Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

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Chirion
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von Chirion »

Ein ganz wesentlicher Aspekt des Frühmittelalters ist die Plünderung der Unterlegenen nach einer Schlacht oder auch einem noch so kleinen Gemetzel. Die Gefallenen wurden regelrecht bis auf die Haut ausgeplündert und die gesammte brauchbare Ausrüstung war Kriegsbeute die unter den Siegern verteilt und auch benutzt wurde. Es ist hoch wahrscheinlich das es im Frühmittelalter nicht immer klar möglich war anhand der Ausrüstung und der Waffen einen Goten von einem Vandalen/Alanen oder später einen Franken von einem Odobriten der auch nur einen Hunnen von einem Oströmer zu unterscheiden. Neben diesem regen Austausch von Ausrüstungsgegenständen wurde auch alles bewährte nachgebaut zB. ein damasziertes Sax bei dem der Ursprung des Erzes der heutigen Steiermark zuzuordnen ist in einem Awarengrab in Karantanien dieses Sax wird einer Awarischen Schmiede zugeschrieben.
Der Waffentyp ist allerdings eher nordisch und Damaszierte Klingen waren zu der Zeit im Norden eher ungewöhnlich. Nachbau war also mindesten so verbreitet wie heute. Wenn dies für Schwerter zutrifft wäre es eigenartig wenn andere Waffenproduzenten nicht ähnlich agiert hätten. Das Argument des fehlenden Rohmaterials ist angesichts des regen Handels und der Tatsache das asiatische Glasperlen dieser Zeit auch noch im hintersten Winkel der Alpen genauso gefunden werden wie Bernstein aus Rügen in der Kleinasien und der Mongolei, auch nicht gerade gewichtig
Chirion lehrt Pfeil und Bogen zugleich zu sein und eins mit dem Ziel zu werden

Den Bogen gespannt, durchstreifst du, der Beute entgegen, die Schattentäler der Nacht
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killerkarpfen
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von killerkarpfen »

Ahmed, auch Riesch geht in diesem Kapitel von Importware oder einer hochspezialisierten Handwerkerschaft aus die nur eine kleine elitäre Klientel belieferte.

Es ist teilweise erwiesen oder höchstwahrscheinlich anzunehmen, dass von Söldnertruppen und Reisläufer wie es sie schon lange vor der grossen Völkerwanderung gegeben hat grosse Mengen an Waffen und Kulturgütern über die Kontinente transportiert wurden.
Vieles wurde übernommen kopiert und geriet je nach dem auch wieder in Vergessenheit. Vielleich liegt es daran, dass wir heute dazu neigen das gesamte "Mittelalter" von den Römern bis zur Neuzeit in einer Art Zeitraffe anzuschauen. Das sind jedoch 2000 Jahre Entwicklung, Hochblüte und Niedergang ganzer Völker.
Es ist dabei sehr erstaunlich einerseits zu erkennen wie vernetzt und "globalisiert" die alte Welt damals war und andererseits so vieles durch Kriege, Kulturwandel und Krankheiten wieder verschwand.
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71-Stunden-Ahmed
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von 71-Stunden-Ahmed »

killerkarpfen hat geschrieben:Ahmed, auch Riesch geht in diesem Kapitel von Importware oder einer hochspezialisierten Handwerkerschaft aus die nur eine kleine elitäre Klientel belieferte.

Es ist teilweise erwiesen oder höchstwahrscheinlich anzunehmen, dass von Söldnertruppen und Reisläufer wie es sie schon lange vor der grossen Völkerwanderung gegeben hat grosse Mengen an Waffen und Kulturgütern über die Kontinente transportiert wurden.
...
Hallo Killerkarpfen,

Deine Aussagen stelle ich überhaupt nicht in Frage. Ich habe lediglich dem Thread Eröffner Betelgeuse geantwortet. Er fragte nach
Betelgeuse hat geschrieben:Hi an alle (ich wollt grad sagen "da draußen",aber ich hoffe ihr seid bei der Kälte drinnen)
Ich hab auf dem weg zwischen Holmegaard und Møllegabet den überblick verloren, und wiki hält sich zu dem Thema mehr als zurück.
Mich interessieren Bogendesigns der Bronze und Eisenzeit bis zum beginn des Christlichen Mittelalters, also bevor die Armbrust kam ;)
Ich wollte möglichst autentisch einen Jäger darstellen, da ich aber einen Bogen in der Hand halten möchte, fällt das christliche Mittelalter quasi raus, wegen Armbrust und so.
Wie siehts da in der Geschichte aus?
M W jagden die Germanen mit Pfeil und Bogen, aber welchen Typs?
Und dann kann auch ein Kompositbogen in Frage kommen, zumal der von mir zitierte Bogen im heutigen Schwaben gefunden wurde (falls ich mich noch recht erinnere). Sateless hat ja auch schon einige Posts vorher einen Skythenbogen ins Spiel gebracht.

