gewisser herr sax aus belgien z.b. spielte gleich mehrere instrumente hervorragend, darunter das von ihm erfundene saxhorn, die von ihm entwickelte bassklarinette und das uns allen bekannte saxophon. die klappensystematik hatte er bei der kurz vorher revolutionierten querflöte entliehen, die wiederum ein gewisser herr böhm entwickelt und gebaut hatte - auch er ein virtuose und instrumentenbauer. es gab solche leute immer wieder, was auch logisch ist, denn einer, der virtuos beulen aus einer tuba zu entfernen versteht denkt nicht notwendiger weise über deren bohrung nach, der virtuose spieler aber schon. ich weiß das u.a. deshalb, weil ich mehrere dieser instrumente seit 30 jahren spiele; ich unterrichte an der Hochschule für Musik, Köln.
So kann es einem gehen, wenn man seine Metaphern aus einem Bereich wählt, von dem man zu wenig weiß. Mein Fehler. Danke für die Nachhilfe, ich bin schon wieder ein bißchen weniger unwissend.
Ich schrieb allerdings wörtlich
(Musiker bauen ihre Instrumente üblicherweise auch nicht selbst.)
was gar nicht so dogmatisch und verallgemeinernd ist, sondern auch unter Einbeziehung der von dir genannten Fälle eine ganz richtige Beschreibung der üblichen Verhältnisse?
es würde mich zudem sehr wundern, wenn in all den schwerttratidionen der welt - einschließlich der japanischen - es NICHT ZAHLREICHE schmiede gab, die eine gefährliche klinge zu führen im stande waren.
also laß uns diese dogmatische verallgemeinerung nehmen und vom tisch wischen, okay?!
Apropos Verallgemeinerungen: Ich spach keineswegs von "all den Schwerttraditionen der Welt", sondern auschließlich von der japanischen. Da ist mir allerdings kein einziger Fechtmeister (also Begründer oder Linienhalter einer koryu) bekannt, der gleichzeitig ausgewiesener Schwertschmied gewesen wäre. Korrigiere mich gerne - aber Ausnahmen wären dann halt immer eben noch das: Ausnahmen. Übrigens sind auch hier die die Berufsbilder hoch differenziert: Der Schmied macht die Klinge, scharf poliert wird sie aber vom Polierer. Auch die Tsuba und andere Tosogu werden (üblicherweise) von anderen Handwerkern gemacht, genauso wie die Griffwicklungen und die Saya. An einem Schwert sind leicht eine Handvoll Handwerker beteiligt, jeder ein Spezialist auf seinem Gebiet.
Und genau auf diese traditionelle Spezialisierung in hochdifferenzierte Berufe in den Bugei inklusive den Bogenmachern, Pfeilmachern, Handschuhmachern etc kam es mir hier an. Das ist ein völlig anderes kulturelles Modell als das der amerikanischen Gründerväter und Protagonisten des tradbow-Gedankens von Compton, Pope und Young über Hill bis Bear.
Du hättest aber als Gegenbeispiel für meine Behauptung auch gleich Shibata sensei anführen können (bzw. ich hätte das von vorn herein tun sollen), der eben Bogenbauer und -lehrer ist. Auch wenn er sich in einem Interview persönlich sehr zurückhaltend zu seinem Lehrersein geäußert hat, immerhin unterrichtet er ja.
Das ist aber eben die Ausnahme, wie wohl auch die instrumentenbauenden Virtuosen in der Musikgeschichte sowohl unter den Virtuosen wie unter den Instrumentenbauern eher die Ausnahme als die Regel darstellen - können wir uns ganz undogmatisch, aber doch allgemein darauf einigen?
Daß eine Parallele zwischen den Welten von Bugei und Musik besteht, halte ich nach wie vor für plausibel: In beiden Fällen handelt es sich um traditionelle Künste mit Strömungen, Schulen und Entwicklungen bis in die Jetztzeit, mit hochdifferenzierten Berufsbildern und einer (zumindest idealtypisch) am Können orientierten, starken Hierarchie. Gegenüber Anfängern im Dojo beschreibe ich meine eigene Rolle jedenfalls gerne als Entsprechung zum Musiklehrer, der sein Instrument, dessen Theorie und das Unterrichten des selben auf einem bestimmten Niveau gelernt hat, aber kaum "Künstler" und nicht im entferntesten Virtuose oder gar "Meister" ist.