Grüße und so,

Ahmed

PS. Ich laufe ja auch mit einem importierten Smartphone aus Asien in Europa rum. :-)
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Wilfrid (✝)
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von Wilfrid (✝) »

Also, was das "Vergessen" der Komposit bögen angeht, dem kann ich nicht zustimmen. Neben kurzen Recurve mit scheinbar arbeitenden Recurves geben die Miniaturen eben sowas Skythisches, Mongolisches her.

Stabförmige Bögen findet man keine auf den mitteleuropäischen Bildern vor dem 15. Jhdt. Jedenfalls habe ich keine gefunden.
Auch auf dem Teppich von Bayeux, alles Recurves, es sei denn ich hätte einen Stabbogen übersehen
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Heidjer
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von Heidjer »

Da es ja auch um Norddeutschland geht, möchte ich hier noch das sogenannte "Harzhornereignis" einbringen. Da wo Heute die A7 an Nordheim vorbei führt, gab es um 235 oder 236 n.Ch. eine Schlacht zwischen Römern (minimum 1000 Mann, vermutlich aber in Legionsstärke oder noch mehr) und einen unbekannten germanischen Gegner.
Bei dieser Schlacht wurde ein germanischer Sperriegel der auf einen Höhenzug (dem Harzhorn) war, von den Römern durchbrochen.
Neben zahlreichen, eindeutig römischen Funden, unzählige Sohlennägel, reichlich Katapultbolzen und vielen syrisch/römischen dreiflügeligen Pfeilspitzen, wurde nur wenige Funde eindeutig den Germanen zugeordnet. Interessanterweise in der Hauptsache, ... Pfeilspitzen!!!

Es gibt keinen Nachweis was für Bögen die syrischen Bogenschützen auf römischer Seite verwendet haben, aber es gibt gute Gründe dafür, dass es vermutlich Kompositbögen waren.

Viel spekulativer ist es was für Bögen die Germanen verwendet haben, Eibenbögen sind gut möglich, aber selbst Kompositbögen sind möglich, da zu der Zeit alle möglichen römische Waffen schon den Weg zu den Germanen gefunden hatten.

Ich finde jedoch die Tatsache, das eindeutig germanische Bogenschützen gegen syrische Bogenschützen in römischen Diensten einen Kampf um 235 n.Ch. am Rande des Harzes führten, allein schon bemerkenswert. ;)

Hoffen wir es mal, das es 1800 Jahre danach, nicht zu einer Wiederholung kommt. ::)


Gruß Dirk
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von Betelgeuse »

Also könnte ich theoretisch einen germanischen Jäger aus dem Harz (wo ich ja tatsächlich herkomme) um 240 n.Chr. mimen, und dabei meinen mongolen weiter dazu benutzen?
Und Northeim schreibt man mit t
Ich werd mir trotzdem bei gelegenheit einen schönen selfbow gönnen.
Wenn der Klügere immer nachgibt, darf er sich nicht beschweren, wenn der Dumme das Sagen hat.
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killerkarpfen
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von killerkarpfen »

Sieht dann halt so aus wie ein Römischer Söldner mit einem Katana ;D
Alles ist möglich ::)
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Sateless
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von Sateless »

Germanischer jagender Adeliger mit Kompositbogen: Ja. Gut möglich.
Germanischer Schäfer mit Stabbogen o.Ä.: Ja. Schlüssig.
Ich schreibe ohne Autokorrektur lesenswerter. Du etwa auch?
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Wilfrid (✝)
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von Wilfrid (✝) »

http://www.fletchers-corner.de/viewtopi ... 48#p417248
Dank Rabe gibts den Nachweis eines Bogens aus der Völkerwanderungszeit einschließlich Bauanleitung ;-)
Betelgeuse
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von Betelgeuse »

Der 8-Seitige Thread von 2010/2011, in dem so einiges dazu aufgearbeitet wurde, war sehr aufschlussreich, der Link dazu ist, glaub ich, in diesem Faden auf Seite 2. Interessant ist auch die Tatsache, dass die Steinzeitbögen à la Mölle und Holmi schonmal effizienter waren als die ELBs.
Riesiges, und mega-interessantes Thema. ich seh schon, ich muss eingrenzen.
Gegeben sei ein jagdbetreibender Mensch (erstmal egal ob Schäfer oder Adelig) irgendwo zwischen Germanen und Frühmittelalter in Mitteleuropa. In Anbetracht der bis dahin entwickelten Bauformen und vorhandener Flora:
Welche Kombination aus Holzsorte (europäisch, also nix Manau, Osage oder Bambus) und Bauform hat die beste Performance ("speed pro zugstärke") ohne zuuu viel Lebensdauer/Haltbarkeit einzubüßen, um der nervig schnellen Reaktionszeit des Wildes etwas entgegenzusetzen (historische Begründung), bzw dass ich bei Turnieren nicht schon bei 40m über die Scheibe in den Himmel zielen muss (meine echte Begründung).
Meinem Auszug von 30"(amo, etwas über 28" Realauszug) geschuldet kann die Bogenlänge schon einmal auf 170-175cm gesetzt werden, zielzugstärke bei meinem Auszug wär um 50-55#.
BTW: wer hat im frühmittelalter eigentlich den hohen Herrschaften deren Hirschfilet besorgt? gabs da Hauptberufliche oder war das schon die zu leistenden Abgaben der nebenbei jagenden Ottonormalbevölkerung?
Zuletzt geändert von Betelgeuse am 15.10.2015, 17:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Wilfrid (✝)
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von Wilfrid (✝) »

Zum Holz bei 50#+ wäre Eibe oder Holunder, bis 50 # Haselnuß, die braune Sorte aus dem Wald, das gibt sehr schnelle Bögen.
Bei der Eibe eben feinringige Gebirgseibe, bei Sandeibe kannste Pech haben, das der "langsam" wird.Wenn Du irgendwie über den Pfeil zielst, mußt Du wohl bei den meisten Selfbows auf 40 m über die Scheibe halten.
Auszug 30" ergibt eben einen uWA von 30 "=76cm, + 12 cm Griff+ oWa, (beim Flitzebogen ist der rund 88 cm) sind da schon 174 cm, nimmst Du z.B. den Warnow-Bogen kommen noch mal 10 cm für den Überstand drauf, dafür wird der oWa etwas kürzer, da landest Du dann bei 180 cm.
Also, nen gerraden Holunderast suchen, Durchmesser so grob 60-70 cm und dann beidseits anspitzen. In der Mitte 2,5 -3 cm hoch und so grob 3-3,5 cm breit.
Sollte passen. Nimm aber nen Ast, was aus der Erde kommt, hat meist Drehwuchs. Die Reflexe Seite wird der Rücken, trocken wird der auch an der Wand.
Sprich, jetzt Ernten, endrinden und mit übermaß vorbauen, wiegen, und in 14 Tagen 3 Wochen fertig bauen
Betelgeuse
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von Betelgeuse »

Du meintest wohl 60-70 mm, nicht cm...
Das klingt jetzt erstmal übertrieben einfach, ich muss dazu sagen, dass ich noch nie etwas Bogenähnliches gebaut habe, nur eine Compound-Armbrust aus Lego, aber die hat gut gefunzt.
Was heißt grob vorbauen?
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Wilfrid (✝)
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von Wilfrid (✝) »

jau, 6-7 cm dick
Na, du läßt Deinen zukünftigen Bogen überall so 3 -5 mm dicker. Wenn beim Holunder im Griffbereich der Markkanal noch halb zu sehen ist, wird das noch ein gut schießbarer Bogen
wichtig ist, das der Bogen nachher so 6 bis 12 cm asymmetrich ist, sonst tritt der wien Muli (Handschock)
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fatz
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von fatz »

Bist Du sicher, dass 3-5mm reichen? Nasses Holz hat quer schon allein 10-15% Trocknungsschwund. Da bist du dann schon
ziemlich auf den beabsichtigten Abmessungen.
Haben ist besser als brauchen.
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Re: Reale Bogentypen der Bronze/Eisenzeit

Beitrag von Betelgeuse »

Also als erstes nach dem ernten, Rinde runter, der länge nach halbieren, so dass ich quasi 2 bauen könnte, dann auf 4 cm breite und höhe runter, sodass ich ein 4x4cm und 180 länges Holundervierkant mit halbem markkanal längs auf einer Seite herausbekomme, dann 3 wochen auf dem Wohnzimmerschrank trocknen. Richtig soweit?
Bin übrigens grad im Chat, die Bauanleitung is grad glaub ich etwas OT.

P.S.: mit regional verfügbar meinte ich, was dem damaligen Menschen an Holzsorten in Mitteleuropa zur verfügung stand, nicht was bei mir um die Ecke wächst und sich legal ohne genehmigung "ernten" lässt. Ich wollte damit Hölzer wie Manau oder Osage oder Bambus ausschließen, hab das grad mal editiert.
Ja ich weiß das Bambus kein Holz sondern Gras ist.
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