Oder hältst du eine solche Parallele prinzipiell für unzulässig?
nein, '"Last Samurai" ist keine fachliche Referenz für taugliche Bögen', das wüßten wir auch nicht, wer das durcheinander gebracht haben könnte?!
'der bekanntere' sieht das übrigens ganz genau so. was AUCH nicht ganz richtig ist: entgegen anders lautender meldungen hat auch 'der bekanntere', wie sein freund Don Symanski, einen großteil seines handwerks in japan bei einem japaner erlernt und er unterhält nach wie vor enge beziehungen zur shibata familie.
"Wir"?
Pluralis majetatis? Tu Butter bei die Fische, für welche Gruppe sprichst du hier? Paratox? Deren zufriedene Kunden? Jedenfalls wird das in der Werbung immer wieder gerne hervorgehoben - auch bei dem Seminar, für das du selber in deinem ersten und bisher einzigen anderen Beitrag im FC geworben hast. Und da dieser Film auf allen Ebenen, gerade auch bei den Szenen, die Bogenschießen zeigen, von Anachronismen und groben Fehlern nur so strotzt, sollte diese Zusammenarbeit für einen Fachmann im historischen Bogenbau eher peinlich sein. Und ich gehe zu seiner Ehrenrettung davon aus, daß er mit der Gestaltung der Kampfszenen nichts weiter zu tun hatte.
Warum im Film überhaupt Bögen in Originalbauweise verwendet wurden, wurde mir ohnehin nie recht verständlich: In den Massenszenen waren die Pfeile bloß virtuell (und die Technik der Komparsen lächerlich). Dafür hätte selbst ich mit einfachsten Mittel billige Glasfiberyumi von der Stange zu völlig filmtauglichen Kriegsbogenrequisiten aufrüsten können. Sogar die wenigen Einzelszenen, für die der Schauspieler immerhin unter Anleitung Kyudo geübt hatte, stimmen hinten und vorne nicht. Natürlich ist das jetzt Haarspalterei, die am reinen Unterhaltungsanspruch dieses Filmes vorbeigeht, man kritisiert Mission Impossible auch nicht für mangelnden Realismus. Aber man würde die Mitarbeit dabei auch nicht als Qualifikation für nachrichtendienstliche Tätigkeit heranziehen - besonders nicht, wenn man die sonst hat.
Herr Koppedrayer ist ganz sicher ein feiner Mensch, ein kompetenter Bogenbauer und inspirierender Bogenbaulehrer - ich kenne ihn nicht, habe einiges gutes gehört und nehme erstmal das beste an. Es ist bekannt, daß er in Japan zum traditionellen Bambusbogenbau viel recherchiert und von Shibata sensei gelernt hat (in die Lehre gehen ist dann schon noch mal etwas sehr anderes). Nicht ganz so fein ist die marktschreierische Anpreisung (für die er wohl nicht selbst verantwortlich zeichnet), die vor keiner Übertreibung zurückschreckt. "Weltweit eine Autorität im Bau von Yumis" ist angesichts der in Japan tatsächlich vorhandenen Kompetenz im Bogenbau (nicht zuletzt der seines eigenen Lehrers!) einfach nur Werbetext. Er ist unbestritten einer der wenigen, die außerhalb Japans überhaupt etwas davon verstehen, aber Autorität... Langsam könnte man glauben, er habe die klassische japanische Verleimungs- und Formungstechnik mit Schnurumwicklung und Verkeilung persönlich erfunden. Ich glaube gerne, daß er selbst nicht diesen Eindruck erwecken will, sondern einfach das selbst gelernte willig und begeisternd teilt.
ich weiß halt nicht, ob DU einen dieser genannten herren näher kennst, deine meinung über ihre bogen mit ihnen geteilt hast, deine anregungen zu verbesserung weiter vermittelt hast,
Es gibt durchaus noch mehr Bogenbauer als nur diese zwei, die Yumis im Programm haben, auch in Europa. Die Kyudowelt außerhalb Japans ist recht klein und international sehr gut vernetzt, und es gibt zu den relativen Qualitäten dieser Bögen im Verhältnis zu den verschiedenen japanischen genau die selben lebhaften Diskussionen und mehr oder weniger fundierten Meinungen wie hier im Forum zu verschiedenen Recurves, ELB oder ungarischen Reiterbögen. Nicht jeder, der einen "Grozer" einem "Kassai" vorzieht und das hier im Forum auch sagt, wird darüber mit Herrn Kassai diskutieren. Tatsächlich wohl kaum einer. Konkret: Meine "Anregungen" würde kaum einen Bogenbauer, japanisch oder westlich, interessieren, ich habe im Bogenbau auch keinerlei praktische Kompetenz und wäre nicht der rechte, irgendwelche Anregungen zu erteilen. Das heißt aber nicht, daß ich als regelmäßiger Benutzer japanischer Bögen sehr verschiedener Bauart und Provenienz und als Teil einer informierten Gemeinschaft nicht eine wohl erwogene Meinung zu deren durchaus unterschiedlicher Qualität hätte. Mit dem Ergebnis, daß ich wie die allermeisten Kyudoka Bögen in Japan kaufe.
Ich habe übrigens vom Autobau noch viel weniger Ahnung als vom Bogenbau - dennoch habe ich als notdienstfahrender Landarzt meine Erfahrungen und Meinungen zur Brauchbarkeit verschiedener Fahrzeuge unter den Einsatzbedingungen des norwegischen Winters. Und darf ich noch einmal die Musiker bemühen, die ja auch ihre Vorlieben und Werturteile zu Instrumenten haben? Genug, der Punkt dürfte klar geworden sein.
oder ob du bei den letzten malen im dojo vergessen hast, dich ein wenig zu entspannen. dein dogmatisch-agressiver stil läst letzteres befürchten; du kommst da ein wenig rechtwinklich rüber, gell?!
Je nun,
argumentum ad hominem, was soll man darauf antworten? Soll man darauf überhaupt antworten?
Vielleicht so viel: Wie ich für dich rüberkomme, nehme ich bedauernd zur Kenntnis. Für die ursprünglich hier zur Debatte stehende Frage, ob es sinnvoll sei, einen nachgebauten Yumi anders zu schießen als mit korrekter Technik, habe ich immerhin in der Sache gute Gründe.
Du bist übrigens schon der zweite in diesem Thread, der Kyudo mit Entspannung verwechselt. Im Dojo entspannt man sich nicht, sondern strengt sich an - so sehr wie möglich, sowohl beim eigenen Üben wie beim Unterrichten. Das erwarten mit Recht sowohl meine Lehrer als auch die Mitglieder meines Dojo von mir. Allerdings arbeite ich deutlich mehr als 60 Wochenstunden, mehr Entspannung ist also gar kein so dummer Vorschlag. Ich werde ernsthaft darüber nachdenken.
richtig, Kyudo IST eine tradition, und zwar eine japanische;
Fast richtig. Kyudo besteht wie andere Bugeidisziplinen aus Traditionslinien sehr verschiedenen Alters.
Die Frage der Traditionalität und ihrer Probleme ist mir in der Tat ein wichtiges Thema. Meine Versuche, sie hier zu diskutieren, muß ich aber als wiederholt fehlgeschlagen einschätzen - abgesehen von einigen sehr interessanten privaten Diskussionen hinter den Kulissen des Forums.
wie authentisch du selbst darin bist, als europäer mit einer eigenen völlig anderen tradition aufgrund deiner herkunft, das mußt du für dich selbst überprüfen.
Das muß ich glücklicherweise nicht selbst. Das tun meine Lehrer, die deutschen wie die japanischen, wie das so traditionell üblich ist.
Und das wiederholte
ad hominem mal beiseite (lieber Frank, du langst ganz gut hin...):
Möchtest du andeuten, ein westlicher Kulturhintergrund disqualifiziere für die kompetente Beschäftigung mit Elementen anderer Kulturen? Als Westler könne ich nichts zu Kyudo sagen? Für den Bambusbogenbau zumindest bist du ja ganz offenbar genau nicht dieser Meinung, ich übrigens auch nicht.
Und ich glaube fest, daß du als Dozent für Jazzkomposition durchdachte und komplexe Argumente zu Tradition und Interkulturalität hast, die mich sehr interessieren würden - selbst wenn wir möglicherweise über ein paar Alt besser, produktiver und freundlicher diskutieren könnten als hier. Ich bin selten in Deutschland, aber gelegentlich auch mal in Köln (wo es übrigens ein paar fortgeschrittene Kyudoka gibt, die sich mit Bogenbau praktisch beschäftigen). Unmöglich ist nichts.
Beste Grüße von Oslo nach Köln
